Dnjepr in der Europa League:Schlagkräftig im Umbruch

Dnjepr in der Europa League: Durch ein 1:0 im Rückspiel schlägt "Dnipro" den SSC Neapel. Wegen der Sicherheitslage fand das Spiel in Kiew statt.

Durch ein 1:0 im Rückspiel schlägt "Dnipro" den SSC Neapel. Wegen der Sicherheitslage fand das Spiel in Kiew statt.

(Foto: Genya Savilov/AFP)
  • Der ukrainische Verein Dnjepr Dnjepropetrowsk ist überraschend in das Finale der Europa League eingezogen.
  • Der Klub befindet sich derzeit wie der gesamte ukrainische Fußball in einem Umsturz.
  • Der Besitzer, ein Oligarch, gilt als Gegenspieler des ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko.

Von Johannes Aumüller

Wenn die Zungenbrecher-Truppe von Dnjepr Dnjepropetrowsk einen Trip nach Mitteleuropa unternimmt, muss sie stets einen ungewöhnlichen Gegner fürchten: die Justiz. Vor zwei Jahren etwa fand sie sich im Kurort Bad Erlach zum Trainingslager ein, da stand ein österreichischer Gerichtsvollzieher vor der Hoteltür - und verschwand erst wieder, als der Manager des ukrainischen Fußball-Klubs ein paar Tausend Euro und Dollar übergab. Vor dem Auswärtsspiel bei Ajax Amsterdam im März erreichte Dnjepr die Kunde, dass niederländische Beamte die Tickets für den Gästesektor beschlagnahmt hätten. Ob beim Europa-League-Finale am 27. Mai gegen den FC Sevilla in Warschau wieder etwas derartiges passiert, kann zumindest nicht ausgeschlossen werden.

Der Hintergrund dieser Vorgänge: Vor ein paar Jahren hatte Dnjepropetrowsk die Essener Firma Hochtief beauftragt, das heimische Stadion fertigzustellen. Damals spekulierte die Stadt noch, ein Austragungsort der EM 2012 zu werden, am Ende hatte sie das Nachsehen. Die Fertigstellung der Spielstätte kostete gut 40 Millionen Euro, aber die Ukrainer bezahlten die Summe nie vollständig. Der Konzern erstritt einen internationalen Schiedsspruch und versucht seitdem, das Geld einzutreiben, dem Vernehmen nach etwa zwölf Millionen Euro. "Wir verfolgen das Thema immer noch und haben bereits Teilerfolge in der Vollstreckung erzielt. Es stehen jedoch derzeit noch Zahlungen in Millionenhöhe aus", sagt ein Sprecher von Hochtief. Bei Dnjepr antworten sie auf Anfragen nicht.

Machtkampf mit Staatspräsident Poroschenko

Dabei ließe sich annehmen, dass die Finanzen bei Dnjepr Dnjepropetrowsk nur ein kleines Problem darstellen. Denn hinter dem Klub steckt einer der reichsten (und umstrittensten) Oligarchen des Landes: Igor Kolomojskij, 52, der sein Geld mit der Privat-Bank sowie der daraus entstandenen und in vielen Branchen aktiven Privat-Gruppe gemacht hat. Auf etwa fünf Milliarden Dollar schätzen die einschlägigen Statistiken das Vermögen des Mannes mit dem markanten weißgrauen Bart. Er hat zwar nicht so viel Geld in seinen Klub gesteckt wie etwa sein ewiger Oligarchen-Rivale Rinat Achmetow bei Schachtjor Donezk, aber doch schon erkleckliche Sümmchen.

Das Budget beträgt 80 bis 90 Millionen Dollar. Neben dem neuen schicken Stadion hat er über Jahre Spieler mit wohlklingenden südamerikanischen Namen wie etwa Leo Matos oder Matheus verpflichtet oder als Trainer den spanischen Spezialisten Juande Ramos, der früher unter anderem bei Real Madrid tätig war und seit seinem Fortgang von Dnjepr 2014 im Übrigen auch noch Geld von Kolomojskij fordert. Doch auch einige Stammkräfte der ukrainischen Nationalelf wie etwa Ruslan Rotan oder Jewgenij Konopljanka hat Dnjepr unter Vertrag.

Der ukrainische Fußball sortiert sich neu

Daraus ergibt sich eine recht schlagkräftige Einheit, allerdings sortiert sich im ukrainischen Fußball gerade aufgrund der komplizierten politischen Lage vieles neu. Die Zahl der Mannschaften in der Liga reduziert sich insgesamt, und die Zahl der Mannschaften mit größeren Ambitionen gleich mit. Metallist Charkow, das einem engen Gefolgsmann des früheren Machthabers Viktor Janukowitsch gehört, spielt keine Rolle mehr, seitdem sein Besitzer nach Moskau floh. Die Zukunft des Serienmeisters Schachtjor Donezk ist ungewiss, weil er in seiner angestammten Heimat in der Ostukraine aufgrund des Krieges nicht mehr spielen kann und sich Hunderte Kilometer weiter westlich in Lemberg im Exil befindet; manche Beobachter spekulieren sogar schon mit einem kompletten Rückzug des Vereins zur kommenden Saison.

Und auch bei Dnjepr, derzeit in der Liga Dritter hinter Donezk und dem designierten Meister Dynamo Kiew, kann in den nächsten Wochen einiges passieren. Denn der Besitzer Kolomojskij, der die politische Neuordnung des Landes zunächst unterstützte und als Gouverneur der Region Dnjepropetrowsk firmierte, liefert sich seit einigen Wochen einen heftigen Machtkampf mit dem ukrainischen Staatspräsidenten Petro Poroschenko - der Ausgang und etwaige Folgen für den Fußball-Klub sind ungewiss.

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