Salzgitter:Besuch vom Staatsanwalt

Beim Stahlkonzern Salzgitter mehren sich die Durchsuchungen. Es geht um den Verdacht der Bestechung und der Steuerhinterziehung.

Von Kirsten Bialdiga, Düsseldorf

Der 10. März 2015 war beim Stahlkonzern Salzgitter einer dieser Tage, an denen der erweiterte Vorstand zu einer wichtigen Besprechung zusammenkommen sollte. Die Stühle waren zurechtgerückt, alles war vorbereitet. Doch der Raum blieb leer, die Sitzung konnte erst einige Stunden später beginnen. Denn wie erst jetzt bekannt wurde, ließen die Ermittler an jenem Tag im März erneut Teile des Konzerns durchsuchen.

Wieder einmal geht es bei Salzgitter um dubiose Provisionen: Zwei frühere Manager der Salzgitter-Tochter Mannesmann Großrohr stehen nach Auskunft der Staatsanwaltschaft Braunschweig unter dem Verdacht der Bestechung im geschäftlichen Verkehr. Sie sollen für illegale Provisionszahlungen in Höhe von mehreren Hunderttausend Euro verantwortlich sein. Die genauen Hintergründe sind noch unklar, näheren Aufschluss erhoffen sich die Ermittler von den vielen Aktenordnern und Unterlagen, die sie bei ihrer Razzia im März sicherstellten. An mehreren Orten durchkämmten die Beamten Büros, aber auch Privaträume. Es handele sich um länderübergreifende Ermittlungen, die auch eine Vielzahl weiterer nicht zum Salzgitter-Konzern gehörender Personen und Unternehmen betreffen, teilte Salzgitter dazu am Montag mit. Die beiden verdächtigen Salzgitter-Manager seien als Führungskräfte "zwischenzeitlich ausgeschieden", hieß es bei der Staatsanwaltschaft.

Schon im Frühjahr vergangenen Jahres hatte es eine Razzia gegeben

Einer der beiden Manager ist nach Informationen der Süddeutschen Zeitung allerdings im Konzern wieder in leitender Funktion tätig. Er musste laut Insidern Ende 2013 seine Führungsposition aus rein organisatorischen Gründen zwar vorübergehend aufgeben und rückte damals zurück ins Glied. Doch seit Anfang Mai arbeitet er als Geschäftsführer einer Tochtergesellschaft, wie aus seinen eigenen Angaben in einem sozialen Netzwerk im Internet hervorgeht. Salzgitter beruft sich auf die Unschuldsvermutung - es handele sich um einen kompetenten und erfahrenen Manager. Auch der andere Beschuldigte, ebenfalls ein Opfer des Konzernumbaus, erhielt ein Angebot von Salzgitter zur Weiterbeschäftigung. Er habe es aber ausgeschlagen, bestätigte Salzgitter.

Salzgitter AG

Es gibt auch gute Nachrichten: Das Geschäft läuft nach dem harten Sparkurs wieder besser - im Bild: verzinkte Feinblech-Coils im Hauptwerk Salzgitter.

(Foto: Holger Hollemann/dpa)

Bei Deutschlands zweitgrößtem Stahlkonzern gehen die Strafermittler inzwischen ein und aus. Schon im Frühjahr 2014 hatte es groß angelegte Razzien gegeben. Damals hatten sich die Fahnder neben Büros in der Konzernzentrale in Salzgitter auch eine Niederlassung der Handelstochter Salzgitter Mannesmann International und ebenfalls Privatwohnungen vorgeknöpft. Sie waren dem Verdacht nachgegangen, der Konzern könnte gegen Steuergesetze verstoßen haben und Beratern für die Anbahnung von Geschäften mit Nigeria und dem Iran zwischen 2005 und 2009 Provisionen von insgesamt mehr als 100 Millionen Euro gezahlt haben. Diese Ausgaben sollen in Steuererklärungen zumindest zum Teil fälschlicherweise als Betriebsausgaben deklariert worden sein. Salzgitter vertritt dagegen die Auffassung, sämtliche Zahlungen zutreffend behandelt zu haben. Der Konzern unterstütze die Ermittlungsbehörden von Beginn an, um "transparent und nachvollziehbar zur Aufklärung der Sachverhalte sowie ihrer steuerlichen Anerkennung beizutragen." Auch diese Ermittlungen dauern an. "Mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ist mit einer quantifizierbaren Steuernachforderung seitens der Finanzbehörden nicht zu rechnen", heißt es in einer Stellungnahme des Konzerns.

Das rege Interesse der Strafverfolger kann Salzgitter-Chef Heinz Jörg Fuhrmann nicht kalt lassen. Seit 2011 ist er Vorstandsvorsitzender, zuvor war er zehn Jahre lang Finanzchef. In den nächsten Wochen muss der Aufsichtsrat über seine Vertragsverlängerung entscheiden.

Immerhin läuft es im Tagesgeschäft zurzeit wieder besser. Dank eines von Fuhrmann verordneten Sparprogramms meisterte der niedersächsische Konzern mit gut neun Milliarden Euro Umsatz und 25 500 Beschäftigten die Krise. 2015 erwartet Fuhrmann wieder einen Vorsteuer-Gewinn. Die Entwicklung bei Salzgitter verfolgt auch die Landesregierung mit Interesse. Das Land Niedersachsen hält einen Anteil von 26,5 Prozent, der Landesfinanzminister sitzt im Aufsichtsrat.

Hauptversammlung Salzgitter AG

Heinz Jörg Fuhrmann, seit 2011 Vorstandschef von Salzgitter und dort zuvor zehn Jahre Finanzchef, ließ sich damals eine vorteilhafte Regelung genehmigen.

(Foto: Julian Stratenschulte/dpa)

Die Ermittlungen allerdings würden das Gesamtbild stören, meinen Insider. Doch Fuhrmann hat wenig zu befürchten. Nach eigenen Angaben ließ er sich bereits 2011 von den Kontrolleuren eine äußerst entgegenkommende Regelung genehmigen. Im online abrufbaren Geschäftsbericht 2014 heißt es auf Seite 39: "Herr Prof. Dr. Ing. Fuhrmann wird, falls er nach dem vollendeten 59. Lebensjahr auf Wunsch der Gesellschaft oder nach vollendetem 62. Lebensjahr auf eigenen Wunsch ausscheidet, so gestellt, als ob er das 65. Lebensjahr vollendet hätte." Noch in diesem Jahr wird Fuhrmann 59 Jahre alt.

Fuhrmanns Kollege Wolfgang Eging muss sich über den Zeitpunkt seines Ausscheidens hingegen keine Gedanken mehr machen. Er wird sich dem Vernehmen nach voraussichtlich Ende September in den Ruhestand verabschieden. Die Suche nach einem Nachfolger für den Röhrenchef laufe bisher in geordneten Bahnen, heißt es. Salzgitter will sich dazu nicht äußern. Hoffnungen kann sich nach SZ-Informationen Clemens Stewing machen. Er war früher Geschäftsführer bei Salzgitter Flachstahl und arbeitete zuletzt bei den Hüttenwerken Krupp-Mannesmann, einem Gemeinschaftsunternehmen von Salzgitter, Thyssen-Krupp und der französischen Vallourec in Duisburg. Aus seiner Zeit bei HKM sei er einiges Hin und Her gewohnt, heißt es. Die Erfahrungen könnten sich für ihn noch als nützlich erweisen.

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