Streik der Lokführer:"Bahnmanager versaufen ihre Boni und baden im Champagner"

  • Die Bahn will zurück an den Verhandlungstisch. Bahnchef Grube hat der Gewerkschaft einen "neuen Vorschlag zur Befriedung der Lage" vorgelegt.
  • Brandenburgs ehemaliger Ministerpräsident Matthias Platzeck soll nach dem Willen von Bahnchef Grube in dem Streit vermitteln.
  • Die GDL will das Angebot "gründlich prüfen" - aber es ist nach Angaben von Gewerkschaftschef Weselsky noch nicht bei der GDL eingetroffen. Der spricht von einem PR-Gag der Bahn.
  • Eine Zwangsschlichtung lehnt die Bahn als unrealistisch ab.

Matthias Platzeck, Brandenburgs früherer Ministerpräsident, soll nach dem Willen von Bahnchef Rüdiger Grube im Tarifstreit zwischen der Bahn und der GDL vermitteln. Das sagte Grube auf einer Pressekonferenz in Berlin. Dabei soll es um das jüngste Angebot der Bahn gehen. Für die Bahn braucht es zwei Voraussetzungen für die Vermittlung: Die Gespräche sollen so schnell wie möglich beginnen und die GDL muss den Streik sofort beenden. "Uns geht es um Deeskalation und Befriedung der Gesamtsituation", sagte Grube.

Platzeck soll nach den Vorstellungen der Bahn künftig die Tarifgespräche begleiten, um "unterschiedliche Interpretationen und Streit über Sitzungsergebnisse" zu vermeiden. Der SPD-Politiker habe spontan zugesagt, diese Rolle zu übernehmen. Damit würde Platzeck zu einer Art "Kronzeuge" in den Verhandlungen, die sich seit fast einem Jahr hinziehen. Grube bot zugleich an, dass auch die GDL eine "eigene unabhängige Persönlichkeit" hinzuziehen könne.

Die Bahn halte zwar weiter eine Schlichtung für die "beste Lösung" des Konflikts, sagte Grube. Da die GDL dazu aber derzeit noch nicht bereits sei, "wollen wir wenigstens auf einem anderen Weg vorankommen".

"Ich freue mich, dass Herr Grube hinter der Hecke hervorkommt"

Zuvor hatte Grube angekündigt, dass er einen "neuen Vorschlag zur Befriedung der Lage" machen will. Auch der Personalvorstand der Deutschen Bahn, Ulrich Weber, hatte sich dafür ausgesprochen, dass die Bahn und die GDL die Tarifverhandlungen schnell wieder aufnehmen. Im RTL-Nachtjournal sagte er am Dienstagabend: "Wir reden über das Wie und die Inhalte dieser Tarifverträge. Über Zeit- und Geldregelungen."

Gewerkschaftschef Claus Weselsky sagte dazu im Deutschlandradio: "Ich freue mich, dass Herr Grube hinter der Hecke hervorkommt." GDL-Vize Norbert Quitter hatte erwartet, dass die Bahn einen neuen Vorschlag direkt übermittelt und nicht über die Medien: "Wenn wir es schriftlich erhalten haben, werden wir es uns anschauen, werden wir prüfen und bewerten, was es hergibt", erklärte Quitter.

Deutscher Gewerkschaftsbund fordert Tarifgemeinschaft

Gegen Mittag spottete Weselsky bei einer Rede vor dem Kölner Hauptbahnhof, dass die Bahn ihr Angebot womöglich mit einer Postkutsche geschickt habe - jedenfalls sei es noch nicht bei der GDL eingetroffen. Nach jetzigem Stand gebe es keinen Grund, den bis Sonntag geplanten Streik abzubrechen. Er sprach von einem PR-Gag der Bahn und wunderte sich, es sich ein Staatskonzern leisten können, derart die Bevölkerung zu veralbern. Einen solchen Vorstand, der sich selbst Boni um 174 Prozent erhöht habe, der sein Zugpersonal "ignoriert und diffamiert" - einen solchen Vorstand finde man in keinem anderen Eisenbahn-Unternehmen. Die Bahnmanager würden "ihre Boni versaufen und im Champagner baden".

Ebenso geißelte Weselsky die Gewerkschaften, die sich mit den Arbeitgebern "in die Kiste legen" würden. Er meint damit unter anderem Uwe Polkaehn, den Chef des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) im Norden. Er forderte die GDL auf, mit der größeren Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) Gespräche zur Bildung einer Tarifgemeinschaft aufzunehmen: "Dieser Egotrip führt zu nichts."

Bahn gegen Zwangsschlichtung

Der Konflikt ist auch deshalb so schwierig, weil die GDL parallel zur größeren Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) teils für dieselben Beschäftigtengruppen Tarifverträge abschließen will. Die Bahn will für die Mitglieder beider Gewerkschaften ähnliche Abschlüsse erzielen. Bahn-Personalvorstand Weber wandte sich gegen Vorschläge einer Zwangsschlichtung, die seiner Ansicht nach auch rechtlich nicht durchsetzbar sein könnte. "Von daher bevorzugen wir ganz klar Verhandlungslösungen, die streben wir an, die müssen wir zustande bringen", sagte Weber dem "Nachtjournal". Dafür stehe auch die GDL in der Verantwortung.

Die Bahn beziffert die Kosten je Streiktag auf zehn Millionen Euro. Die Schäden für die Wirtschaft sind darin nicht enthalten. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag befürchtet Produktionsausfälle. "Wenn der Streik wie angekündigt sechs Tage dauert, kommen Lieferketten ins Stocken, Lager laufen leer, die Produktion stottert", sagte DIHK-Präsident Eric Schweitzer.

Die Gewerkschaftsmitglieder streiken nun den dritten Tag in Folge. Der Streik ist bis Sonntag angekündigt und betrifft Personen- wie Güterverkehr. Die Passagiere müssen sich darauf einstellen, dass mindestens zwei von drei Fernzügen ausfallen und die S-Bahnen in den Ballungsräumen nur stark ausgedünnt verkehren.

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