Formel E:Mit 225 Sachen durch Berlin

Spark-Renault SRT-01E Formel E

Auch in der Formel E gibt es durchdrehende Reifen. Nur die Abgase fehlen.

(Foto: Spark Renault SRT-01E aus der Formel E)

Peking, Buenos Aires, Miami und jetzt Berlin: Die Formel E ist eine Rennserie für Stadtkurse. Der Nervenkitzel bleibt, auch wenn der blaue Dunst und die Ohrstöpsel fehlen. Denn die elektrischen Rennwagen sind gerade einmal so laut wie ein Rasenmäher.

Von Axel F. Busse

Monaco oder Berlin? Für den politisch korrekten Motorsport-Fan ist das keine Frage. Statt im Fürstentum der lärmenden Ressourcenvergeudung in der Formel 1 beizuwohnen, zieht es ihn in die deutsche Hauptstadt, wo am nächsten Wochenende die deutsche Premiere eines Formel- E-Rennens ausgetragen wird. Schauplatz ist das Tempelhofer Feld, ehemals einer von drei Berliner Flughäfen.

Die weltweit operierende Elektro-Rennserie wird seit 2014 unter der Ägide des internationalen Motorsport-Verbandes FIA ausgetragen. Starker Mann in Hintergrund, quasi der Ecclestone der Formel E, ist der Spanier Alejandro Agag, Unternehmer, Politiker und nebenher Schwiegersohn des früheren spanischen Ministerpräsidenten José Maria Aznar. Seiner Überzeugung nach ist die Öko-Variante der Formel 1 keine Mode-Erscheinung, sondern ein langfristiges Projekt: "Wir haben bereits einige große Unternehmen an Bord, die am Anfang das Risiko auf sich genommen haben." Dazu gehört zum Beispiel BMW. Die Münchner stellen mit dem Elektro-Sportwagen i8 das Safetycar der Formel E.

Die zweite Generation steigt ins Cockpit

An Prominenz mangelt es dem Fahrerfeld nicht: Außer Nick Heidfeld und Jarno Trulli, die von den kreischenden Benzin-Boliden auf die Öko-Renner umgestiegen sind, finden sich weitere bekannte Namen aus der Formel 1. Prost, Piquet und Senna haben vor Jahrzehnten den Grand-Prix-Zirkus geprägt, jetzt steigt die zweite Generation ins Cockpit. Nicolas Prost, Nelson Piquet Jr. und der Neffe des 1994 tödlich verunglückten Ayrton Senna, Bruno. Michael Andretti, Sohn des Formel-1-Champions von 1978 Mario Andretti, ist als Mitinhaber eines Teams dabei. Dass die E-Rennwagen rund 100 Stundenkilometer langsamer fahren als die Boliden in der Formel 1, ficht Nick Heidfeld nicht an: "Im Elektroauto geht es vom ersten Meter an los. Unsere Stadtkurse sind sehr anspruchsvoll, und außerdem gibt es viele Positionskämpfe und Möglichkeiten zu überholen."

Mehr noch als in der Formel 1 kommt es auf fahrerisches Können an, denn die Fahrzeuge im Wettbewerb sind technisch identisch. Unter Mitwirkung von McLaren und Williams wurde ein Monoposto mit der Typenbezeichnung Spark-Renault SRT_01E entwickelt, dessen rund 200 Kilogramm schwere Batterie eine Energiekapazität von 28 Kilowattstunden (kWh) hat. Die Leistung wird mit 133 kW beziffert, was 181 PS entspricht. Das Höchsttempo ist auf 225 km/h begrenzt. Dass dieses Limit die Formel E zu einer risikofreien Kaffeefahrt machte, lässt sich nicht behaupten: Beim Auftaktrennen in Peking war Nick Heidfeld bei einem Überholmanöver von Nicolas Prost abgeschossen worden und hatte sich mehrfach überschlagen.

