Umweltschutz-Projekt auf Bali:Bye, bye, Plastiktüten!

Trash Season Arrives On Kuta Beach

Ein unter dem Plastikmüll beinahe kaum noch zu erkennender Sandstrand in Indonesien.

(Foto: Agung Parameswara/Getty Images)

Weil sich der Staat nicht kümmert, versuchen Kinder in Indonesien, die massive Umweltverschmutzung einzudämmen. Benjamin Dikmans, 16, reiste in den Inselstaat, um ihnen zu helfen und ganz Bali von Plastiktüten zu befreien.

Ein Protokoll von natur-Autorin Lisa Rokahr

Eigentlich war ich nur froh, endlich mal dem Matheunterricht zu entfliehen, keine Hausaufgaben zu haben: Endlich mal rauskommen und etwas lernen, mit dem ich im Leben wirklich etwas anfangen kann. An meiner Schule in Berlin haben wir in der 11. Klasse mehrere Monate Zeit, um ins Ausland zu gehen und uns dort sozial zu engagieren.

Von meiner Mutter erfuhr ich, dass es in Indonesien eine Initiative gibt, die sich gegen die Müllverschmutzung auf Bali einsetzt. Vorher hatte ich davon noch nie etwas gehört, aber schließlich liegt Bali am anderen Ende der Welt - und das war ein weiterer Grund, mich für dieses Projekt zu engagieren.

Ich setzte mich also in den Flieger und schon 18 Stunden später, in Denpasar, bekam ich einen ersten Eindruck, warum diese Arbeit auf Bali so wichtig ist: In den Rinnsteinen liegen unzählige Plastikfetzen, Mülleimer sieht man kaum. Auf dem Weg zu meiner Gastfamilie düsten an mir die Mopedfahrer vorbei, einige transportierten ihre Einkäufe, andere ihren ganzen Hausstand - alles in Plastiktüten.

In den Gräben kokelt schwarzes Plastik vor sich hin

Der Ort, in dem ich die kommenden vier Monate lebte, heißt Pantai Seseh. Ein kleines Dorf in der Nähe des berühmten Wassertempels Tanah Lot, 15 Kilometer nordwestlich der Hauptstadt Denpasar. Auch hier, auf dem Land, ist das Bild dasselbe: Verschmutzte Straßen, und in den Gräben kokelt schwarzes Plastik vor sich hin - so wird hier der Müll entsorgt.

Dann lernte ich Melati und Isabel Wijsen kennen, sie haben die Organisation "Bye Bye Plastic Bags Bali" (BBPB) gegründet, da waren sie gerade mal zehn und zwölf Jahre alt. In der Schule hatten sie über berühmte Persönlichkeiten gesprochen, und beide haben den Traum, auch mal bedeutend zu sein. Also dachten sie sich: "Warum warten, bis wir groß sind, warum nicht gleich anfangen, etwas zu bewegen?"

Aus natur 05/2015

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  • natur 05/2015

    Der Text stammt aus der Mai-Ausgabe von natur, dem Magazin für Natur, Umwelt und nachhaltiges Leben. Er erscheint hier in einer Kooperation. Mehr aktuelle Themen aus dem Heft 05/2015 auf natur.de...

Das Müllproblem ist auf Bali an jeder Straßenecke offensichtlich, also beschlossen die Schwestern, sich dafür einzusetzen, dass Einmalplastiktüten verboten werden. Und weil sie Schüler sind, keine Politiker, aber Politik machen wollten, beschlossen sie, eine Million Unterschriften zu sammeln. Die Online-Petition soll die Menschen für das Problem sensibilisieren und die Regierung zum Handeln bewegen. Außerdem haben sie eigene Merchandise-Artikel für ihre Organisation erarbeitet. Zum Beispiel Armbänder mit ihrem pink-türkisem Logo.

Pilotdorf soll zeigen: Es geht auch ohne Plastiktüten

Plastiktüte

Die Verschmutzung mit Plastikmüll ist auch in den Ozeanen ein großes Problem.

(Foto: Mike Nelson/dpa)

Diese verkaufen sie jetzt und finanzieren so ihre eigentliche Arbeit: Sie wollen zeigen, dass es auch ohne Plastiktüten geht und haben ein "Pilotdorf" etabliert, aus dem sie Plastiktüten verbannt haben. Es heißt Pererenan und ist ein Nachbarort von Seseh.

Es war nicht einfach, die Einwohner zu überzeugen, mitzumachen, denn ein Bewusstsein für Umwelt und Nachhaltigkeit fehlt oft. Das ist sogar nachvollziehbar: Viele Menschen auf Bali haben andere Sorgen, als sich um eine umweltverträgliche Müllentsorgung zu kümmern.

Obwohl Indonesiens Wirtschaft langsam wächst, sind die Löhne noch immer niedrig. Ein einfacher Arbeiter verdient am Tag nicht mehr als drei Euro. Hinzu kommt ein Unwissen über die Folgen für die Natur: Viele Balinesen haben keine Ahnung, wie schädlich Plastik und anderer Müll für Tiere, Pflanzen und Boden sind - geschweige denn, wie aufwendig es ist, Müll zu recyceln.

