Dachau:Satz und Gegensatz

Lesezeit: 3 min

In ihrer Einzelausstellung in der Kleinen Altstadtgalerie komprimiert Bildhauerin Monika Siebmanns ihre Kunst auf das Schattenspiel zwischen Ton und Eisen. Zwischen Hartem und Brüchigem

Von Bärbel Schäfer, Dachau

Erst die Begegnung mit Fremden gibt dem Mädchen die Kraft aus dem Schatten des Vaters herauszutreten. In Siegfried Lenz Roman "Duell mit dem Schatten" geht es um den Konflikt zwischen Vater und Tochter, um Schuld, Bewältigung und den Umgang der Söhne und Töchter mit der Vergangenheit. Besucht man Monika Siebmanns Ausstellung "Schatten und Spiele" in der Kleinen Altstadtgalerie in Dachau, so kann man gar nicht anders, als an einen Akt der Befreiung zu denken, an einen langwierigen Prozess der Ablösung, der auch schmerzhaft sein kann.

Nach langer Zeit präsentiert die bekannte Bildhauerin und ehemalige Vorsitzende der Künstlervereinigung Dachau (KVD) wieder eine Einzelausstellung. 2002 zeigte sie eine große Ausstellung in der Bayerischen Landesbank München, Briennerstraße, und 2004 die Ausstellung "Wir" in der KVD-Galerie. 2012 präsentierte sie zusammen mit dem Maler Jürgen Meyer "Archaische Spuren". Einige Exponate waren schon in Moskau und Auschwitz zu sehen. Die enorm gut besuchte Vernissage zeigte, wie sehr die Bewunderer und Weggefährten sich über die Präsentation freuen.

Obwohl Monika Siebmanns Kunst noch nie gefällig war. Monika Siebmanns hat sich in ihrer Bildhauerei noch nie der Leichtigkeit und Heiterkeit hingegeben. Immer suchte sie nach dem Existenziellen, immer schon konfrontierte sie den Betrachter mit der Härte und Kraft ihrer Werkstoffe, mit der Strenge und Geradlinigkeit der Formen und der Sprödheit und Krustigkeit der Oberflächen. Allein darauf lässt sich schon das Spiel von Licht und Schatten entdecken. Am spannendsten aber ist ihre Experimentierfreude, mit der sie schier unvereinbare und in ihrer Beschaffenheit vollkommen gegensätzliche Materialien zusammenführt, sie verwandelt und in ihrer Aussagekraft steigert.

Fragile Stelen von Monika Siebmanns in der Kleinen Altstadtgalerie. (Foto: Toni Heigl)

Monika Siebmanns bearbeitet die unterschiedlichen Werkstoffe Eisen und Ton mit ähnlichen Verfahren. Beide werden mit so großer Hitze gebrannt, dass sie sich verändern und in ihrem Erscheinungsbild sehr ähnlich werden. Das Braun des Tons geht in feuriges Rot über und korrespondiert mit dem dunklen Eisen, das eine rötliche Patina aus dem Rost erhält. Der gebrannte Ton changiert in den Farben des rostigen Metalls, während das Metall die Färbung des Tons annimmt. Beide Werkstoffe verändern also durch die große Hitze ihr innerstes Wesen. In verblüffender Weise tritt dabei auch eine Harmonie dieser so gegensätzlichen Stoffe zutage.

In zwei- und mehrteiligen Serien von Wandobjekten vereint Monika Siebmanns die intensive Beschäftigung mit dem Material mit einer wunderbaren figurativen Abstraktion in einem sparsamen, definierten Raum. In eiserne Rahmen sind schlanke, längliche Figürchen eingespannt. Ihre Position ist genau definiert und unveränderlich gesetzt, aber sie bilden einen spannungsvollen Kontrast zur dahinterliegenden hellen Wand, die durch die vertikalen Elemente sichtbar ist. Verändert der Betrachter seinen Standpunkt, so verändern die Tonkörper ihren Schattenwurf, aber nicht sich selbst.

In Monika Siebmanns Kunst geht es auch ums Öffnen und Verschließen. Andere eiserne Wandobjekte zeigen ausgeschnittene Figurensilhouetten in unterschiedlichen Größen, die in ihrer konsequenten Reihung eine kontemplative Wirkung haben. Sie sind von einer fragilen Eleganz. Monika Siebmanns stellt Positiv- und Negativform gegenüber, die untrennbar zusammengehören. Am deutlichsten tritt das Spiel mit dem Schatten in den aufrechten und hoheitsvollen schlanken Skulpturen zutage; sie sind mehr Stelen als menschliche Gestalt. Sie greifen nicht nach dem Raum, dehnen sich nicht darin aus, sondern ziehen sich zusammen. Dadurch wirken sie wie ein Gerüst, einsam und isoliert. Ihre Schatten, die sie an die Wand werfen, wirken größer und breiter als die Figuren selbst. Ein sich gegenüber sitzendes Paar scheint sich aneinander zu lehnen, ein schlankes Zeichen im Raum. Die steinzeitlichen Gravuren auf ihren Oberkörpern bezeichnen die Suche nach dem Ursprung. Die innere, gefühlte Welt des Menschen tritt in einer anderen Dimension auf. Tonplatten mit darauf montierten geometrischen Elementen aus Eisen erinnern entfernt an konkrete Malerei mit gegenstandsfreien geometrischen Formen.

Monika Siebmanns Ausstellung ist in der Altstadtgalerie zu sehen. (Foto: Niels P. Joergensen)

Die Verhältnisse haben sich geändert. Nicht mehr das Eisen trägt den modellierten Tonkörper, nun ist der Tonkörper selbst zum Träger geworden. In einer weiteren Werkreihe ließ sich die Bildhauerin vom Buchdruck inspirieren und entwickelte eine neue Technik für den Hochdruck. Sie vereint zwei völlig gegensätzliche Materialien, nämlich Eisen und Papier: Ewigkeit und Vergänglichkeit in einem. Auf länglichen im Brennofen geglühten Eisenplatten bildet sich eine Zunderschicht, die nach dem Abkühlen abgeklopft wird. Das entstandene Relief der Eisenoberfläche dient nun mit Farbe bestrichen als Druckstock. Das Ergebnis sind abstrakte Grafiken, deren Oberflächenbeschaffenheit und Aussehen vom Zufall abhängt. Die Oberfläche lebt im Licht auf, wenn es sich in den Schrunden fängt und kleine Schatteninseln wirft.

Aber wo ist nun das Spielerische? Es liegt im unerwarteten Auftauchen der Schatten, die je nach Lichteinfall in leichter Anmut die Skulpturen und Objekte umtanzen. Wie die Laudatorin und SZ-Journalistin Dorothea Friedrich auf der Vernissage analysierte, spielen Monika Siebmanns Figuren und Abstraktionen mit großer Ernsthaftigkeit das Theater des Lebens mit allen seinen Licht- und Schattenseiten nach.

Am Sonntag, 17. Mai, findet von 15 Uhr an in der Kleinen Altstadtgalerie, Burgfriedenstraße 3 in Dachau, ein Gespräch mit der Künstlerin Monika Siebmanns statt.

© SZ vom 07.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: