Bayern-Niederlage in Barcelona:Zusammengebrochen in nur 17 Minuten

FC Barcelona v Bayern Munich - UEFA Champions League Semi Final First Leg

Jubelner FC Barcelona, enttäuschter Pep: Eine Impression vom Champions-League-Halbfinale in Barcelona.

(Foto: REUTERS)
  • Pep Guardiola muss in seiner alten Heimat mit ansehen, wie die Bayern in der Schlussphase vom leichtfüßigen FC Barcelona vorgeführt werden.
  • Sein Plan ist gescheitert. Doch er hatte getan, was er für richtig hielt.
  • Hier geht es zu den Statistiken zum Halbfinale Barcelona gegen Bayern.

Von Thomas Hummel, Barcelona

Es ging am Mittwochabend im Camp Nou einige Male um die Idee des Spiels. Sogar um die Identität dieser Mannschaft. 0:3 verloren im Hinspiel des Champions-League-Halbfinals. Es gab Zeiten beim FC Bayern, da genügten schon geringere Anlässe, um alles in Frage zu stellen. Doch diesmal nicht.

Pep Guardiola beendete seine Pressekonferenz mit einem Augenzwinkern gefolgt von einem Lächeln. Der Trainer saß im Presseraum und musste hier in seiner Heimat erklären, warum er mit seinem neuen Verein gerade eine Abreibung erlitten hatte. Es schien, als sei ihm das peinlich, mindestens unangenehm. Dennoch wirkte er mit sich im Reinen. Er hatte das getan, was er für richtig hielt.

"Man muss ihnen den Ball wegnehmen, selbst Chancen erspielen." Das sei die Idee gewesen, hatte er erklärt. Deshalb hatte er trotz des 100-Tore-Sturms des FC Barcelona mit einer riskanten Dreier-Abwehrkette begonnen. Er wollte so viele Spieler wie möglich ins Mittelfeld schicken, um den Gastgebern dort den Ball wegzunehmen: "Der einzige Weg gegen sie zu spielen, ist, sie nicht an den Ball kommen zu lassen."

Pep Guardiola sprach und wirkte völlig überzeugt davon. Müsste er noch einmal entscheiden, er würde es wieder genauso machen. Dabei war sein Plan durchaus gescheitert. Er endete mit null zu drei.

Ob das nun am einzigartigen Können des Lionel Messi lag? An der Müdigkeit der eigenen Leute oder daran, dass einige der Besten schlicht fehlten? Vielleicht gab von allem ein bisschen den Ausschlag, eine Vermengung von Umständen. Am Plan sollte es jedenfalls nicht liegen. Kapitän und Klassensprecher Philipp Lahm stellte fest: "Es ist irgendwo unsere Identität, weil wir auf Ballbesitz spielen, nach vorne spielen, auch Torchancen kreieren wollen."

77 Minuten war das alles auch halbwegs gutgegangen im riesigen, steilen Stadion Camp Nou. Manuel Neuer hatte hinten zwei Chancen von Luis Suárez und Dani Alves abgewehrt, die wohl nur Manuel Neuer abwehren kann. Rafinhas Knie lenkte einen Schuss von Neymar um den Pfosten, zwei harmlose Schüsse von Lionel Messi landeten in Neuers Armen. Die Bayern wechselten ob der Turbulenzen vor dem eigenen Tor nach einer Viertelstunde auf Viererkette. Selbst hatten sie zwar nur eine schöne Chance von Robert Lewandowski, doch gerade in der zweiten Halbzeit kreiselte der Ball fröhlich zwischen den Münchnern Beinen umher. Guardiolas Plan schien plötzlich zu wirken.

Bis Manuel Neuer einen Abschlag schnell ausführte. Er wollte wie immer das Spiel schnell machen, den Gegner in einem ruhigen Moment übertölpeln. Er glaubte, dass "Barcelona eigentlich geschlafen hat, weil sie alle protestiert haben wegen dem Elfmeter". Neymar war gestürzt und die Zuschauer johlten. Doch Neuer unterlag einem Irrtum. Den er später freilich nicht zugeben wollte ("Dann spielen wir den Jungs von Barça den Ball in die Füße."). Denn die Spieler des FC Barcelona schliefen keineswegs. Sie freuten sich im Gegenteil über den schnellen Abstoß und gingen gleich zu mehreren auf Passempfänger Juan Bernat los. Und Bernat ging in die Falle.

