Mietschulden:Wenn der Verlust der Wohnung droht

Mietvertrag für Wohnräume

Immer mehr Rentner in München haben Mietschulden - bei einigen droht sogar der Verlust der Wohnung.

(Foto: dpa)
  • 5600 Haushalte wurden 2014 in den Sozialbürgerhäusern wegen drohender Wohnungslosigkeit gemeldet. Darunter waren 499 Rentner-Haushalte.
  • In 233 Fällen konnte die Wohnung erhalten werden. In einigen Fällen bekommen die alten Menschen ein Darlehen, das sie in kleinen Raten abstottern müssen.
  • Politiker fordern eine Reform der Grundsicherung für die Rentner, da das Geld zum Leben in München nicht reiche.

Von Sven Loerzer

Etwa 500 Rentner-Haushalten in München drohte im vergangenen Jahr der Verlust der Wohnung, weil sie mit der Mietzahlung in Rückstand geraten waren. In knapp der Hälfte der Fälle konnte die Fachstelle zur Vermeidung von Wohnungslosigkeit im jeweiligen Sozialbürgerhaus helfen, dass den von einer Räumung bedrohten Menschen die Wohnung erhalten blieb. Dies geht aus der Antwort des Sozialreferats auf eine Anfrage der SPD-Stadträte Anne Hübner, Beatrix Zurek, Christian Müller und Verena Dietl hervor. Sie hatten umfassend Auskunft zur Verfahrensweise in den Sozialbürgerhäusern verlangt, nachdem die Süddeutsche Zeitung über eine 78-jährige Frau berichtet hatte, die trotz Einschaltung der Fachstelle beinahe ihre Wohnung verloren hätte.

Von den insgesamt 5600 Haushalten, die den Sozialbürgerhäusern im vergangenen Jahr wegen drohender Wohnungslosigkeit gemeldet wurden, waren 499 Rentner-Haushalte. Davon konnte in 233 Fällen die Wohnung erhalten werden, in 136 Fällen verloren die Betroffenen ihre Wohnung. In weiteren 130 Fällen wissen die Sozialbürgerhäuser nichts über den Ausgang, da der Kontakt von den Betroffenen abgebrochen wurde. In 74 Fällen, in denen eine Räumung abgewendet werden konnte, geschah dies mit finanzieller Hilfe der Fachstelle. Nur in 20 dieser Fälle erhielten die Rentner eine Beihilfe, um den Mietrückstand ausgleichen zu können. In 54 Fällen bekamen die betroffenen alten Menschen ein Darlehen, das sie in monatlichen Raten von 40 bis 50 Euro abstottern müssen.

Hilfe neben der Grundsicherung

Auch in dem Fall der 78-Jährigen, die mit ihrer Miete in Rückstand geraten war, weil ihr Untermieter seinen Anteil nicht bezahlte, wollte das Sozialbürgerhaus zunächst nur ein Darlehen gewähren. Sie bezieht Grundsicherung, weil ihre Rente nicht zum Leben reicht. Erst auf die Nachfrage der Süddeutschen Zeitung, ob es richtig sein kann, ihr auf Jahre hinaus den Lebensunterhalt zu kürzen, bekam die Frau den Betrag als einmalige Beihilfe. Die Entscheidung, ob es eine Beihilfe oder ein Darlehen gibt, wird nach Darstellung des Sozialreferats "im Ermessen unter Betrachtung der Gesamtsituation und Belastbarkeit des Haushalts getroffen".

Zahlen darüber, wie viele der mehr als 13 000 Bezieher von Grundsicherung im Alter Darlehen an die Stadt abstottern müssen, hat das Sozialreferat nicht. Ebenso wenig kann es Angaben dazu machen, in wie vielen Fällen nicht die gesamte Miete übernommen wird, weil die als angemessen geltende Grenze überschritten wird. Für die Betroffenen bedeutet dies, dass sie dann ihre Ausgaben für den Lebensunterhalt einschränken müssen.

Dass das Sozialreferat weder zu den Mietabsenkungsverfahren noch zu Grundsicherungsbeziehern mit gekürztem Regelsatz Zahlen nennen kann, hält die SPD-Stadträtin Anne Hübner für unbefriedigend. Denn dabei handle es sich um einen ganz erheblichen Eingriff in das zur Verfügung stehende Budget armer Menschen, das mit 420 Euro monatlich sowieso schon deutlich zu gering sei. Auch das Sozialreferat erachtet diese Regelsatzhöhe als "insbesondere in München nicht für ausreichend". Außerdem habe der Gesetzgeber einmalige Leistungen, wie sie früher in der Sozialhilfe möglich waren, abgeschafft.

Reform der Grundsicherung gefordert

"Da durch unterschiedliche Kürzungsmöglichkeiten bis zu 30 Prozent vom Regelsatz einbehalten werden können, lässt es der Gesetzgeber zu, dass es Rentner gibt, die von weniger als 300 Euro im Monat leben müssen", kritisiert Anne Hübner. "Ein menschenwürdiges Leben ist so gar nicht möglich." Deshalb sollten Darlehensrückzahlungen auf die Fälle beschränkt bleiben, in denen Menschen wiederholt und vorsätzlich Schulden verursachen. Erstmalige Mietschulden sollten auf jeden Fall regelmäßig als Beihilfe übernommen werden und nicht, wie derzeit in 75 Prozent der Münchner Fälle, als Darlehen.

Die SPD-Stadträtin spricht sich aber auch dafür aus, die Grundsicherung im Alter zu reformieren. "Selbst mit 1000 Euro Rente ist man in München, sofern man kein Vermögen hat, in der Grundsicherung", sagt Hübner. "Ein Leben voller Arbeit endet so in der Sozialhilfe." Ihre Parteifreundin, Arbeitsministerin Andrea Nahles, sei hier gefordert, "einer wachsenden Zahl alter, armer Menschen endlich ein menschenwürdiges und ihrer Lebensleistung entsprechendes Auskommen zu ermöglichen".

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