Schon in der nächsten Saison soll die Stromer-Meisterschaft keine Einheitsserie mehr sein. Mehrere Unternehmen haben angekündigt, eigene Rennwagen zu entwickeln. Ob BMW dazu gehört, ist noch nicht raus. Natürlich gebe es derartige Überlegungen, heißt es aus dem Unternehmen, aber eine Entscheidung sei noch nicht gefallen. Jörg Reimann, bei BMW verantwortlich für das Markenerlebnis der Kunden, sagt zur Beteiligung des Konzerns: "Das Konzept der Serie ist in vielerlei Hinsicht interessant. Als Vorreiter in Sachen Elektromobilität wissen wir, dass man neue Wege gehen muss, dabei aber trotzdem seinen Grundwerten treu bleiben kann. Deshalb ist es für uns reizvoll, in der Debütsaison dabei zu sein." Gegenwärtig begnügen sich die Münchner, die zwischen 1982 und 2009 zunächst als Motorenlieferant, später als BMW-Sauber-Team in der Formel 1 engagiert waren, noch mit einer Rolle als "Vehicle Partner". Das bedeutet, dass außer dem i8 auch der BMW i3 als "Medical Car" auf der Strecke im Einsatz ist.

Genau der richtige Ort für Rennen

Beschlossene Sache ist schon jetzt die allgemeine technische Aufrüstung. So soll stufenweise die Leistung der Rennwagen gesteigert werden, die Batterien werden auf bis zu 40 kWh ausgelegt. Eine Eigentümlichkeit der Formel E fiele dann weg: Der Fahrzeugwechsel zur Hälfte des Rennens. Er ist nötig, da sich Tankstopps nicht wie bei Hamilton und Vettel in Sekunden erledigen lassen, sondern eine leere Batterie eine halbe Stunde oder länger zum Aufladen ans Netz muss.

Nachdem Hockenheim und Nürburgring vom Formel-1-Kalender gestrichen wurden, kommt dem Berliner Rennen ein besonderer Status zu. Die Stadtregierung betrachtet das Spektakel mit Wohlwollen: Als "Hauptstadt der Elektromobilität" sei Berlin "genau der richtige Ort für dieses Rennen", ließ Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer im Februar verlauten. Die Rennserie beweise, dass E-Mobilität nicht nur vernünftig sei, sondern auch Spaß mache. Doch mehr als Sympathiebekundungen hat der Senat nicht für die Show übrig. Dem Wunsch des Veranstalters, auf der Straße des 17. Juni mit dem Brandenburger Tor als Kulisse fahren zu dürfen, erteilte er eine Absage. Und finanziell ist von Berlin ("arm, aber sexy") auch nichts zu erwarten. Dennoch werden der Stadt gute Chancen eingeräumt, künftig Gastgeber der Formel E zu bleiben.

Nicht lauter als Rasenmäher

Erstmals seit 1998 kann sich die Hauptstadt so wieder mit einem offiziellen Autorennen schmücken. Der Austragungsort, der 2008 geschlossene Zentralflughafen Tempelhof, ist in der Wahrnehmung der Spree-Athener ein Politikum geblieben. Für das inzwischen als Freizeitanlage beliebte rund 220 Hektar große Areal werden immer wieder neue Nutzungskonzepte diskutiert. Im vergangenen Jahr verhinderte ein Volksentscheid Pläne des Senats für eine Randbebauung. Promoter Alejandro Agag weiß das Vorfeld am historischen Abfertigungsgebäude durchaus zu schätzen: "In Tempelhof müssen wir keine Straßen sperren oder den Verkehr unterbrechen", sagte er bei der Präsentation der Strecke. Der aus neun Links- und sechs Rechtskurven bestehende Parcours ist rund 2,5 Kilometer lang.

Während sich gleichzeitig in Monaco Tausende mit Ohrstöpseln bewehrt dem Abgasduft von Ferrari und Co. aussetzen, verfolgt das Berliner Publikum die Akku-Raserei relativ entspannt. Mit maximal 80 Dezibel sind die E-Renner nicht lauter als ein Rasenmäher. Da das frei empfangbare Fernsehen den "ePrix" noch nicht entdeckt hat, sind Augenzeugen im Vorteil. Rund 20 000 Zuschauer werden erwartet, die - auch das eine Besonderheit der Formel E - aktiv ins Geschehen eingreifen können. Mit dem sogenannten Fan-Boost stimmen sie darüber ab, welche Fahrer für einen kurzen Zeitraum einen zusätzlichen Stromstoß in Anspruch nehmen können. Per Telemetrie wird dann eine elektronische Sperre in dem Wagen geöffnet und eine Leistung von 200 kW freigesetzt - unter Umständen ein rennentscheidender Faktor. Jörg Reimann begrüßt die "innovative Einbindung der Fans über die sozialen Netzwerke". Bislang kann bis zehn Minuten vor dem Start abgestimmt werden. Gegenwärtig kämpft Alejandro Agag mit der FIA darum, das Voting bis in die ersten zehn Minuten des Rennens hinein zu verlängern.

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