Deutschland bei der Eishockey-WM:121 Minuten ohne Treffer

Ice Hockey World Championship 2015

Enttäuschung pur: das deutsche Team bei der WM.

(Foto: dpa)
  • Nach der zweiten Niederlage im dritten Gruppenspiel ist die leise Hoffnung des deutschen Eishockey-Nationalteams auf das Viertelfinale bereits illusorisch.
  • Die Ablösung von Trainer Pat Cortina nach der Weltmeisterschaft gilt als beschlossen.
  • Hier geht es zu den Ergebnissen der Eishockey-WM 2015 in Tschechien.

Von Johannes Schnitzler, Prag

Diese Frage hatte ja kommen müssen. Der Trainer seufzte. So tief, als müsste er die Antwort aus seinem Innersten hervorschaufeln, wo sie unter all den anderen Respektlosigkeiten der jüngsten Zeit verschüttet lag.

Dann setzte er zu einem längeren Monolog an, in dem es im Wesentlichen um "harte Arbeit" gehen sollte, um positive Reaktionen und darum, "die richtigen Entscheidungen zu treffen für mein Team und für das Land" - er klang jetzt richtig staatsmännisch. Dann schloss er mit den Worten: "Wenn mich das zu einem schlechten Trainer macht, dann bin ich ein schlechter Trainer." Glen Hanlon, Coach der Schweizer Eishockey-Nationalmannschaft, war not amused.

Hanlons Scharmützel mit den Schweizer Medien sind von hohem Unterhaltungswert. "Was sollen wir noch tun, um euch zufriedenzustellen?", fragte der 58-Jährige, weil eine Zeitung nach den ersten beiden WM-Spielen geschrieben hatte, Hanlon sei mit der "Nati" zufrieden - "und keiner weiß, warum". Der Boulevard geht den hageren Mann mit den roten Haaren besonders hart an: Hanlon sei "ein Clown", heißt es im Kollegenkreis, "er bringt uns alle zum Lachen". Ein höflicher, umgänglicher Mensch sei Hanlon, humorvoll, ja, aber: kein Trainer. "Wollt ihr ihn haben?"

"Unser Powerplay ist zu schwach", sagt Stürmer Hospelt

Während Hanlon, der ehemalige NHL-Torwart, also die Fragen der Presse nach dem Schweizer 1:0-Sieg gegen Deutschland parierte, saß Pat Cortina, der deutsche Bundestrainer, zu seiner Linken. Ein feines Lächeln umspielte seine Lippen, er schien zu verstehen, was in Hanlon vorgeht. Cortina ist ein höflicher, umgänglicher Mensch, humorvoll, ja. Aber vermutlich ist er nicht mehr lange Bundestrainer.

Die Geschichte dieser zweiten Niederlage im dritten Gruppenspiel war relativ schnell erzählt. "Unser Powerplay ist zu schwach", sagte Stürmer Kai Hospelt. "Wenn man ehrlich ist, hatten wir kaum echte Chancen", sagte WM-Debütant Timo Pielmeier (Ingolstadt). "Wenn man kein Tor schießt, dann reicht's halt nicht", sagte Franz Reindl. Der Präsident des Deutschen Eishockey-Bundes (DEB) lobte das Team für seinen kämpferischen Einsatz. "Die Mannschaft hat sich nach dem Kanada-Spiel psychisch erholt. Es ist nicht einfach, zurückzukommen, wenn man mal schön zehn zu null verliert."

Dieses 0:10 zwei Tage zuvor, das sie alle "vergessen" und "abhaken" wollten, es saß noch in den Köpfen. Die Schweizer, selbst nicht vor Kreativität sprühend, warteten einfach ab. Sie warteten, bis die Deutschen den entscheidenden Fehler machten, diesen einen Fehler, vor dem sie so viel Angst hatten.

"Das Schlüsselwort war Geduld", sagte Stürmer Kevin Romy. Romy schickte den Puck zu Damien Brunner, Brunner passte ihn vor das Tor zu Denis Hollenstein, Hollenstein war frei. 1:0 Schweiz, 53. Minute. Ende.

Los geht das Kompetenzgerangel

Die eklatante deutsche Abschluss- schwäche zu ergründen, fiel den Beteiligten nicht ganz so leicht. Seit 121 Minuten ist die DEB-Auswahl nun ohne eigenen Treffer, seit Patrick Reimers 2:1-Siegtor gegen Frankreich. "Klar, jetzt geht die Zählerei wieder los", sagte Reindl. Und los ging auch das interne Kompetenzgerangel.

General Manager Karl-Heinz Fliegauf hatte am Tag vor dem Spiel gegen die Schweiz die Bruchstelle angedeutet: In Mannheims Meister-Coach Geoff Ward und dem ehemaligen Berliner Jeff Tomlinson habe Cortina zwei Assistenten an seiner Seite, die es gewohnt seien, Klub-Mannschaften über einen längeren Zeitraum zu entwickeln. "Vielleicht ist es zu viel, was von den Spielern hier eingefordert wird", sagte Fliegauf.

Besonders auffällig ist das im Überzahlspiel: Die Deutschen kommen kaum einmal in ihre Powerplay-Aufstellung. Stürmer Thomas Oppenheimer erklärte das auf Sport1 so: "Wir haben vier Wochen lang was trainiert, und jetzt machen wir was anderes", sagte der Hamburger. Zuständig für das Überzahlspiel ist Ward, der mit sechs seiner Mannheimer Spieler erst wenige Tage vor Turnierbeginn zur Mannschaft stieß. Die ersten vier WM-Vorbereitungswochen hatte Pat Cortina ohne Profis von den Finalisten Mannheim und Ingolstadt absolvieren müssen.

Eishockey WM - Training Deutschland

Sag Du was, ich hab die Pfeife im Mund: Bundestrainer Pat Cortina (rechts) und sein Assistent Geoff Ward bei der Weltmeisterschaft in Prag.

(Foto: Armin Weigel/dpa)

Der nächste Versuch startet am Donnerstag gegen Schweden

"Ich will nicht immer dasselbe sagen", sagte Cortina, "aber es ist eine Frage von Zeit, die man miteinander hat." Im laufenden Turnier, bei sieben Spielen in zehn Tagen, bleibt keine Zeit, um Automatismen einzuüben. Für den Mannheimer Kai Hospelt ist indes entscheidend, "dass alle fünf auf dem Eis sich an das halten, was abgesprochen ist".

Die leise Hoffnung des DEB-Teams auf das Viertelfinale erscheint nun bereits illusorisch angesichts des restlichen Programms. Am Donnerstag (20.15 Uhr) wartet Schweden, danach Lettland, Tschechien und Österreich. Man muss sich sogar Sorgen um den Klassenerhalt machen. Was bleibt, sind Vorsätze. "Man darf auch mal bei Fünf gegen Fünf ein Tor schießen." (Hospelt) - "Jetzt müssen wir uns gegen Schweden gut verkaufen." (Reindl) - "Wer jetzt nach hinten schaut, hat hier nichts verloren." (Pielmeier)

Cortina, der höfliche, umgängliche Pat Cortina, dessen Ablösung nach der Weltmeisterschaft als beschlossen gilt, bewies am Dienstag Humor, trotz allem. "Who's that?", fragte er zurück, als er auf Timo Pielmeiers Debüt angesprochen wurde. Dann grinste er. Cortina ist kein Clown. Aber er weiß: Schuld ist am Ende immer der Trainer.

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