BND-Affäre:Merkel beruhigt Gabriel beim Thema Wirtschaftsspionage

BND-Affäre: Es sei klar, "dass das nicht passieren sollte", sagt Kanzlerin Merkel zur BND-NSA-Affäre.

Es sei klar, "dass das nicht passieren sollte", sagt Kanzlerin Merkel zur BND-NSA-Affäre.

(Foto: AP)
  • Bundeskanzlerin Merkel hat dem SPD-Vorsitzenden Gabriel nach dessen eigener Aussage zweimal versichert, dass es über den Fall EADS hinaus keine Hinweise auf Wirtschaftsspionage durch die NSA in Europa gebe.
  • Der Präsident des Bundesnachrichtendienstes, Gerhard Schindler, weist den Vorwurf des Landesverrats entschieden zurück.
  • Auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière wehrt sich erneut gegen Vorwürfe im Zusammenhang mit der BND/NSA-Spionageaffäre.
  • Am Mittwoch will de Maizière vor dem Bundestagsgremium zur Kontrolle der Geheimdienste zur Aufklärung beitragen.

Merkel zu Gabriel: Keine weiteren Hinweise auf Wirtschaftsspionage

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel rechnet nicht damit, dass der Bundesnachrichtendienst im Auftrag des US-Geheimdienstes NSA im größeren Umfang Unternehmen in Europa ausspioniert hat. Bundeskanzlerin Angela Merkel habe ihm zweimal versichert, dass es "über den bekannten Fall EADS hinaus" keine Hinweise auf Wirtschaftsspionage gebe, sagte der SPD-Vorsitzende.

Er gehe davon aus, dass dies auch das Ergebnis der Untersuchungen der Bundestagsgremien sein werde. "Ich habe keinerlei Anlass, daran zu zweifeln, dass die Kanzlerin meine Fragen korrekt beantwortet hat", sagte er. Der SPD-Chef fügte gleichwohl hinzu: "Wenn es wirklich einen Beitrag des BND zur Wirtschaftsspionage gegeben haben sollte, der über den bekannten Fall von EADS hinausgeht, wäre das eine schwere Belastung auch des Vertrauens der deutschen Wirtschaft in das staatliche Handeln."

Die Bundeskanzlerin sagte zu der Geheimdienstaffäre am Montag: Es sei klar, "dass das nicht passieren sollte." Im Oktober 2013 hatte sie noch gesagt: "Ausspähen unter Freunden - das geht gar nicht."

Chef des Bundesnachrichtendiensts nennt Vorwürfe "abwegig"

BND-Präsident Gerhard Schindler hat den Vorwurf zurückgewiesen, der Bundesnachrichtendienst betreibe bei seiner Zusammenarbeit mit dem US-Geheimdienst NSA Landesverrat. "Dieser Vorwurf ist schlicht und einfach abwegig", sagte Schindler am Montag bei einer Tagung der Spitzen der deutschen Sicherheitsbehörden zur Bedrohung durch islamistischen Terrorismus in Berlin.

Zu Details der umstrittenen Vorgänge wolle er sich wegen der für Mitte der Woche geplanten Information der entsprechenden Gremien des Bundestages nicht äußern. Zugleich wies Schindler den Vorwurf zurück, der deutsche Auslandsnachrichtendienst habe sich zu einem willfährigen Werkzeug der NSA machen lassen. Bei der BND/NSA-Affäre geht es vor allem darum, ob der deutsche Auslandsnachrichtendienst wissentlich oder zumindest stillschweigend bei Praktiken der NSA mitgeholfen hat, die gegen deutsches Recht verstoßen.

De Maizière weist Vorwürfe zurück

Auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hat in der BND/NSA-Affäre Kritik an seinem Verhalten zurückgewiesen und erneut volle Aufklärung angekündigt. Er werde seinen Auftritt vor dem Parlamentsgremium zur Kontrolle der Geheimdienste an diesem Mittwoch dazu nutzen, die Unterstellungen gegen ihn auszuräumen, sagte er bei einer Tagung der Spitzen der deutschen Sicherheitsbehörden über die Bedrohung durch islamistischen Terrorismus in Berlin.

Der Bundesnachrichtendienst (BND) soll dem US-Geheimdienst NSA über Jahre geholfen haben, europäische Unternehmen und Politiker auszuforschen. Die Vorwürfe waren vor mehr als einer Woche bekanntgeworden. In der Affäre geht es vor allem darum, ob der deutsche Auslandsnachrichtendienst bei Praktiken der NSA mitgeholfen hat, die gegen deutsches Recht verstoßen. 2008 soll der BND das Kanzleramt und auch den damaligen Kanzleramtschef de Maizière über die NSA-Praktiken informiert haben.

