Mitten im Landkreis:Tierisch daneben

Vegane Bekleidung ist auf dem Vormarsch, meldet eine PR-Agentur. Klingt erst einmal erstaunlich, ist aber ein alter Hut

Von Gregor Schiegl

Wenn man bei Google nach Formulierungen wie "biss in sein Hemd" oder "biss in seine Hose" sucht, bekommt man kaum eine Handvoll Treffer. Daraus kann man mit einer gewissen Berechtigung schließen, dass der Verzehr von Kleidung keine sehr verbreitete Gepflogenheit darstellt. Warum man das überhaupt googelt? Solche Recherchen sind manchmal vonnöten, um die Relevanz von Pressemitteilungen einzuordnen, die Tag für Tag eine Redaktion überschwemmen.

Jüngst kam Post aus Hamburg. In einer zweiseitigen Mitteilung verkündete eine PR-Firma: "Die Nachfrage nach veganer Kleidung steigt." Vegan entwickle sich immer mehr von einem Trend zu einer ganzheitlichen Lebensweise, die nicht nur den Verzicht auf tierische Produkte in der Ernährung, sondern auch bei der Kleidung beinhalte. Wir behaupten ja, dass dieser Trend schon ein alter veganer Hut sei. Die gekrönten Häupter Europas haben ihre Hermelinmäntel bereits vor 200 Jahren gegen bürgerliche Baumwoll-Business-Suits eingetauscht, selbst die Indianer tragen heute lieber Goretex als Lederwams und Federschmuck. Aber natürlich verbleiben in einem Durchschnittshaushalt immer noch genügend Accessoires des Bösen: Gürtel aus echtem Leder zum Beispiel. Lernen wir denn nie dazu? Stolz verweist die Agentur auf eine "repräsentative Umfrage" im Auftrag des "veganmagazins": Danach gaben 75 Prozent der Befragten an, dass sie nicht wollten, dass Tiere für ihre Kleidung gequält und getötet werden. Und die anderen 25 Prozent? Die müssen wohl den "Hells Angels" angehören, die ein bisschen Horror in der Lederkluft ganz schick finden.

Aber das ist nur eine Vermutung, die Pressemitteilung gibt darüber leider keinen Aufschluss. Auch sonst wirkt sie bei aller Länge doch etwas dünn. Am Ende wird der Sprecher des Gesamtverbandes der deutschen Textil- und Modeindustrie zitiert: "Die bewusste Nachfrage nach Produkten, die garantiert keine tierischen Bestandteile haben, scheint leicht zu wachsen." Im Klartext: "Von eurem angeblichen Veganer-Hype merken wir eigentlich gar nix." In unserer flexitarischen Hinterwäldler-Redaktion würde man dazu wohl anmerken: "Dieser Nachricht fehlt es einfach am Fleisch."

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