"Vorstadtweiber" in der ARD:Aus dem Häuschen

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Ein unmoralisches Angebot: Caroline (Martina Ebm) muss sich der Avancen ihres Stiefsohns erwehren. (Foto: ARD/ORF/MR Film)

Anfang des Jahres verzeichnete der Desperate-Housewives-Abklatsch "Vorstadtweiber" in Österreich gleichzeitig einen Zuschauer-Shitstorm und sensationelle Quoten. Am Dienstagabend startet die Serie in der ARD.

Von Kathrin Hollmer

"Servus Schatzi, das ist mein neues Schatzi." Subtil kann man es nicht nennen, wie mit den Vorstadtweibern in der gleichnamigen Serie Schluss gemacht wird. Und genauso wenig subtil ist auch der Rest der Koproduktion von ORF und ARD, die am Dienstag im Ersten anläuft und statt der braven Nonnen-Serie Um Himmels Willen Sex und Intrigen in die Prime Time bringt.

Wie im US-amerikanischen Serien-Vorbild Desperate Housewives geht es in Vorstadtweiber (Regie: Sabine Derflinger, Harald Sicheritz) um frustrierte Frauen aus der besseren Gesellschaft, die mit erfolgreichen Geschäftsmännern verheiratet, von ihnen geschieden oder in Affären mit ihnen verwickelt sind - nur dieses Mal leben sie in der kreuzbiederen Wiener Vorstadt.

Statt im Pool schwimmen sie im Gartenteich mit künstlichem Schwan, statt Margaritas trinken sie "Brosecco" und backen Punschkrapfen.

Die Figuren im österreichischen Abklatsch sind nicht so fein gezeichnet wie in der amerikanischen Vorlage, trotzdem scheinen ihre jeweiligen Vorbilder durch: Die biedere Maria kutschiert ihren Mann herum, schmiert ihm Sandwiches und ist auch sonst das perfekte Heimchen am Herd.

Im Schlafzimmer läuft dafür schon lange nichts mehr, wie auch bei Bree Van de Kamp aus Desperate Housewives. Deren klinische Unterkühltheit erreicht Gerti Drassl als Maria zwar nicht, dafür stellt sie die Hausfrau beinahe entzückend naiv dar.

Sie hat den Adelstitel, er das Geld

Als Maria ihren Mann mit Perlenkette und im Zuckerperlen-Slip verführen will, ruft er nur: "Jessas!" Im Laufe der Folgen stellt sich heraus, dass er statt jede Woche nach Dubai - Dubai! - zu pendeln, ein Doppelleben samt schwulem Lover in der Innenstadt führt.

Caroline, die jüngste der Freundinnen, ist gerade von der Geliebten zur Ehefrau eines viel älteren Bankers befördert worden und hat, wie Gabrielle Solis aus Desperate Housewives, eine Affäre mit einem jüngeren Mann.

Waltraud und ihr Mann sind nur deshalb noch verheiratet, weil sie den Adelstitel und er das Geld in die Ehe gebracht hat. Waltrauds Affäre mit dem minderjährigen Sohn ihrer Freundin und Nachhilfeschüler ist die spannendste Beziehungskonstellation in der Serie: Während dem Schüler die reife Geliebte schnell peinlich wird, klammert sie sich auch emotional an ihn.

Klos putzen in hochhackigen Lack-Pumps

Nicoletta - wunderbar dargestellt von Nina Proll -, die als einzige der Freundinnen von Anfang an für sich selbst sorgt, verkauft in ihrer Modeboutique "Null acht fünf zehn" Designerkleider mit zweifelhafter Herkunft und hat eine Affäre mit Waltrauds Ehemann.

Und dann ist da noch Sabine, eine Akademikerin, die nach der Scheidung putzen gehen und Sexspielzeug verkaufen muss, um zu überleben. Außer der Boutiquenbesitzerin Nicoletta sind alle von ihren Männern abhängig - wenigstens wird ihnen das schon in der ersten Folge klar.

Ohne Klischees kommen die Vorstadtweiber nicht aus: Sie fahren SUVs, gehen in hochhackigen Lack-Pumps Klos putzen und geben Sex and the City-Weisheiten von sich wie: "Wir kaufen uns doch diese sündteuren knappen Fetzen nur, damit sie uns irgendjemand wieder schnell vom Leibe reißt."

Während die Männer bei ihren Treffen dubiose Geschäfte austüfteln dürfen, unterhalten sich die Frauen fast ausschließlich über ihre Männer.

Das Leben der Vorstadtweiber ist nicht so ästhetisch inszeniert wie das ihrer Vorbilder in der Wisteria Lane: Bei der Sextoy-Party wird das Equipment im Bundeswehr-Gepäck transportiert und Sabine weist mit dem Charme einer Tupperware-Vertreterin auf den Schutz vor frühzeitiger Inkontinenz hin, den ihre "Orgasmus-Kugeln" versprechen.

Statt Wiener Schmäh gibt es flache Witze: Als Waltraud gefragt wird, ob sie schon einmal Botox ausprobiert hat, antwortet sie: "Eine Schlange bin ich selber."

Beim ersten Vorstellungsgespräch als Raumpflegerin sagt Sabines zukünftiger Chef zu ihr: "Putzkräfte kriegen sechs Euro die Stunde, Sie kriegen fünf. Leute mit Matura können nicht so gut putzen."

Anders als bei Desperate Housewives sind in Vorstadtweiber alle Männer unsympathisch. Zum Running Gag entwickelt sich dafür Marias Schwiegermutter, ein Ex-Hippie. "Bei uns gab's noch den guten alten Gruppensex", sagt sie, als sie in die Sextoy-Party ihrer Schwiegertochter hineinplatzt, und als sie ihren Enkel im Bett mit Waltraud erwischt, verpetzt sie ihn nicht, sondern erpresst ihn.

Schrille Frauen in kreuzbiederer Umgebung

Vorstadtweiber erreicht nicht den aberwitzigen Humor und die skurrilen Dialoge, für die etwa die ORF-BR-Koproduktion Schlawiner gelobt wurde. Trotzdem funktioniert die Serie: weil man wissen will, wie es den Desperate Housewives in Österreich ergeht, und weil man die schrillen Frauen in ihrer kreuzbiederen Umgebung als Parodie auf ihre Seelenverwandten in der Wisteria Lane verstehen kann.

Dem Drehbuchautor, Kabarettist Uli Brée, ist zuzutrauen, dass er es so gemeint hat. Der - immerhin zehn Jahre nach Desperate Housewives - abgekupferte Plot, gegen den in Österreich protestiert wurde, könnte am Ende das Erfolgsgeheimnis sein. Ohne die prominente Vorlage hätten die Vorstadtweiber nicht die Relevanz und wahrscheinlich auch nicht die sensationellen Einschaltquoten verzeichnet, die die erste Staffel in Österreich hatte. Die Dreharbeiten für die zweite haben bereits begonnen.

Vorstadtweiber, dienstags 20.15 Uhr, ARD, 10 Folgen

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