Verkäufer sollen Stofftaschen an Kunden verteilen

Isabel und Melati redeten lange mit den Einwohnern, einige waren bemüht zu helfen, andere wollten die Plastikbeutel behalten. Weil sie so praktisch sind. Also gingen die Mädchen in die verschiedenen Banyars - so heißen die Stadtteile hier. Dort veranstalteten sie Treffen und haben erklärt, warum es wichtig ist, auf Plastiktüten zu verzichten.

Das war wichtig, denn so erfuhren sie auch von den Bedenken der Bewohner. Viele Ladenbesitzer hatten Angst, dass ihnen die Kunden ausbleiben, wenn sie keine kostenlosen Plastiktüten erhielten. Die Lösung, mit der die zwei die 800 Familien von Pererenan überzeugten: Einmal die Woche gehen wir nun in das Dorf und geben in den Läden Papiertüten oder Stofftaschen aus, die die Verkäufer an ihre Kunden verteilen sollen. Gleichzeitig werden die Kunden dazu angehalten, ihre eigenen Taschen beim nächsten Einkauf wieder mitzubringen.

BBPB hat jeder Familie aus dem Ort ein Set von Taschen geschenkt, die sie für ihre Erledigungen benutzen sollen. Natürlich ärgern wir uns, wenn wir trotzdem noch Plastik auf der Straße rumfliegen sehen, aber wir sind nicht mehr weit davon entfernt, von einer 100-prozentig plastikfreien Gegend zu sprechen.

Die Mädchen traten sogar in den Hungerstreik

Von Seiten des Staats oder der Kommunen kommt wenig, eigentlich nichts. Es ist nicht wie in Deutschland, wo jeden Montagmorgen ein Müllwagen vorbeikommt. Hier schmeißt man seinen Dreck hinters Haus oder verbrennt ihn im Gulli - wohin auch sonst damit?

Der Gouverneur Made Mangku Pastika droht sein Gesicht zu verlieren, weil zwei kleine Mädchen mehr bewegen können als er. Neulich traten die Mädchen sogar in einen Hungerstreik, um Pastika zu bewegen, endlich ein Gesetz zu verabschieden, das Plastiktüten von der Insel verbannt. Der Gouverneur stimmte daraufhin sofort einem Treffen zu und zeigte sich beeindruckt von ihrer Arbeit. Er will sich aktiv für einen geringeren Plastikverbrauch einsetzen. Aber er sagte auch, dass er ein Gesetz nicht durchsetzen könne.

Vorerst bleibt die Arbeit deshalb weiter an den Jugendlichen hängen. Ich helfe, wo ich kann, schreibe Pressemitteilungen, organisiere Treffen. Und wir gehen an den Flughafen von Denpasar, um Unterschriften zu sammeln und die Leute für die Umweltverschmutzung zu sensibilisieren.

Ein Team aus 25 Kindern hilft bei der Arbeit

Neulich erst stellten die Gründerinnen das Projekt in Mumbai auf einem Kongress vor, auf dem Unternehmen, Bildungseinrichtungen und Organisationen ihre Ideen für eine bessere Zukunft austauschten. Und sie ernteten großen Applaus. Inzwischen schreiben mich, als aktuellen Sprecher der Initiative, jeden Tag Menschen aus der ganzen Welt an und fragen, wie sie helfen können.

Aber auch hier auf Bali ändern einige Leute langsam ihr Verhalten. Inzwischen haben Melati und Isabel ein Team von 25 Kindern um sich aufgebaut, die ihnen bei der Arbeit helfen. Ich glaube, es ist kein Zufall, dass sich vor allem die Kinder engagieren und die Erwachsenen nur schwer zu überzeugen sind. Wir Kinder und Jugendliche sind den ganzen Tag in der Natur unterwegs, wir sehen, was mit dieser Insel passiert.

"Be the change you want to see"

Die Gase vom Plastikverbrennen sind krebserregend und wir atmen sie täglich ein. In der Regenzeit ist es besonders schlimm, dann wird der Müll ins Meer geschwemmt. Als ich neulich surfen war, paddelte ich durch ein Meer aus Plastik. Melati sagt oft: "Kinder sind nur 25 Prozent der Weltbevölkerung, aber sie sind 100 Prozent der Zukunft."

Ich habe hier gelernt, Verantwortung zu übernehmen. Das Motto von BBPB lautet "Be the change you want to see". Denn Melati und Isabel glauben: Wer etwas ändern will, muss etwas dafür tun. Sie haben mir gezeigt, dass auch große Ziele erreichbar sind, wenn man hart dafür arbeitet. Und das tun wir hier.

66 500 Mitstreiter haben wir schon in der Online-Petition, 10 000 weitere Unterschriften haben wir vor Ort, auf Papier, gesammelt. Das ist noch lange nicht eine Million, aber ein guter Weg, denn das sind 76 500 Menschen, die wir zum Nachdenken angeregt haben.

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