Dabei sei es allerdings nicht um konkrete Hinweise für einen Missbrauch der Zusammenarbeit mit dem BND durch den US-Geheimdienst NSA gegangen, betonte nun de Maizière. Vielmehr sei es gerade darum gegangen, eine bestimmte Zusammenarbeit nicht zu vertiefen, um Missbrauch zu vermeiden.

Parteikollege Tillich unterstützt de Maizière

Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich stärkte seinem Parteikollegen den Rücken. Der Bundesinnenminister sei jemand, der an Akkuratesse nicht zu überbieten sei, sagte Tillich vor der Sitzung des CDU-Präsidiums in Berlin. "Und ich gehe davon aus, dass er zumindest alles das getan hat, was rechtlich möglich und auch rechtlich abgedeckt ist."

CDU-Vize Julia Klöckner unterstrich die Bedeutung der Nachrichtendienste. Diese könnten aber "nicht auf eigene Rechnung und im luftleeren Raum" arbeiten. "Es gibt klare Regeln und Gesetze. Und sollte dagegen verstoßen worden sein, dann müssen die Gremien das auch aufklären."

Verfassungsschutz-Chef Maaßen greift Medien an

Verfassungsschutz-Präsident Hans-Georg Maaßen verurteilte die Kritik an de Maizière und den deutschen Geheimdiensten scharf. Die Berichterstattung über ein mögliches Fehlverhalten des CDU-Politikers habe er als "höchst unanständig" empfunden, sagte Maaßen. Als "unerträglich" bezeichnete er zudem Unterstellungen einiger Medien und mancher Politiker, die Mitarbeiter der Geheimdienste verstießen vorsätzlich gegen deutsches Recht und missbräuchten ihre Befugnisse.

Die Nachrichtendienste arbeiteten nicht für sich selber, sondern für das Allgemeinwohl. "Sie selbst haben kein Eigeninteresse an der Ausweitung von Befugnissen oder Kompetenzen", sagte Maaßen. Die Geheimdienste, die auf die Verfassung geschworen hätten, bräuchten für ihre Arbeit den Rückhalt der Gesellschaft. Ohne diesen seien sie nicht in der Lage, ihre Arbeit so gut zu machen wie es notwendig sei. Offenbar werde in bestimmten Kreisen von Medien und Politik versucht, die Nachrichtendienste "sturmreif" zu schießen. Zugleich betonte Maaßen, die Zusammenarbeit mit ausländischen Diensten sei wichtiger denn je.

Hahn: "Das ist kein Umgang mit den gewählten Volksvertretern"

Der oberste Geheimdienstkontrolleur im Parlament, André Hahn (Linke), wirft der Bundesregierung hingegen mangelnden Aufklärungswillen in der Spionageaffäre vor. "Die Regierung gibt immer nur das zu, was sie nicht mehr leugnen kann", sagte der Vorsitzende des Bundestagsgremiums zur Kontrolle der Geheimdienste. Unter den Abgeordneten - und nicht nur bei denen der Opposition - sei der Unmut über die Informationspolitik des Kanzleramts groß. "Das ist kein Umgang mit den gewählten Volksvertretern."

Hahn sagte, als Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) die Parlamentarier vor Tagen erstmals über die Vorwürfe informiert habe, habe er mit keinem Wort erwähnt, dass auch Institutionen wie die EU-Kommission unter den US-Spähzielen gewesen seien. Auch habe es geheißen, dass das Kanzleramt erst im März von den Spähversuchen der NSA erfahren habe - was sich inzwischen als falsch herausgestellt habe. Beides sei erst durch Medienberichte ans Licht gekommen. "Es kann nicht sein, dass man uns nur häppchenweise bestätigt, was die Medien ohnehin schon herausgefunden haben", kritisierte er.

Am Ende müsse es auch personelle Konsequenzen beim BND und bei den Verantwortlichen im Kanzleramt geben, sagte Hahn. "Man ist als Minister für sein Haus verantwortlich, und es sind schon Minister wegen weit geringerer Vorwürfe zurückgetreten."

Der Linke-Politiker hält es auch für möglich, dass die Affäre noch größere Ausmaße annehmen könnte als bislang bekannt. "Ich gehe nicht davon aus, dass es bei alldem nur um die Daten aus der Satellitenkommunikation in Bad Aibling geht." Allerdings sei der politische Schaden schon durch das bislang Bekannte gigantisch.

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