Tölzer Orgelfesttage:Fulminanter Auftakt

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Eindrucksvolles Spiel: Hansjörg Albrecht bot ein mitreißendes Konzert zum Start der diesjährigen Tölzer Orgelfesttage. (Foto: Manfred Neubauer)

Hansjörg Albrecht gibt ein glänzendes und von Neuentdeckungen geprägtes Eröffnungskonzert zu den Tölzer Orgelfesttagen, die sich in diesem Jahr auf die Benelux-Staaten Niederlande und Belgien konzentrieren

Von Reinhard Szyszka, Bad Tölz

Tulpen und Grachten, Windmühlen, Holzpantinen und Coffeeshops, Rembrandt und Rubens, Manneken Pis und Atomium, Flamen und Wallonen: Das sind die gängigen Begriffe, wenn von den Benelux-Staaten die Rede ist. Der Musikfreund denkt vielleicht auch an Gustav Leonhardt, Frans Brüggen, Sigiswald Kuijken und andere Protagonisten der Originalklang-Bewegung. Orgelmusik zählt sicher nicht zu den Dingen, die einem als erstes in den Sinn kommen. Dennoch gibt es auch in den Niederlanden und in Belgien eine reiche Orgeltradition. Die Tölzer Orgelfesttage setzen ihr verdienstvolles Konzept, jedes Jahr die Orgelkultur eines anderen Landes vorzustellen, heuer unter dem Motto "Orgelvielfalt Benelux" fort. Genau genommen ist es nur "Orgelvielfalt Bene", denn Luxemburg bleibt außen vor. Der einzige luxemburgische Orgelkomponist, den die Veranstalter ausfindig machen konnten, wird nicht in Bad Tölz zu hören sein.

Am Donnerstag gab es in der Tölzer Stadtpfarrkirche das Eröffnungskonzert: Hansjörg Albrecht, der künstlerische Leiter der Orgelfesttage, spielte selbst. Leider hatten sich nur etwa 45 Interessierte in die Kirche verirrt, ein Orgelkonzert ohne Bach ist eben immer ein Risiko. Schade, denn Albrecht präsentierte sich in glänzender Verfassung und servierte ein mitreißendes Programm voller Neuentdeckungen - nicht nur für die Zuhörer, sondern auch für den Organisten selbst, der bei der Planung und Einstudierung viele Werke erst kennengelernt hatte. Albrecht begann mit einer Toccata des Belgiers Joseph Jongen, eines Altersgenossen von Max Reger und persönlichen Bekannten von Richard Strauss, stilistisch aber eher zwischen Ravel und Debussy zu verorten. Es ist schon gute Tradition bei den Orgelfesttagen, dass der Organist nicht nur auf der Empore im Verborgenen wirkt, sondern zugleich per Beamer auf einer Leinwand im Kirchenschiff zu sehen ist. Auf diese Weise kann der Zuhörer beobachten, wie der Künstler mit dem Instrument umgeht und das Werk zum Klingen bringt, was gerade bei einem hochvirtuosen Stück wie der Toccata neue Einsichten eröffnet. Albrecht hatte die Toccata mit gutem Grund an den Beginn seines Programms gesetzt. Mit diesem Werk gelang ihm ein fulminanter Auftakt des Konzerts wie der gesamten Reihe.

Dann folgte ein Sprung zurück um fast vier Jahrhunderte. Die Renaissancetanz-Suite von Tilman Susato gehört einer liberalen Ära an, die nicht streng zwischen geistlicher und weltlicher Musik unterschied, so dass schon mal Tänze in der Kirche erklingen durften. Albrecht spielte die Suite rhythmisch pulsierend, mit farbiger Registrierung. Manchmal schien der Künstler fast auf der Orgelbank zu tanzen. Am Ende brach spontaner Applaus aus, der freilich rasch verebbte. 100 Jahre nach Susato lebte Anthoni van Noort, der einen ganz anderen Stil pflegte. Seine "Variationen über den 24. Psalm" kamen im strengen geistlichen Gewand daher, asketisch und polyphon. Mathias van der Gheyn, der nochmals ein Jahrhundert später lebte, entführte die Zuhörer wieder in eine andere Welt. Seine Suite - eher eine Sonate - ist dem frühklassischen Stil zuzuordnen. Albrecht spielte sämtliche Wiederholungen, die in den Noten stehen, und er vermied Langeweile, indem er gelegentlich die Registrierung wechselte oder die Musik beim zweiten Durchgang diskret auszierte. Der umfangreiche erste Satz verlangte erhebliche Fertigkeiten im Pedalspiel.

Das Programm klang aus mit der "Grande pièce symphonique" von César Franck, der zwar die meiste Zeit seines Lebens in Frankreich gewirkt hat, aber in Belgien geboren und aufgewachsen ist. Das hochromantische Werk fordert nicht nur vom Ausführenden, sondern auch vom Instrument alles ab; Klangfarbe und Lautstärke wechseln oft von Takt zu Takt. Albrecht meisterte auch diese gewaltige, umfangreiche Komposition souverän und führte sie zu einer triumphalen Schlusssteigerung, die den lebhaften Beifall des Publikums hervorrief. Der Organist bedankte sich mit einer Wiederholung der Toccata von Joseph Jongen, mit der er das Programm eröffnet hatte. Alles in allem bot der Abend eine eindrucksvolle Demonstration der Bandbreite niederländisch-belgischer Orgelmusik wie auch der Vielseitigkeit von Hansjörg Albrecht.

Wie geht es nun weiter? Am 26. Juni und am 17. September werden zwei Organisten aus den Niederlanden anreisen, Hayo Boerema und Peter Van de Velde. Albrecht hat das Programm mit ihnen abgestimmt, um einen möglichst schlüssigen Querschnitt durch die Orgelmusik der Benelux-Länder zu bieten und Wiederholungen zu vermeiden. Das Abschlusskonzert am 16. Oktober wird Hansjörg Albrecht dann wieder selbst gestalten. Dazwischen aber, am 27. Juli, steht eine Orgelreise an, die nach Nordtirol führen wird.

© SZ vom 11.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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