Mitten in Bayern:Vabanque-Spiel in Lindau

Lesezeit: 1 min

Lindau hat etwas, auf das viele Städte neidisch sind: Hier kommen Nobelpreisträger zusammen und diskutieren mit dem wissenschaftlichen Nachwuchs. Nun droht ein Bürgerbegehren all das zu gefährden

Von Stefan Mayr

Sie haben schon viel Zeit vertrödelt mit diesem Thema. Viel zu viel Zeit. Seit einem Jahrzehnt warten die Veranstalter der Nobelpreisträgertagung in Lindau nun schon auf eine Modernisierung der viel zu kleinen und hoffnungslos veralteten Inselhalle. Immer wurden sie von den Stadträten vertröstet. Man muss sich das mal vorstellen: Da treffen sich alljährlich die höchstdekorierten Wissenschaftler der Welt, um mit den herausragendsten Nachwuchsforschern über die Zukunft der Welt zu diskutieren. Die meist betagten Laureaten und ihre Zuhörer schwitzen dabei in überfüllten und schlecht temperierten Räumen (oder gar Zelten). Dies alles bei technischen Bedingungen, die wohl jeder Grundschüler aus Indien nur müde belächeln würde. Für den Forschungs- und Wirtschaftsstandort Bayern ist das nur noch peinlich.

Die Veranstalter müssten nur einmal mit dem Finger schnippen, dann könnten sie auswählen, in welches Land sie weiterziehen wollen. USA? Katar? Sie alle würden die Tagung mit Kusshand nehmen und alles dafür tun, um die besten und bequemsten Bedingungen bereitzustellen. Und sie würden die Kasse der Veranstalter bis obenhin füllen. Denn längst strahlt die Tagung weit über den Wissenschafts-Betrieb hinaus. Zuletzt waren Angela Merkel und Bill Gates in Lindau.

All das würden die Lindauer aufs Spiel setzen, wenn sie am Sonntag beim Bürgerentscheid gegen das geplante Parkhaus neben der Inselhalle stimmen. Sie wollen die Nobelpreisträger nicht verjagen, beteuern die Initiatoren des Bürgerentscheids, aber das Parkhaus sei einfach zu groß und passe nicht auf die Insel. Tatsächlich ist der vierstöckige braune Klotz kein architektonisches Juwel.

Aber er ist auch kein Schandfleck, seinetwegen wird kein einziger Tourist fernbleiben. Als Alternative schlagen die Gegner eine Tiefgarage vor. Das wäre ästhetisch tatsächlich ansprechender. Aber es wäre es ein Vabanque-Spiel: Sollten beim Aushub Komplikationen auftreten, könnte der Zeit- und Finanzplan des Inselhallen-Baus kippen. Die Nobelpreisträger wären quasi gezwungen, sich nach einer anderen Stadt umzusehen. Am Ende hätte Lindau die schöne Postkarten-Ansicht aus der Vergangenheit bewahrt. Und sich die Zukunft verbaut.

© SZ vom 15.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: