Arbeitskampf:Post setzt Beamte als Streikbrecher ein

File photo of logo of German postal and logistics group Deutsche Post AG

Das Logo der Deutschen Post AG an ihrem Hauptquartier in Bonn.

(Foto: REUTERS)
  • Die Post besetzt Arbeitsplätze, die bestreikt werden, teilweise mit Beamten. Das läuft einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts möglicherweise zuwider.
  • Das Gericht hatte 1993 entschieden, dass der Staat im Arbeitskampf nicht besser gestellt sein darf als private Arbeitgeber.
  • Die Post rechtfertigt den Einsatz mit dem Argument, die Beamten seien freiwillig im Einsatz. Doch auch Wirtschaftsminister Gabriel sieht ihren Einsatz kritisch.

Von Detlef Esslinger

Im Arbeitskampf mit der Gewerkschaft Verdi hat die Deutsche Post AG Beamte als Streikbrecher eingesetzt - obwohl das Bundesverfassungsgericht dies grundsätzlich verboten hat. Das Unternehmen vertritt die Auffassung, der Einsatz sei dennoch rechtmäßig, antwortet auf Nachfragen aber teilweise ausweichend.

Der Süddeutschen Zeitung liegen die Namen von 28 Beamten vor, die in den Briefniederlassungen Frankfurt und Gießen, der Zustellbasis Frankfurt sowie im Paketzentrum Rodgau (ebenfalls in Hessen) beschäftigt sind. Bei Warnstreiks im April wurden sie auf bestreikte Arbeitsplätze geschickt. Das Unternehmen informierte die Betriebsräte mit dem Hinweis, die Beamten seien "freiwillig versetzt worden".

Staat soll im Arbeitskampf nicht besser gestellt sein als private Arbeitgeber

Damit setzte sich die Post womöglich dennoch über einen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts von 1993 hinweg. Die Karlsruher Richter verfügten über die damalige Bundespost, dass sie "nicht den Einsatz von Beamten auf bestreikten Arbeitsplätzen anordnen darf, solange dafür keine gesetzliche Regelung vorhanden ist".

Die Richter wollten verhindern, dass der Staat in Arbeitskämpfen grundsätzlich bessergestellt ist als private Arbeitgeber, die ja keine Beamten haben und deshalb niemanden zwingen können, als Streikbrecher zu arbeiten. Einen "freiwilligen" Einsatz von Beamten sah der Beschluss ausdrücklich nicht vor (Aktenzeichen 1 BvR 1213/85). Ein solcher würde ja ebenfalls den Arbeitgeber Staat im Vergleich zu anderen, privaten bevorzugen.

Unbehandelt ließ das Gericht auch die Frage, ob sich überhaupt klären ließe, mit welchem Grad an Freiwilligkeit sich ein Beamter als Streikbrecher zur Verfügung stellt. Die stellvertretende Verdi-Chefin Andrea Kocsis sagte der SZ, der Einsatz von Beamten als Streikbrecher sei "weder ,unfreiwillig' noch ,freiwillig' zulässig - er ist schlicht verboten". Die Post müsse "diese rechtswidrige Praxis sofort unterbinden". Nach Angaben aus der Gewerkschaft hat die Post in der Auseinandersetzung "weit mehr als 100 Beamte" als Streikbrecher eingesetzt.

Finanzministerium hatte Beschwerde eines Beamten zurückgewiesen

Auf Nachfrage erklärte der Konzern zunächst, es würden keine Beamten "in unzulässiger Weise auf bestreikten Arbeitsplätzen eingesetzt". Dies habe erst am 30. April das Bundesfinanzministerium bestätigt, als es die Beschwerde eines Postbeamten zurückgewiesen habe.

Das Interessante an dieser Antwort war: Nach diesem Beamten hatte die SZ gar nicht gefragt. Er gehörte nicht zur Liste der 28 aus Hessen. Bei ihm handelt es sich somit um einen 29. Fall. Seine Beschwerde wurde vom Ministerium mit der Begründung zurückgewiesen, nach Auskunft der Post habe der Mann ausschließlich Pakete ausliefern sollen, nicht aber Briefe und Pakete - wie sein streikender Kollege. Damit aber sei er nicht auf dessen Arbeitsplatz eingesetzt worden.

Auf die Nachfrage, ob das Unternehmen nicht doch noch Stellung zu den Fällen in Hessen nehmen wolle, reagierte ein Sprecher eher allgemein: "Das Schreiben (des Ministeriums) stellt klar, dass der Einsatz von Beamten auf einem anderen Arbeitsplatz während einer Arbeitskampfmaßnahme nicht automatisch unzulässig ist, wie dies gern unterstellt wird." Auf die hessischen Fälle ging er weiterhin nicht ein.

Auch Gabriel kritisiert Einsatz von Beamten

Der Einsatz von Beamten war auch Gegenstand des Briefes, den Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel - in seiner Eigenschaft als SPD-Vorsitzender - am 4. Mai an Post-Chef Frank Appel geschrieben hatte. Darin zeigte sich Gabriel "beunruhigt" über die Hinweise zum Umgang der Post mit ihren Beschäftigten. Über Appels Antwort gab das Unternehmen keine Auskunft, nur so viel: "Sie können davon ausgehen, dass Herr Appel Schreiben von Politikern an ihn auch beantwortet."

Am Mittwoch hatte die SZ berichtet, dass die Post Druck auf befristet Beschäftigte ausübt, um sie von der Teilnahme an Streiks abzuhalten. Ihnen wurde mit dem Verlust ihres Jobs gedroht. Zudem behielt das Unternehmen mehr vom Lohn der Streikenden ein als zulässig. Auf Anfrage teilte es aber mit, letztere Praxis mit der Lohnzahlung im Juni zu korrigieren und die Differenz zu erstatten.

Den Vorwurf der Einschüchterung wollte Vorstandschef Appel nicht auf sich sitzen lassen. Dieser sei "rufschädigend", er weise ihn "entschieden" zurück, sagte er. Die Post habe Arbeitnehmerrechte immer respektiert und werde das auch weiterhin tun. "So sind bei uns 50 Prozent mehr Betriebsräte für ihre Arbeit freigestellt, als das Gesetz verlangt."

Neue Streiks

Am Mittwoch rief Verdi erneut zum Streik auf, und zwar unter anderem in allen 83 Briefzentren der Post. Die Gewerkschaft fordert für die 140 000 angestellten Mitarbeiter eine Arbeitszeitverkürzung von 38,5 auf 36 Wochenstunden bei vollem Lohnausgleich. Damit reagiert sie auf die Gründung von 49 Billig-Gesellschaften in der Paketzustellung, die die Gewerkschaft für unzulässig hält. Außerdem verlangt sie 5,5 Prozent mehr Geld.

Die Post bietet bisher eine Verlängerung des Schutzes vor betriebsbedingten Kündigungen bis Ende 2018 sowie ein Paket, das nach ihren Angaben eine Kürzung der Wochenarbeitszeit um "durchschnittlich" eine Stunde bei vollem Lohnausgleich bedeutet. Die nächste Verhandlungsrunde ist am 20. und 21. Mai.

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