Digitalisierung in Bayern:Aigner darf 200 Millionen Euro mehr ausgeben

  • Wirtschaftsministerin Aigner kündigt überraschend ein Programm von 200 Millionen Euro für Bayerns digitale Zukunft an.
  • Die Initiative war nur mit Regierungschef Seehofer abgesprochen, aber nicht mit Finanzminister Söder.

Von Frank Müller

Auf dem Weg in den Plenarsaal liegt in diesen Tagen Sprengstoff: Attrappen natürlich, Sprengstoff-Stäbe aus dem Film "Elser" über den gleichnamigen Hitler-Attentäter, der kürzlich im Landtag aufgeführt wurde. Sprengstoff ganz anderer, nämlich politischer Art, lag dagegen am Donnerstag in der Luft, als Wirtschaftsministerin Ilse Aigner in einer Regierungserklärung über den Stand der Digitalisierung referierte. Aigner verkündete überraschend 200 Millionen Euro zusätzlich an Staatsausgaben für den Umbau Bayerns zu einer digitalen Gesellschaft.

Das hatte sie im direkten Gespräch mit Ministerpräsident Horst Seehofer herausverhandelt, wie am Rande der Sitzung zu erfahren war. Beide unterließen es aber offenbar gezielt, auch den zuständigen Finanzminister Markus Söder einzuweihen. Der war ganz offenbar sauer - was ihm aber nicht direkt anzumerken war. Söder weilte am Donnerstag in Berlin.

Explosive Stimmung also gleich in mehrerlei Hinsicht: zwischen Söder und Aigner im Allgemeinen immer (wegen des nie aufhörenden Gezerres um die Thronfolge). In der Digitalisierungsfrage im Speziellen (weil beide in unterschiedlichen Teilbereichen als Minister damit befasst sind). Und nun zum Dritten auch noch, weil Aigner nicht erst Söder fragte, ob sie frisches Geld in die Hand nehmen darf. Das Thema hatte nach Informationen aus Regierungskreisen schon am Dienstag im Kabinett einen Disput ausgelöst. Es war sogar von einem "Machtwort" Seehofers die Rede. Üblicherweise wird im Kabinett vor solchen Entscheidungen das Einvernehmen mit dem Finanzminister gesucht.

Was Aigner plant

Es knisterte also im Landtag - dabei hatte der Ministerpräsident das Thema zuvor intern in der CSU-Fraktion noch als "nicht von erotischem Gehalt" verspöttelt. Ilse Aigner arbeitete sich dann kleinteilig am Eros der Bits und Bytes ab und hatte in der Tat Neuigkeiten zu verkünden. Das ist eine Ausnahme in der oft recht routiniert abgespulten Maschinerie der Regierungserklärungen im Landtag. Mit den 200 Millionen stockt Aigner ihre Projekte in dem Bereich während der laufenden Amtsperiode bis 2018 auf eine halbe Milliarde Euro auf. Sie will damit unter anderem einen neuen "Digitalbonus" einführen.

Vorwiegend kleine und mittlere Unternehmen sollen dadurch bei Investitionen in digitale Projekte Zuschüsse von bis zu 10 000 Euro erhalten, die auch mehrmals fließen können. Das summiert sich pro Jahr auf 20 Millionen Euro. Das Geld gibt es allerdings nur für spezielle Zukunftsprojekte, die mit dem digitalen Wandel zu tun haben. Also etwa für Investitionen in die IT-Sicherheit oder für neue Produkte. Wer nur einen Computer austauscht oder seinen Internetauftritt neu gestaltet, bekommt nichts.

"Programmiersprachen sind heute genauso wichtig wie Fremdsprachen"

Aigner kündigte auch mehr Engagement bei der Gründerszene an. Dazu zählen die schon am Vortag bekannt gewordenen neuen regionalen Gründerzentren in den Regierungsbezirken ebenso wie mehr staatlicher Einsatz bei der Mobilisierung von Wagniskapital. Bayern solle sich zum "Top-Gründerland" in Deutschland entwickeln, sagte sie. "Ich will, dass wir in derselben Liga spielen wie Tel Aviv und London."

Aigner verließ an mehreren Stellen die Grenzen ihres Ressorts und verlangte etwa mehr Engagement für digitale Lerninhalte an den Schulen: "Programmiersprachen sind heute genauso wichtig wie Fremdsprachen." Auch Söder, der für den Ausbau der Internetleitungen im Freistaat zuständig ist, bekam noch einmal einen Seitenhieb ab: "Die Schlaglöcher auf den Datenautobahnen müssen weg."

Die Zersplitterung der Zuständigkeiten in der Staatsregierung beim Thema Onlinezukunft nahm auch die Opposition ins Visier. "Es gibt eben kein Ministerium das für Digitales zuständig ist", sagte Michael Piazolo (Freie Wähler). Deswegen bleibe vieles Stückwerk. Das Thema sei "zu wichtig für ministerielle Profilierungsversuche", meinte Annette Karl (SPD). "Jeder Minister der Staatsregierung wurstelt fröhlich an seinen eigenen Strategien zur Digitalisierung, nie miteinander, aber häufig gegeneinander." Daran ändere auch Aigners Rückkehr in die sozialen Netzwerke nichts. "Genauso, wie eine Schwalbe keinen Sommer macht, macht ein Facebook-Account noch keine Digitalisierungsstrategie." Auch Freie-Wähler-Mann Thorsten Glauber meinte: "Vieles bleibt aus unserer Sicht in ihrer Rede in der digitalen Wolke."

Ein Viertel der CSU-Abgeordneten fehlte

Der Landtag selbst gehe auch nicht gerade mit Engagement voran, meinten mehrere Redner. Glauber sagte: "Wir schaffen es nicht, im Landtag ein freies Wlan für unsere Bürgerinnen und Bürger umzusetzen." Die Grünen-Abgeordnete Verena Osgyan beklagte sich, im Landtag dürfe man noch nicht einmal einen Tablet-PC mit ans Rednerpult nehmen, weil solche Hilfsmittel verboten sind. "Deswegen wird's auch nicht besser bei ihnen", rief CSU-Mann Erwin Huber dazwischen.

Auch insgesamt blieben die Reihen in der Debatte ziemlich leer. Während Aigners Regierungserklärung fehlte sogar bei der CSU ein knappes Viertel der Abgeordneten - obwohl zuvor an die Abgeordneten appelliert worden war, möglichst vollzählig anzutreten.

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