Es gibt zwei Sätze, die einen vor Gericht ständig begleiten. Der eine: "Das Verbrechen ist immer und überall." Der andere heißt: "Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand."
Als Gerichtsreporterin der Süddeutschen Zeitung kann ich bestätigten, dass beide Sätze zutreffen. Auf meinen Wegen in die Gerichtssäle der Republik komme ich in Städte wie Oldenburg, Verden an der Aller, Bamberg, Halle, Neuruppin oder Tübingen. Natürlich gibt es auch große Prozesse in München (Uli Hoeneß, NSU, Deutsche Bank) oder Hannover (Christian Wulff), aber immer wieder zeigt sich: Das Verbrechen ist sehr gleichmäßig über Deutschland verteilt.
So durchquere ich das Land, immer mit dem Anspruch, am richtigen Tag im richtigen Prozess zu sein. Und da bewahrheitet sich auch schon der zweite Spruch. Wer weiß schon, wann der richtige Tag ist? Selten wird ein Prozess wie der gegen Uli Hoeneß in vier Tagen durchgezogen. Oft schleppen sich Verhandlungen über 20, 30, 40 Tage, im NSU-Prozess ist der 200. Tag längst erreicht. Der eine Richter tagt montags und dienstags, der andere immer mittwochs, aber eines ist gewiss: Die Prozesstage überschneiden sich. Nie weiß man, ob ein wichtiger Zeuge, für den man eigens anreist, erkrankt ist, ob der Richter die Sitzung unterbricht oder die Öffentlichkeit ausschließt - und gleichzeitig in einem anderen Prozess Aufsehenerregendes geschieht.
Immer, wenn ich dann in Oldenburg (mörderischer Krankenpfleger), Tübingen (Rocker), Bamberg (mutmaßlicher Missbrauch von Patientinnen) oder Göttingen (Lebertransplantationen) sitze, graut es mir, wenn ich daran denke, dass in diesem Augenblick Beate Zschäpe im NSU-Prozess zu sprechen beginnen könnte. Und ich erfahre sehr persönlich: Vor Gericht ist man in Gottes Hand.