Routineeingriff:Niere, Herz und Lunge

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Auf einer Pressekonferenz berichten die Münchner Chirurgen im Februar 1969 über die erste Herztransplantation in Deutschland. (Foto: picture-alliance / dpa)

In München werden pro Jahr mehrere Hundert Organe verpflanzt

Transplantationen machen Schlagzeilen - wenn sie gelingen, oder wenn es Skandale um sie gibt. Für Mediziner jedoch hat die Verpflanzung von Organen schon lange nichts Sensationelles mehr: Einem Menschen eine neue Niere zu geben, ist mittlerweile klinischer Alltag. Aufsehen erregen nur noch die großen Neuerungen oder Operationen, die die gruselnde Fantasie des Publikums schüren - wie die Transplantation von gleich zwei Armen bei einem Menschen, die 2008 am Klinikum rechts der Isar gelang: 15 Stunden dauerte der Eingriff bei einem Mann, der sechs Jahre zuvor seine oberen Extremitäten bei einem Unfall mit einem Maishäcksler verloren hatte und mit seinen Prothesen nie zurecht gekommen war.

Transplantationen sind in der Geschichte der Medizin relativ jung - was auch daran liegt, dass erst 1901 das System der Blutgruppen entdeckt wurde. Zuvor war es eine Lotterie, einem Menschen das Organ eines anderen zu implantieren, eine Lotterie mit tödlichem Ausgang, wenn die Blutgruppe von Spender und Empfänger nicht zusammenpassten. Dennoch gab es erste Versuche schon früher. Die erste gelungene Organ-Transplantation gelang dem Schweizer Chirurgen Theodor Kocht 1883: Er setzte einem jungen Mann fremdes Schilddrüsengewebe in die Bauchhöhle ein. Die erste Nierentransplantation bei Tieren versuchte Alexis Carrel 1906.

Fast 40 Jahre später war ein wichtiger Schritt geschafft, um die Abstoßungsreaktion beim Spender in den Griff zu bekommen: Welche Mechanismen hinter dieser Reaktion stecken und wie sie vermieden werden können, entdeckte der britische Zoologe Peter Medawar im Jahr 1944. Zehn Jahre später verpflanzte der amerikanische Chirurg Joseph Murray erfolgreich eine Niere - in diesem Fall jedoch zwischen zwei eineiigen Zwillingsbrüdern, so dass eine Immunreaktion vermieden werden konnte.

Die erste Herztransplantation Deutschlands fand 1969 in München statt - am LMU-Klinikum operierte Rudolf Zenker einen 36 Jahre alten Patienten. Dieser überlebte den Eingriff jedoch nur 27 Stunden. Der nächste Versuch wurde erst wieder zwölf Jahre später unternommen, 1981 am Deutschen Herzzentrum. 1990 übernahm Bruno Reichart die Herzchirurgie am LMU-Klinikum. Er war Nachfolger von Christiaan Barnard am Groote Schur-Hospital in Kapstadt gewesen, dem dort 1967 die erste Herztransplantation weltweit gelungen war. Unter Reichart wurde München und speziell Großhadern zu einem Schwerpunkt für Organtransplantationen in Deutschland. Unter anderem gelang ihm 1997 die erste Herz-Lungen-Leber-Verpflanzung. Das Transplantationszentrum der LMU ist das erste seiner Art in Deutschland. Hier werden alle Organe verpflanzt: Niere, Leber, Herz, Lunge, Herz-Lunge, Pankreas, Dünndarm. Im Jahr 2013 gab es rund 230 Transplantationen, am häufigsten wurden Nieren verpflanzt (87), gefolgt von Lungen (57), Lebern (48) und Herzen (26). Für Letztere ist in München seit 2010 ausschließlich die LMU zuständig, das Deutsche Herzzentrum hat sich wegen der insgesamt überschaubaren Zahl an Herztransplantationen auf Kunstherzen spezialisiert und die Organverpflanzungen der LMU überlassen. Am TU-Klinikum rechts der Isar dürfen zwar seit 2013 keine Lebern mehr transplantiert werden, Nieren und Bauchspeicheldrüsen jedoch schon. Insgesamt gibt es im Freistaat sieben Transplantationszentren, in denen vermittlungspflichtige Organe übertragen werden dürfen.

© SZ vom 11.05.2015 / Stha, mah - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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