Kalte Progression:Schäuble will Steuerzahler entlasten

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  • Die Arbeitslosigkeit ist niedrig, die Steuereinnahmen sind hoch. Finanzminister Schäuble sieht deshalb Spielraum, die Bürger steuerlich zu entlasten.
  • Ab 2016 will Schauble die kalte Progression im Einkommensteuerrecht reduzieren.
  • Kalte Progression entsteht, wenn die Steuerlast nach einer Lohnerhöhung steigt, obwohl sich die Kaufkraft wegen gleichzeitig steigender Preise gar nicht erhöht hat.

Analyse von Claus Hulverscheidt, Berlin

Angesichts kräftig sprudelnder Steuereinnahmen gibt Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) seinen Widerstand gegen eine Entlastung der Bürger auf.

Schäuble kündigte am Donnerstag an, die Bundesregierung werde zum 1.Januar 2016 das Problem der sogenannten kalten Progression angehen und zu viel gezahlte Steuern aus den Jahren 2014 und 2015 erstatten. Die Korrektur bringe Bürgern und Unternehmen insgesamt 1,5 Milliarden Euro. Der Minister räumte ein, dass für den Einzelnen nicht viel übrig bleibe. "Es geht aber ums Prinzip", betonte er.

Ihr Forum
:Entlastet die Abmilderung der kalten Progression Steuerzahler wirklich?

Wer eine Lohnerhöhung bekommt, hat oft fast nichts davon. Einerseits, weil er mehr Steuern zahlen muss, andererseits, weil die Inflation zusätzlich einen Teil des Lohnanstiegs wertlos macht. Von 2016 an will Finanzminister Schäuble diese sogenannte kalte Progression abmildern und so den Steuerzahler entlasten. Eine einfache Entscheidung, weil die Teuerung gerade ohnehin so niedrig ist?

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Kalte Progression entsteht, wenn ein Bürger nach einer Lohnerhöhung mehr an das Finanzamt überweisen muss, obwohl sich seine Kaufkraft wegen gleichzeitig steigender Preise für Lebensmittel, Energie und Verbrauchsgüter gar nicht erhöht hat. Kritiker sprechen in diesem Zusammenhang von heimlichen Steuererhöhungen. Sie bringen Bund, Ländern und Gemeinden Milliardenerlöse ein, die der Gesetzgeber so gar nicht gewollt hatte.

Heimliche Steuererhöhung
:So viel kostet die kalte Progression die Steuerzahler

Klammheimlich verlieren viele Steuerzahler jedes Jahr einen Teil ihres Einkommens: Erstmals hat das Bundesfinanzministerium nun veröffentlicht, wie viel Geld der Staat durch die kalte Progression einnimmt. Die Summe ist überraschend hoch.

Von Guido Bohsem, Berlin

Schäuble hatte bisher argumentiert, es gebe derzeit kaum kalte Progression, weil die Inflationsrate so niedrig sei. Auch habe man in der Koalition vereinbart, dass überschüssige Einnahmen vollständig für neue Investitionen verwendet würden. Dass der Minister nun umschwenkt, ist wohl auch der Tatsache geschuldet, dass er das seit Jahren gärende Thema endlich vom Tisch haben will: Vor allem hatte ihn geärgert, dass er nicht nur aus den eigenen Reihen immer wieder zum Handeln aufgefordert wurde, sondern dass ihn auch die SPD vor sich her trieb. Schäubles bayerischer Amtskollege Markus Söder (CSU) hatte erst jüngst erklärt, es sei "verkehrte Welt", wenn die Sozialdemokraten einen CDU-Minister in Steuerfragen vor sich her trieben. Die Union nimmt der SPD damit ein mögliches Thema für den Bundestagswahlkampf 2017.

Die Reform wird auch deshalb möglich, weil sie Schäuble derzeit viel weniger kostet als in früheren Jahren und weil die Staatseinnahmen wegen der guten Lage am Arbeitsmarkt in den kommenden Jahren noch stärker steigen sollen als ohnehin erwartet. Das zeigt die jüngste Steuerschätzung, deren Ergebnisse der Minister am Donnerstag präsentierte. danach können Bund, Länder und Gemeinden in den Jahren 2015 bis 2019 mit zusätzlichen Erlösen in Höhe von insgesamt gut 38 Milliarden Euro rechnen. Einen Teil des Geldes hat die Regierung allerdings schon verplant, hinzu kommen nun die Mindereinnahmen durch die Beseitigung der kalten Progression. Mit seiner Entscheidung nimmt Schäuble zugleich allen Fachpolitikern den Wind aus den Segeln, die angesichts der guten Einnahmeentwicklung bereits zahlreiche neue Ausgabenposten im Blick haben.

Rein technisch gesehen, funktioniert die Beseitigung der kalten Progression so, dass die bisherigen Steuersätze unverändert bleiben, jeder einzelne von ihnen aber ab 2016 erst bei einem etwas höheren Einkommen greift als bisher. Schäuble schlug vor, die Sätze künftig alle zwei Jahre zu überprüfen. Experten sprechen bei einer solchen regelmäßigen Anpassung von einem "Tarif auf Rädern".

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