Unterwegs:Hilfsteufel in der Waschanlage

Wem der Alltag langweilig ist, sollte mal in eine Waschanlage fahren. Gruselig. Die reinste Geisterbahn.

Von Richard Christian Kähler

"Fahr in die große Waschanlage an der Soundsostraße", sagt die Gattin fürsorglich, "da kann man danach oben auf dem Parkhausdach kostenlos saugen. Und die Fußmattensaubermachmaschine ist super!" - Und da es ihr Wagen ist, der für den TÜV doch bitte gesäubert werden soll, tue ich, was ich mit meinem Vintage- Roadster britischer Abstammung, einer Art Gokart mit hauchdünner Zeltplane oben drüber, selbst noch nie gewagt habe.

Und wirklich, kaum habe ich durchs Autofenster freundlich meinen Obolus entrichtet, hat ein Tor sich geöffnet und ein Laufband die Räder ergriffen. Da fühle ich mich sogar hier im absolut wasserdichten Golf plötzlich wieder wie das ahnungslose, aufgeregte Kind, das zum allerersten Mal in einer offenen Gondel sitzt am Start in einer angeblich supergruseligen Geisterbahn.

Es ist tatsächlich gespenstisch: Plötzlich wird es ganz schwummrig vor den Scheiben, dann schlagen tausend rotierende Minipeitschen erbarmungslos auf das arme Sünderauto ein. Zu allem Überfluss verdüstert violettes Licht die Szene, und dann taucht hinter dieser ersten Vorbürstenhölle plötzlich ein Hilfsteufel mit Dreizackspieß auf. Beziehungsweise ein armer Niedrigstlohnjobber mit Dampfstrahllanze, der uns die Restsünden abspült. Weiter geht die Geisterfahrt dann durch krakenarmig über das Auto hinwuselnde Lappenstreifen und Verwirrmuster aus Wasserwellen und Regenkreisen, zum fieserweise noch mal Falsche-Hoffnung-Machen diesmal beleuchtet in heiterem Himmelblau. Doch hinter dem nächsten Automatiktor lauert dann der Vollhorror in Höllenfeuerrot und der Herr des Bösen persönlich!

Aber es sind nur futuristische Haarföhne, die einen von allen Seiten und hier ja vielleicht sogar von unten trocken blasen, drei bange Sekunden noch, bis das letzte Tor sich erhebt und die erleichternde Sicht freigibt auf echtblauen Himmel, ehrlichen Beton und eine Reihe Autobuchten. Sogar die Außenspiegel sind noch dran. Und die Fußmattensaubermachmaschine? Ich sag's Ihnen: eine Wucht.

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