Naturschutzgebiet im Allgäu:Kurioser Streit um ein Wasserkraftwerk

Naturschutzgebiet im Allgäu: Urtümlich: Die Eisenbreche bei Hindelang.

Urtümlich: Die Eisenbreche bei Hindelang.

(Foto: Franz Hieble/oh)

Der Vorgang ist bayernweit einmalig: Der Oberallgäuer Landrat genehmigt den umstrittenen Bau eines Wasserkraftwerks. Doch der zuständige Beamte verweigert seine Unterschrift. Selbst das Umweltministerium ist skeptisch.

Von Christian Sebald

Wenn es um die Wasserkraft geht, rebellieren im Oberallgäu sogar die Beamten gegen die Obrigkeit. Dort soll mitten in einem hochrangigen Naturschutzgebiet ein Kraftwerk errichtet werden. Natürlich bekämpfen alle Naturschutzverbände bis hin zum Deutschen Alpenverein das Projekt. Aber nicht nur sie. Auch die zuständige Abteilung am Oberallgäuer Landratsamt lehnt das Vorhaben strikt ab. So wie alle anderen Behörden bis hinauf zur Regierung von Schwaben. Im Umweltministerium in München sehen sie die Pläne ebenfalls mit großer Skepsis.

Gleichwohl hat der Oberallgäuer Landrat Anton Klotz (CSU) das Projekt jetzt genehmigt. Auch wenn er den Bescheid selbst unterzeichnen musste. Der zuständige Beamte hat sich geweigert. Der Vorgang ist bayernweit einmalig. Bund Naturschutz (BN) und der Vogelschutzbund LBV ziehen vor Gericht.

An der Eisenbreche leben seltene Tiere

Das Naturschutzgebiet, um das gestritten wird, ist das Hintersteiner Tal im Südosten von Bad Hindelang. Es wird von der Ostrach durchflossen und zählt zu den urtümlichsten Gebirgslandschaften Bayerns. Einen großen Anteil daran hat die Eisenbreche, eine tiefe Klamm, in der sich die Ostrach tosend durch einen Felsriegel bricht. Im Hintersteiner Tal leben so seltene Tiere wie die Rotbraune Zylinderwindelschnecke und die Wasseramsel.

Aber auch der Alpensalamander und die Haselmaus kommen dort noch vor. Sogar den Alpenbock, einen eigentümlich blau-schwarzen Gebirgskäfer, trifft man hier noch an. Und dann die Eisenbreche selbst. Bis zu 85 Meter tief ist die Klamm, die Wassermassen umspülen gurgelnd das Gestein, winden sich um Felsvorsprünge und stürzen Wasserfälle hinab. Gleich fünffach geschützt ist die Eisenbreche: als nationales und als europäisches Schutzgebiet, als Landschaftsschutzgebiet, als Vogelschutzgebiet und als Naturdenkmal.

Neun Millionen Kilowattstunden Strom im Jahr

In dieses Naturjuwel wollen die Gemeinde Bad Hindelang, das örtliche Elektrizitätswerk und zwei Alpgenossenschaften nun ein Wasserkraftwerk hineinbetonieren. Oberhalb der Eisenbreche soll dazu ein Wehr errichtet werden, das die Ostrach bis zu fünf Meter auf- und hundert Meter weit zurückstaut. Der größte Teil des Flusswassers soll in einer gut 1,3 Kilometer langen Rohrleitung um die Klamm herum und hundert Höhenmeter hinab zu einem Turbinenhaus stürzen. Erst danach wird das Ostrachwasser wieder in das natürliche Flussbett zurückgeleitet.

Neun Millionen Kilowattstunden Strom soll das Kraftwerk im Jahr produzieren, sagt der Bad Hindelanger Bürgermeister Adalbert Martin (parteifrei), damit könnten 2700 Haushalte versorgt werden, Bad Hindelang wäre auf einen Schlag "energieautark". Wer es mit der Energiewende ernst meint, so lautet das Credo des Bürgermeisters, darf auf die Wasserkraft nicht verzichten, vor allem in den Bergen sei sie die effizienteste erneuerbare Energie. Natürlich teilt Landrat Klotz Martins Überzeugung. Zumal "der Eingriff in die Natur" so schlimm nicht sei und man das Kraftwerk kaum in der Landschaft erkennen könne, wenn später einmal Gras über die Baustelle gewachsen und wieder alles grün sei.

Stimmt alles überhaupt nicht, halten die Naturschützer Martin und Klotz entgegen. "Das fängt schon bei der Stromproduktion an", sagt der BN-Mann Thomas Frey. Bis zu 165 Tage im Jahr stehe das Kraftwerk still. 165 Tage, das sind gute fünf Monate. Vor allem in der Winterzeit führe die Ostrach zu wenig Wasser, als dass man welches in die Turbinen ausleiten könne. Dabei ist im Winter in Bad Hindelang der Stromverbrauch besonders hoch - wegen der vielen Schneekanonen im Skigebiet in Oberjoch.

Beamten schätzen Bau als rechtswidrig ein

Viel schwerer aber wiegt für Frey, "dass die Genehmigung ein glatter Rechtsbruch ist". Und zwar sowohl nach dem Wasserrecht, als auch nach dem deutschen und dem europäischen Naturschutzrecht sowie nach den Verordnungen für das Naturschutzgebiet und das Naturdenkmal. Diese Einschätzung teilen auch die Beamten in den Fachbehörden.

Zumindest hat der Chef des Sachgebiets für Naturschutz und Wasserrecht am Oberallgäuer Landratsamt sie in einer Stellungnahme an den Kreistag ausdrücklich zu Papier gebracht. "Nach der Naturschutzgebietsverordnung ist die Errichtung der geplanten Wasserkraftanlage verboten", heißt es darin kategorisch. Eine Befreiung von dem Verbot "kann nicht erteilt werden, da die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorliegen". Und dann führt der Beamte all die Behörden an, die seine Überzeugung teilen.

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