Kurzkritik:Außer Atem

Julia Kociuban im Herkulessaal

Von Andreas Pernpeintner

Die Pianistin Julia Kociuban hat sich für ihr Konzert bei Klassik vor Acht im Herkulessaal ein feinsinniges Programm ausgedacht: auf oberer Ebene vielseitig (Beethoven-Sonate op. 27/1, Klaviersonate Nr. 2 von Grazyna Bacewicz, Ballade Nr. 1, die drei Mazurken op. 59 und Andante spianato et Grande Polonaise brillante op. 22 von Chopin) - und zudem ergibt der Chopin-Abschnitt in sich eine Drei- bis Vierteiligkeit (je nachdem, wie man die Werkeinheit von Op. 22 auffasst), die prächtig auf die Sonaten Bezug nimmt.

Dazu spielt Kociuban formidabel: Die Beethoven-Sonate beginnt sie sehr dicht; damit lässt sich das eröffnende Andante intensiv zelebrieren. Wird Beethoven stürmischer, wählt Kociuban einen trockenen Ton. Das wirkt trotz Dur-Tonalität herb, doch das Kernige passt perfekt. Bei der Bacewicz-Sonate folgen breiteste Akkorde, hartes Staccato und versonnene Kantilenen einander auf engstem Raum. Kociuban fasst jedes Ausdrucksmoment schlüssig ein. Der dritte Satz, Toccata, ist dann ein Husarenstück. Kociuban brilliert - und ist hinterher ein wenig außer Puste.

Interessanterweise wandelt sich mit der Chopin-Ballade das Bild: Aus Kociubans dezidierter Herangehensweise wird ein parlierenderer Ton. Der aber steht der Ballade tatsächlich gut, weil sie dadurch nie schwülstig wird. Ja, die ruhigen Passagen nimmt Kociuban sogar fast verhalten zurück. Dann naht die Coda, und Kociuban rast den Mazurken entgegen, die sie schön zwischen Bodenständigkeit und Eleganz austariert.

Ihr technisches Meisterstück aber liefert Kociuban bei Chopins Op. 22: Nach melodisch süßem, zugleich stringentem Andante folgt die pompöse Polonaise. Bei dieser aber prägt sich vor allem ein, wie stupend Kociuban das unfassbar feinziselierte Finale hervorbringt. Sie verheddert sich dabei ein wenig in ihrem Kleid und schließt nach einer Zugabe unter donnerndem Applaus den Deckel über der Klaviatur. Ehrlich und sympathisch.

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