Internationale Börsen:Die Unruhe wächst

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Quelle: Bloomberg (Foto: SZ-Grafik)

Staatsanleihen und Aktien verlieren, Ölpreis und Euro legen zu: Experten streiten darüber, wie diese Bewegungen zu interpretieren sind. Und die amerikanische Notenbank-Chefin Yellen warnt vor überhöhten Preisen.

Von Harald Freiberger und Markus Zydra, Frankfurt

An den internationalen Finanzmärkten hat die Nervosität stark zugenommen. Die Kurse europäischer Staatsanleihen sind in den vergangenen Tagen so stark gefallen wie seit einem Jahrzehnt nicht. An den Devisenmärkten hat der Euro in den letzten drei Wochen gegenüber dem US-Dollar um 6,6 Prozent zugelegt und notiert nun bei 1,13 Dollar. Der Ölpreis ist seit Jahresbeginn deutlich gestiegen, und die Aktienmärkte knicken ein. Der Dax hat in den letzten vier Wochen rund 1000 Punkte auf 11 300 Zähler verloren.

Nun streiten sich die Experten, wie die Turbulenzen zu interpretieren sind. Steigender Euro plus fallende Kurse für Staatsanleihen lassen den Schluss zu, dass die Inflation in Europa anzieht, mithin ein Wirtschaftsaufschwung möglich ist. Aber sicher ist man sich da nicht. Die Händler an den Börsen sind getrieben. Prognosen, die noch vor einigen Wochen galten, werden kassiert.

Beispiel Devisenmarkt: Es ist noch nicht lange her, da gingen die Experten davon aus, Euro und US-Dollar könnten alsbald eins zu eins notieren. Schließlich hatte die Europäische Zentralbank (EZB) durch ihre Geldpolitik und den Ankauf von Staatsanleihen eine Schwächung von Europas Währung zumindest indirekt forciert. Doch jetzt kommt es anders. Profitieren kann die Gemeinschaftswährung laut Händlern von den zuletzt schwächeren Konjunkturdaten aus den USA, die die Spekulationen auf eine baldige Zinserhöhung gedämpft haben. Jede schlechte realwirtschaftliche Zahl erhöhe die Wahrscheinlichkeit, dass sich die US-Notenbank Fed von den grassierenden Konjunkturängsten anstecken lasse, schrieb Commerzbank-Analyst Ulrich Leuchtmann in einem Kommentar.

Fed-Chefin Yellen warnt vor Spekulationsblasen, verteidigt aber die Politik des billigen Geldes

Unterdessen warnt die US-Notenbankchefin Janet Yellen vor den weltweit hohen Börsenpreisen. Die Kurse seien gegenwärtig "allgemein ziemlich hoch". Das könnte zu "potenziellen Gefahren" führen, sagte Yellen am Mittwoch. Sie verwies auch auf mögliche Nachteile durch die anhaltende Niedrigzins-Politik. Diese setze Banken und Versicherungen unter Druck. Zugleich verteidigte sie aber die Politik des superbilligen Geldes. Viele Händler gehen mittlerweile davon aus, dass sich die Fed mit der ersten Zinserhöhung seit 2006 bis September oder sogar bis Dezember Zeit lassen könnte. Sie hält die Leitzinsen seit dem Höhepunkt der Finanzkrise Ende 2008 mit null bis 0,25 Prozent so niedrig wie nie zuvor. Je eher die Zinsen in den USA steigen, desto mehr Geld fließt aufgrund der dann höheren Erträge in den Dollar-Raum. Dieser Nachfrageschub stärkt die US-Währung und schwächt tendenziell den Euro. Gut für Europa. Doch Experten fürchten, dass die Zinswende in den USA in den Schwellenländern für Turbulenzen sorgen würde. Geldpolitik steckt im Wechselspiel von Wirkung und Gegenwirkung.

"Die Kursverluste der vergangenen Wochen haben gezeigt, dass die von der EZB angeschobene Hausse an den Anleihe- und Aktienmärkten auf wackeligen Beinen steht", sagt Stefan Bielmeier, Chefvolkswirt der DZ Bank. In Stresssituationen könne es schwer werden, bestimmte Wertpapiere an den Börsen abzustoßen.

Am europäischen Anleihenmarkt setzte sich der Ausverkauf bei vielen Staatsanleihen fort. Die Verzinsung der zehnjährigen Bundesanleihen stieg am Donnerstag vorübergehend auf 0,8 Prozent - höchster Stand seit fünfeinhalb Monaten. Noch vor zwei Wochen hatte sie bei 0,07 Prozent gelegen ( siehe Grafik). "Ein geringer weiterer Anstieg der Rendite von Bundesanleihen ist möglich", sagt Frank Naab, Anlageexperte beim Bankhaus Metzler. Schließlich kaufe die EZB weiter Anleihen und drücke damit die Zinsen. "Wir glauben nicht, dass die zehnjährige Bundesanleihe demnächst ein oder gar 1,5 Prozent Rendite abwirft."

Die Renditen zehnjähriger italienischer und spanischer Staatspapiere lagen am Donnerstag in der Spitze bei 2,04 und 2,02 Prozent - zum Monatsanfang notierten die Anleihen noch bei jeweils rund 1,5 Prozent. "Auf dem Anleihemarkt bestanden zuletzt alle Anzeichen einer Blase. Es gab keinen Zusammenhang mehr mit der realen ökonomischen Situation", sagt Jean-Louis Laurens, Chef des Anlagemanagements von Rothschild & Cie Gestion. Eine so niedrige Rendite sicherer Staatsanleihen sei nur dann gerechtfertigt, wenn es zu einer ausgeprägten Deflationsphase komme. Das sei aber nicht zu erwarten. "Deshalb können die Zinsen auch nicht auf Dauer so niedrig bleiben. Die jüngste Korrektur ist ein erster Schritt in diese Richtung", sagt Laurens.

© SZ vom 08.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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