Was ist in Mannheim passiert?
Es ist etwa 21 Uhr, das erste Drittel des Germany's-Next-Topmodel-Finales ist bereits vorbei, als ein Anruf bei der SAP-Arena in Mannheim eingeht. Eine junge Frau ist am Telefon, sie droht mit einer Bombe. Der Veranstalter berät sich, beschließt, die Sendung zu unterbrechen und die Halle zu evakuieren. Die Polizei wird eingeschaltet. Als Mitarbeitern in der Garderobe ein verdächtiger Koffer auffällt, wird die Show für beendet erklärt. Bis tief in die Nacht durchsucht ein Großaufgebot der Polizei die Arena. In den Morgenstunden gibt es Entwarnung.
Reicht eine telefonische Drohung für den Abbruch einer Großveranstaltung?
In der Regel ja, sagt der Mannheimer Polizeisprecher Dieter Klumpp. Die Polizei nehme derartige Anrufe sehr ernst. Die Entscheidung, eine Großveranstaltung abzubrechen und ein Gebäude zu evakuieren, sei eine der schwierigsten überhaupt. Wenn alles gutgehe und keine Bombe gefunden werde, heiße es schnell, die Polizei habe überreagiert. "Aber den Vorwurf hören wir uns gerne an", sagt Klumpp. Nicht einzugreifen und dadurch womöglich Menschenleben zu gefährden, sei keine Alternative.
Wer entscheidet über die Evakuierung?
Über den Donnerstagabend gibt es unterschiedliche Angaben. Bei Pro Sieben heißt es, die Halle sei so evakuiert worden, wie es ein gemeinsamer Krisenstab von Polizei und Security vorgegeben habe. Polizeisprecher Klumpp sagt, der Veranstalter habe allein über die Evakuierung entschieden und mit der Räumung der Halle begonnen. Eine Maßnahme, die er grundsätzlich für richtig hält. In früheren Fällen, in denen die Entscheidung über die Evakuierung bei der Polizei blieb, gab es eine kurze Beratung der diensthabenden Beamten. Dann wird in der Regel ein Krisenstab eingerichtet.
Gibt es vergleichbare Fälle in Deutschland?
In den vergangenen Monaten wurden wiederholt Großveranstaltungen aus Sicherheitsgründen abgesagt. Dazu zählen etwa das Radrennen "Rund um den Finanzplatz Eschborn-Frankfurt" am 1. Mai oder ein Karnevalsumzug in Braunschweig im Februar. Dass eine laufende Veranstaltung abgebrochen werden muss, ist so jedoch in jüngerer Zeit nicht vorgekommen. Polizeisprecher Klumpp zieht Ankündigungen von Amokläufen an Schulen als "Paradebeispiel" für Evakuierungssituationen heran. Die Polizei reagiere auf solche Fälle sehr sensibel. Wenn machbar, werde zunächst versucht, Informationen über die Bedrohungslage und beteiligte Personen zu sammeln, um die Situation besser einschätzen zu können.
Wie sieht der Einsatz der Polizei aus?
Wenn die Entscheidung für einen Einsatz gefallen ist, wird ein Polizeiführer bestimmt, der die Einsatzleitung übernimmt. Er koordiniert die Räumung und Durchsuchung des Gebäudes, die Versorgung der Betroffenen. Verdächtige Gegenstände, wie in diesem Fall der Koffer in der Garderobe, werden von sogenannten Delaborierern untersucht. Am Donnerstagabend reisten die Sprengstoffexperten aus Stuttgart an. Bei der Durchleuchtung des Koffers wurden keine verdächtigen Gegenstände festgestellt. Etwa hundert Polizisten durchsuchten die SAP-Arena, auch zwei Sprengstoff-Spürhunde waren im Einsatz. "Die Überprüfung dauerte lange, weil es sich um einen mehrstöckigen Bau mit zahlreichen Winkeln handelt", erklärt Klumpp, der selbst erst um halb fünf ins Bett gekommen ist.
Wie geht es weiter?
Die Polizei sucht nach der unbekannten Anruferin. Mit welchen Mitteln, will Klumpp nicht verraten. Wird die Frau gefunden, muss sie wegen Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten mit einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren rechnen. Außerdem könnten zivilrechtliche Ansprüche geltend gemacht werden.
Wie hoch ist die Gefahr von Nachahmungstätern?
"Dass wir in vielen Fällen Nachahmer provozieren, haben wir immer im Hinterkopf", sagt Polizeisprecher Klumpp. Das mache die Entscheidung für die Absage oder den Abbruch einer Großveranstaltung so schwierig. Ein Drohanruf oder ein stehengelassener Koffer reiche oft aus, um die Polizei auf den Plan zu rufen.