EU gegen Schlepper:Wettbewerb um Brutalität

Die EU will Schlepper mit Militäreinsätzen bekämpfen. Nur wie? Kampfszenarien scheiden aus, niemand will in Libyen Krieg führen. Die Pläne dienen eigentlich nur der Abschreckung, die EU plustert sich auf.

Kommentar von Stefan Kornelius

Federica Mogherini ist aus ihrem Schattendasein als EU-Außenbeauftragte ausgebrochen und gibt plötzlich die markige Mittelmeer-Amazone. Ihr italienischer Hintergrund lässt vermuten, dass sie von Rom getrieben wird. Italien nimmt die meisten Flüchtlinge auf, es schickt die größte Zahl von Schiffen aufs Meer und verlangt deshalb mit Fug und Recht eine bessere Verteilung der Lasten. Außerdem möchte eine Mehrheit der EU-Staaten mit den Flüchtlingen nicht wirklich behelligt werden. Mogherini spricht in ihrem Sinne. Rechtfertigt all dies also einen Militäreinsatz gegen Schlepper, so wie ihn die Außenbeauftragte vorbereitet?

Wer Soldaten gegen Schlepper entsenden will, der muss zunächst bei der Wahrheit bleiben. Völlig irrig wäre die Vermutung, dass hier Schiffe beschossen würden, die Flüchtlinge transportieren. Absurd wäre außerdem ein Plan, mit Hilfe von Soldaten Schleuser an Land zu vertreiben und deren Boote - quasi am Strand - zu zerstören. Dafür gäbe es weder ein UN-Mandat noch Geschlossenheit innerhalb der EU. Libyen ist seit dem Staatszerfall verbotenes Terrain. Noch ein Blanko-Mandat wie bei der Vertreibung Gaddafis wird es nicht geben.

Bleibt also nur die Variante, dass Flüchtlingsboote in internationalen Gewässern versenkt werden, nachdem die Migranten in Sicherheit gebracht wurden. Dafür aber braucht es kein Palaver in Brüssel - das tut die Marine bereits, weil es ein Gebot der Sicherheit ist, führungslose Boote nicht auf dem Meer treiben zu lassen.

Die Abschreckungsbeauftragte der Europäischen Union

In Wahrheit ist Federica Mogherini also nicht die Außenministerin der Europäischen Union, sie ist die Abschreckungsbeauftragte. Vorbild für ihren Plan ist die Operation Atalanta - der EU-Marineeinsatz zur Abschreckung von Piraten im Golf von Aden. Der funktioniert ganz prächtig, seitdem die professionellen Kaperbanden verstanden haben, dass ihre Raubzüge mit hohem Risiko verbunden sind.

Allein: Dieses Vorbild taugt auch nicht so recht für das Schlepper-Unwesen. Deren Geschäft bleibt nach wie vor risikoarm. Sie kassieren, setzen Migranten in Boote und lassen im Zweifel ihre Steuermänner gefangen nehmen. Piraten rauben und erpressen, Schleuser spielen mit Menschenleben und dem Gebot zur Humanität. Sie sind am Ende erheblich skrupelloser, als die EU es jemals sein kann und will. Im Wettbewerb um Brutalität sind Schlepper nicht zu schlagen.

Bleibt für Mogherinis Tatenfreude nur eine Erklärung: Die EU soll sich aufplustern wie ein Truthahn, um möglichst martialisch zu erscheinen. Vielleicht spricht sich ja die Botschaft herum, und potenzielle Migranten werden rechtzeitig von ihrer Fluchtentscheidung abgebracht. Wirklich befriedigend ist diese Politik natürlich nicht - aber was bitte ist eine ideale Lösung in dieser so unperfekten Welt des Flüchtlingselends? Mogherini drückt aus, was eine Mehrheit in der Europäischen Union für geboten und praktikabel hält. Ein bisschen mehr Mühe hätte sie sich allerdings machen können.

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