Kommentar:Kontrollen nützen nichts

Die aufsehenerregenden Test-Studien in Frankreich belegen: Dopingtests bringen kaum etwas. Effektive Fahndung muss sich an dem orientieren, was alle Erkenntnisse zum Systemzwang Doping hergeben.

Von Thomas Kistner

Ein französisches Wissenschaftler-Team hat in einer Studie kaum nachweisbare Mikrodosierungen von gängigen Dopingmitteln erprobt und eine hohe Effektivität festgestellt. Nun ist die Aufregung groß, zumal das Experiment auch ergab, dass die getunten Probanden unentdeckt unterm Radar ihrer biologischen Blutpässe durchsegelten. Der Blutpass gilt als Kerninstrument im Kampf gegen den Leistungsbetrug. Sind also viele unentdeckte Dauerdoper unterwegs? Die Unsicherheit ist enorm.

Die Welt-Anti-Doping-Agentur stellt klar, dass sie die Humanstudie nicht abgesegnet, sondern nur die Software für die Athletenpässe bereitgestellt habe. Derweil fordert die Nationale Anti-Doping-Agentur weitreichende Konsequenzen: Dopingtests auch in den Nachtstunden. Mikrodosierungen von Epo oder Wachstumshormon, wie in der Studie verwendet, sind ja nur in engen Zeitfenstern nachweisbar; deshalb werden sie gern am Abend appliziert: Nacht-Kontrollen sind verboten, und die Spuren im Körper am nächsten Morgen abgebaut. Die Nada findet nun, "dass Kontrollen, in verhältnismäßiger Anzahl, auch zwischen 23 Uhr abends und sechs Uhr morgens durchgeführt werden müssen, damit hier keine Lücke vorhanden ist".

Damit dürfte sie gegen die Wand laufen. Es wird nicht machbar sein, Athleten - just vor Wettkämpfen, wenn sich Mikro-Doping besonders lohnt - um drei Uhr nachts aus dem Bett zu klingeln. Zumal das auch die Gefahr der Wettkampfverfälschung eröffnet: Der eine steht ausgeschlafen am Start, der andere war nachts um Drei auf den Beinen und konnte nicht mehr richtig schlafen.

Der Ruf nach radikaler Rund-um-die-Uhr-Überwachung zeigt die Hilflosigkeit des Anti-Doping-Systems. Dass es immerzu neue Mittel und Methoden gibt, ist dem Sport und seinem Fahndungsapparat nicht vorzuwerfen. Wohl aber, dass er so tut, als hätte er die Betrugsdimension hinter der Körperindustrie halbwegs im Griff. Denn dieser Eindruck zertifiziert nur die kommerzielle Muskelshow. Doper schreckt er nicht, die kennen sich aus - aber das Publikum wird getäuscht, wenn es immerzu die Unbedenklichkeitserklärung von Kontrolleuren hört, die selbst am Finanztropf des Sports hängen. Athleten wie Armstrong, Ullrich, Jones und Co. wurden Tausende Male getestet. Aufgeflogen sind sie durch staatliche Ermittlungen.

Eine effektive Fahndung muss sich an dem orientieren, was alle Erkenntnisse zum Systemzwang Doping hergeben. Es braucht im Einzelfall den begründeten Anfangsverdacht - und intelligente Zielfahndung. Die muss sich am individuellen Athletenprofil orientieren, von der Leistungsentwicklung bis zum Betreuerumfeld. So wie im richtigen Leben.

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