Reitsport:Rund ums Rind

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Working Equitation ist zum Trend geworden - auch bei der Pferd International in Riem

Von Julian Galinski, München

24 Jahre ist Junco alt, ein Lusitano und ehemaliges portugiesisches Stierkampfpferd. "Mein älterer Herr", nennt ihn Reiterin Mirjam Wittmann. Junco ist allerdings immer noch ein Spitzensportler, selbst in seinem fast greisen Pferdealter. Das liegt daran, dass Junco und Wittmann Spezialisten in der Working Equitation sind, zu deutsch: Arbeitsreitweise. Diese Disziplin verlangt komplette Allrounder, nicht unbedingt Spitzenathleten.

Working Equitation, als Wettkampf erst seit 1994 ausgetragen, ist ein echter Trend im Reitsport geworden. Auf der diesjährigen Pferd International trifft sich die internationale Klasse, und über den Status des Geheimtipps ist die Working Equitation schon hinaus. Vor allem auch, weil sie für die Zuschauer ungemein unterhaltsam ist.

Vier Bestandteile gehören dazu, sie orientieren sich allesamt an den Anforderungen an Arbeitspferde und ihre Reiter bei der Rinderarbeit, wie sie schon vor Jahrhunderten betrieben wurde. Die klassische Dressur ist dabei noch der unspektakulärste Teil. Der Dressurtrail ist schon spezieller: Hindernisse wie Stangen und Brücken müssen sauber und korrekt geritten werden. Haltungsnoten gibt es im Speedtrail keine, dafür wird die Zeit gestoppt und Fehler mit Zeitstrafen geahndet.

Mit der Stange durch den Ring: Das ist eine der Aufgaben bei der Working Equitation. (Foto: oh)

Zu den Aufgaben für Pferde und Reiter kann dann zum Beispiel gehören, aus dem Galopp an einem Tisch stehen zu bleiben, einen mit Wasser gefüllten Krug aufzunehmen und gerade über den Kopf zu strecken. Oder die Garrocha, einen hölzernen Stab, aus einem Fass zu greifen und damit einen Ring vom Kopf einer Rinderfigur zu spießen. "Unsere Pferde müssen nicht ganz besonders hoch springen können oder wahnsinnig schnell sein", sagt Wittmann. "Aber sie müssen eben von vielem etwas und das möglichst gut können."

Deshalb ist die Rasse der Pferde in der Working Equitation erst einmal sekundär. Es ist durchaus möglich, dass in einem Wettbewerb Ponys, Haflinger und Lusitanos gegeneinander antreten. Dressur, Dressurtrail und Speedtrail werden zu einer Wertung zusammengefasst, die Rinderarbeit, also die Working Equitation in ihrer ursprünglichsten Form, wird gesondert gewertet. "Weil es immer auch ein Glücksspiel ist", sagt Wittmann. Nicht nur Mensch und Pferd müssen zusammenspielen, auch das Rind, das aus der Herde getrennt und ohne körperliche Einwirkung in einen Pferch getrieben wird, sollte einigermaßen kooperationsbereit sein.

Mirjam Wittmann zählt in diesem Sport zu den Besten. (Foto: oh)

Zur Pferd International (Wettbewerbe jeweils etwa von 9 bis 15 Uhr) haben die Veranstalter auch die Großen des Sports gelotst. Portugal ist die prägende Nation in Europa, stilistisch und auch sportlich. Aber die Deutschen, auch die Österreicher, holen auf. Was Wittmann dabei genießt, ist eine gewisse Entspanntheit der Szene. "Unsere Turniere sind wie ein großes Grillfest. In der Working Equitation gibt es weniger Neid als in anderen Disziplinen des Reitsports."

Die 38-jährige Pferdewirtschaftsmeisterin ist in Gräfelfing geboren, sie arbeitet in Ostermünchen im Landkreis Rosenheim und gehört zu Deutschlands Besten in ihrem Sport. Der entwickelt sich vor allem in der Breite rasend weiter. "Es ist irre", sagt Wittmann, "die meisten beruflichen Anfragen bekomme ich in der Working Equitation."

Junco, ihr 24-Jähriger, wird nach der Pferd International wohl bald in Rente gehen. Deswegen hat Wittmann auch den Neunjährigen Kiro dabei, zum Ausprobieren vor der großen Kulisse in Riem. "Ich bin sehr auf die Rinderarbeit gespannt", sagt Wittmann. Wie Kiro auf die anderen Tiere reagiert - und diese auf ihn. Sicherheitshalber sind die Reitplätze der Working Equitation immer von metallenem Zaun umgeben.

© SZ vom 15.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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