NPD-Verbotsverfahren:Karlsruhe, übernehmen Sie - endlich!

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Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe - er ist für das NPD-Verbotsverfahren zuständig. (Foto: dpa)

Der erste NPD-Verbotsverfahren scheiterte an der rechtsstaatlich nicht hinnehmbaren Vorbereitung. Nun haben die Länder erstaunlich offen dargelegt, wie sie die Beobachtung der Partei beendet haben. Jetzt ist das Verfassungsgericht an der Reihe.

Kommentar von Wolfgang Janisch

Der Bundesrat hat nun einen weiteren Schriftsatz zum NPD-Verbotsverfahren nach Karlsruhe geschickt. 31 Seiten ist er lang, dazu kommen viele Ordner voller Aktenvermerke und "Abschalterklärungen", Protokolle und Verfügungen. Wir haben die Quellen in den NPD-Vorständen trockengelegt, die das rechtsstaatliche Verfahren zu kontaminieren drohten, lautet die Botschaft. Karlsruhe, übernehmen Sie! Endlich, könnte man hinzufügen.

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Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe, und Tanjev Schultz

Tatsächlich haben die Länder eine beeindruckende Anstrengung unternommen. Sie gewähren dem Bundesverfassungsgericht einen tiefen Einblick in all das, was sonst aus guten Gründen geheim ist - in die Praxis der Beobachtung einer verfassungsfeindlichen Partei. Das ist nicht ohne Risiko. Quellen könnten, obwohl ihre Namen geschwärzt sind, enttarnt werden. Aber die maximale Transparenz ist richtig. Denn die 2003 abgelehnten Verbotsanträge waren radioaktiv wie eine Castor-Ladung Brennstäbe, geeignet, elementare Verfassungsgrundsätze zu verstrahlen. Das darf sich nicht wiederholen, denn ein Parteiverbot rührt ans Herz der Demokratie. Auch dann, wenn es gegen die NPD gerichtet ist.

Der Antrag enthält gute Gründe für ein Verbot der Partei

Ob das Material am Ende für ein Verbot reicht, wird man erst nach sorgfältiger Prüfung beurteilen können. Viel wichtiger ist, dass sich der Zweite Senat endlich der Frage zuwendet, welche die deutsche Öffentlichkeit seit bald zwei Jahrzehnten plagt: Kann die NPD verboten werden? 2003 blieb Karlsruhe die Antwort schuldig, das Verfahren scheiterte an der rechtsstaatlich nicht hinnehmbaren Vorbereitung. Nun muss das Gericht Maßstäbe erarbeiten, die Klarheit schaffen - so oder so.

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Der Antrag enthält gute Gründe für ein Verbot der Partei. Sie ist rassistisch, antisemitisch, demokratiefeindlich, von NS-Ideologie durchzogen. Aber ob dies in einer gefestigten Demokratie das Verbot einer marginalisierten Partei trägt - darauf muss das Verfassungsgericht eine neue Antwort finden. Die Parteiverbote der 50er-Jahre helfen nicht weiter, damals war die deutsche Demokratie noch ein zartes Pflänzchen. Heute, 70 Jahre nach Kriegsende, muss neu gedacht werden, auch wegen Europa. Karlsruhe ist dort einflussreich wie kein zweites Verfassungsgericht, es sollte auch die Wirkungen seines Urteils in der europäischen Peripherie bedenken. Dort gibt es Staaten, die ein zu dünn begründetes Verbot aus Karlsruhe nur allzu gern als Legitimation nutzen möchten, um gegen unliebsame Parteien vorzugehen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, zuständig auch für viele autoritäre Regime, hat strenge Voraussetzungen für Parteiverbote formuliert.

Es wird also eine schwierige Entscheidung - wichtig ist nur, dass sie getroffen wird. Die Debatte um das NPD-Verbot war zermürbend, aber zuletzt auch zunehmend differenziert: Der Bundesrat hat sich für einen Verbotsantrag entschieden, Regierung und Parlament dagegen. Eine zweite Karlsruher Nicht-Entscheidung haben Politik und Gesellschaft nicht verdient.

© SZ vom 18.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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