Real-Pleite in Turin:"Ich bin ernsthaft besorgt"

  • Nach der 1:2-Niederlage im Halbfinal-Hinspiel der Champions League in Turin äußert Madrids Trainer Carlo Ancelotti Sorgen.
  • Sein Team zeigte ungewohnte Schwächen und lief sehr viel weniger als Gegner Juventus.
  • Die italienische Presse feiert Turin und Trainer Allegri, die Madrid-nahen Zeitungen hoffen dank Ronaldos Tor auf das Rückspiel.

So kritisiert Carlo Ancelotti den Real-Auftritt

Als Carlo Ancelotti in dieser komplizierten Nacht vor den Mikros der TV-Reporter landete, schüttelte er die ganze Zeit leicht den Kopf. Die Welt sah einen unzufriedenen Mann, dabei ist der Italiener ansonsten ein durchaus fröhlicher Mensch. "Ich bin ernsthaft besorgt. Wir wollten das Spiel unbedingt gewinnen und haben dem alles untergeordnet. Das Ergebnis ist nicht gut", sprach der Trainer von Real Madrid und wackelte weiter mit seinem ergrauten Haupt, als ob er mit dem Kopfschütteln an diesem Tag nicht mehr aufhören wollte.

Es war tatsächlich kein guter Abend für Carlo Ancelotti und Real Madrid. Die 1:2-Niederlage im Hinspiel in Turin kam überraschend, eigentlich war Real der klare Favorit. Ancelotti zog Abwehrspieler Sergio Ramos ins Mittelfeld. Das Experiment klappte nur bedingt. "Wir haben mehr Fehler gemacht als sonst, nicht nur Sergio Ramos", verteidigte der Trainer diesen taktischen Zug.

Die Ausgangslage für Real ist schlecht

Tatsächlich ist die Ausgangslage für die Königlichen nun schwerer als erwartet, aber ganz und gar nicht aussichtslos. Durch das Tor von Cristiano Ronaldo reicht Madrid theoretisch ein 1:0 im Rückspiel am kommenden Mittwoch. Der Weltfußballer traf nach der Führung der überraschend machtvoll angreifenden Italiener durch den ehemaligen Real-Stürmer Alvaro Morata (8.) per Kopf zum 1:1 (27.). Der Portugiese ist mit 76 Toren in der Champions League nun alleiniger Rekordhalter - zumindest bis Mittwoch, wenn Lionel Messi (75) mit Barça den FC Bayern empfängt. Ein Foulelfmeter von Carlos Tévez (57.) bescherte Juventus eine gute Chance auf die erste Finalteilnahme seit 2003.

Morata verzichtete nach seinem Tor aus Respekt auf den großen Jubel. Lässig joggte der Spanier nach dem Treffer über den Platz und ließ sich von seinen Teamkollegen feiern. "Es war ein schöner Abend, weil wir gewonnen haben, nicht nur wegen meines Tors", schwärmte Morata. Im vergangenen Sommer war der Offensivtechniker für 20 Millionen Euro von Real zu Juve gewechselt. "Wir brauchen ein perfektes Spiel, wir wissen alle, dass wir gegen Real Madrid antreten", erklärte er vor dem Rückspiel.

Juventus lief viel mehr als Madrid

"Wir haben das Spiel durch viel zu viele einfache Fehler hergeschenkt", sagte Toni Kroos, der im Real-Mittelfeld wenig Impulse geben konnte: "Wir haben uns oft verdribbelt, hätten mehr Fußball spielen müssen." Die Hoffnung aufs Finale hat er aber nicht aufgegeben: "Zu Hause werden wir nach vorne spielen, aber wir müssen Geduld haben. 1:0 würde reichen, und wir hoffen, dass wir es mit unseren Fans im Rücken drehen können. Aber es wird schwer."

Spaniens Presse reagiert milde

Was sonst noch auffiel? Juventus Turin war deutlich laufstärker als Madrid. Insgesamt legten die Spieler des italienischen Meisters Uefa-Angaben zufolge 115,7 Kilometer zurück, bei Cristiano Ronaldo & Co. waren es 7,6 Kilometer weniger. Bei den Turinern liefen alleine Arturo Vidal, Andrea Pirlo und Claudio Marchisio weiter als der aktivste Madrilene, James Rodriguez.

Die italienische Presse feiert

Die italienische Presse nutzte die Gelegenheit, um Real hart zu kritisieren. "Real Madrid ist von der eigenen Arroganz besiegt worden. Nicht einmal Ronaldo gelingt es, den Turinern das Fest zu ruinieren. Wunderbare Leistung von Allegris Truppe, die Real in allem überlegen ist." schrieb die Gazetto dello Sport, wahrscheinlich im Überschwang des Sieges. Das Konkurrenzblatt Tuttosport schreibt: "Der Sieg ist eine Mischung aus perfekten Leistungen einzelner Starspieler und des idealen Zusammenspiels einer Mannschaft, die in den letzten Monaten unter der Regie von Trainer Allegri immer mehr an Zusammenhalt gewonnen hat."

In Spanien ist die Tonalität natürlich eine ganz andere: "Nur ein Tor von Berlin entfernt: Madrid holt ein vernünftiges Ergebnis, trotz einer fürchterlichen zweiten Halbzeit in Turin", schreibt die Sportzeitung Marca, die traditionell Real nahe steht. Bei der Barcelona zugeneigten Sport liest sich das schon anders: "Real wird im Bernabeu-Stadion leiden müssen. Ancelottis Mannschaft schwamm in der Abwehr. Juventus sprengt das Halbfinale."

Kommt Paul Pogba zurück?

Fest steht jedenfalls, dass es ein Rückspiel geben wird, und zumindest Juve-Trainer Massimo Allegri weiß die Situation offenbar ganz realitistisch einzuschätzen. "Wir müssen nächsten Mittwoch noch stärker sein als heute Abend. Und: Wir müssen treffen." Eventuell kann er dabei auf Paul Pogba zurückgreifen. Der Franzose soll wieder ins Mannschaftstraining einsteigen und eventuell am Wochenende in der Liga Spielpraxis bekommen.

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