Um die Bayern war es geschehen

Statt den Ball wegzuschlagen, ging er ins Dribbling, legte sich den Ball ein bisschen zu weit vor und verlor ihn prompt an Dani Alves. Der umkurvte noch Xabi Alonso, passte zu Lionel Messi. Zu dem Lionel Messi, der bis dahin wenig zustande gebracht hatte. Ein Blick, ein Schuss ins kurze Ecke - 1:0. Die Gemäuer dieses enormen Stadions inmitten Barcelonas vibrierten unter dem Furor der 90 000 Barça-Fans. Die Vibration brachte auch die Statik des Münchner Spiels durcheinander. Um die Bayern war es geschehen.

Es folgten mit Nachspielzeit 17 Minuten, die den Traum von einem weiteren Finale in der Champions League praktisch zerstörten. Drei Minuten später durfte Ivan Rakitic auf den freien Messi passen, der verblüfft ob so viel Raum ins Dribbling gegen Jérôme Boateng ging. Messi schlug zwei so schnelle Messi-Haken, dass Weltmeister Boateng umfiel wie eine gefällte Eiche. Anschließend lupfte Messi den Ball über die Schulter von Neuer hinweg zum 2:0. Ein Tor wie ein Kunstwerk.

Die gefällte Eiche war später entsprechend sauer. "Wenn man 0:1 zurückliegt, muss man trotzdem noch zusammen verteidigen und nicht die Abwehr hinten alleinlassen", klagte Boateng, "gerade gegen so einen Spieler. Klar sehe ich da nicht gut aus. Aber da fehlt einfach die Unterstützung." Er darf sich bis zum Beweis des Gegenteils darauf berufen, dass diese zwei Messi-Haken jede Abwehr-Eiche gefällt hätten.

Die Bayern versuchten danach in leichter Panik, irgendwie noch selbst ein Tor zu schießen. Doch ohne wirkungsvolle Mittel führten die Versuche ins Nichts und so rauschten hinten weiter die Konter Richtung eigenes Tor. Den letzten wollte Bastian Schweinsteiger mit einem ordentlichen Foul an Suárez verhindern, doch Messi passte den freien Ball auf Neymar, der alleine auf Neuer zusteuerte und sicher zum 3:0 verwandelte.

Diese 17 Minuten gehen als einer der schnellsten Zusammenbrüche in die Geschichte des FC Bayern ein. Pflichtbewusst sprachen die Münchner später davon, dass man im Rückspiel am kommenden Dienstag alles versuchen werde, auch dieses Halbfinale noch zu drehen. Nachdem Ähnliches schon im Viertelfinale gegen den FC Porto gelungen war (6:1 nach einem 1:3 auswärts). Doch man muss schon den Glauben haben, dass an diesem 12. Mai doch einmal der Osterhase und das Christkind gemeinsam in München auftauchen, um ernsthaft daran zu glauben. Zu stark waren die Spanier. Und zu viele Schwächen offenbarten die Münchner.

So scheiterte die Idee, das Spiel im Mittelfeld zu gewinnen, an den eigenen Mittelfeldspielern. Thiago setzte in seiner alten Heimat Barcelona sein Formtief fort, was kaum verwundert nach einer mehr als einjährigen Verletzungspause. Der 24-Jährige spielte selbst einfache Pässe in die Füße des Gegners, er schien körperlich und geistig mit der Aufgabe überfordert. Das Gleiche in abgeschwächter Form galt für Philipp Lahm, der zurück nach monatelanger Pause ebenfalls in einem Leistungsloch sitzt. Xabi Alonso und Bastian Schweinsteiger versuchten, das Spiel noch halbwegs zu ordnen. Stießen allerdings vor allem im Spiel nach vorne an ihre Grenzen. Mehr geht nicht. Und am Ende war es eben nicht genug.

Pep Guardiola verließ seine Heimat mit dem Gefühl, alles getan zu haben und dennoch chancenlos gewesen zu sein. Es ist eine neue Erfahrung für den 44-Jährigen. Sie wird nicht dazu führen, dass der FC Bayern am Dienstag seine Spielweise ändert. Philipp Lahm kündigte an: "Wir müssen so spielen, wie unsere Identität ist."

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