Infektionskrankheiten:Was Ebola lehrt

Alexander Kekule

Alexander Kekulé, 56, ist Direktor des Instituts für Biologische Sicherheitsforschung in Halle (Saale). Im September 2014 legte er für die Schutzkommission der Bundesregierung ein Konzept zur Bekämpfung der Ebola-Epidemie vor.

(Foto: privat)

Seuchen aus Afrika können die ganze Menschheit bedrohen. Nur die G-7-Staaten haben die Mittel dagegen. Denn die WHO leidet unter personeller Führungsschwäche, Machtkämpfen und dem Schwund von Fachwissen.

Ein Gastbeitrag von Alexander S. Kekulé

Die Ebola-Epidemie in Westafrika war furchtbar. Sie forderte mindestens 11 000 Tote und brachte Staaten wie Guinea, Liberia und Sierra Leone an den Rand des Zusammenbruchs. Dennoch hat die Menschheit noch Glück gehabt: Ebola wird nur durch direkten Kontakt übertragen und ist vor dem Auftreten der Symptome nicht ansteckend. Ein Virus mit einer nur geringfügig höheren Ansteckungsfähigkeit hätte binnen weniger Wochen die ganze Welt bedroht. Die internationale Hilfe kam zu spät und war größtenteils ineffektiv, darin sind sich die Fachleute im Nachhinein einig. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) verkannte lange das Ausmaß der Katastrophe und war dann auch nicht in der Lage, die Hilfe zu koordinieren.

Jetzt steht der Schutz vor Seuchen auf der Tagesordnung des G-7-Gipfels, der Anfang Juni im oberbayerischen Schloss Elmau stattfindet. Einige Experten fordern, vor allem die WHO mit mehr Geld und Autorität auszustatten. Doch die Gesundheitsorganisation der Vereinten Nationen leidet seit einem Jahrzehnt unter personeller Führungsschwäche, Machtkämpfen unter den Mitgliedsstaaten und dem Schwund fachlicher Expertise.

Sie ist auch von ihrer Struktur her nicht geeignet, Hilfe beim Ausbruch von Seuchen zu koordinieren. Statt noch mehr Geld im politischen Sumpf der WHO versickern zu lassen, sollte die G 7 fünf Maßnahmen beschließen, die den Schutz der Menschheit vor Epidemien entscheidend verbessern können.

Dringend notwendig ist, erstens, die Integration des Seuchenschutzes in die reguläre Entwicklungshilfe. Nahezu jeder Bereich, vom Bildungswesen über die medizinische und technische Infrastruktur bis zur Landwirtschaft, kann auch zum Schutz vor dem Ausbruch von Krankheiten beitragen. So können, mit überschaubarem Aufwand, die Hygiene und die einschlägigen Kenntnisse in der Bevölkerung erheblich verbessert werden.

Die Welt braucht, zweitens, ein Frühwarnsystem für neu aufkommende Erreger. Gefährliche Viren stammen fast immer aus dem Tierreich: Die Spanische Grippe kam von Vögeln, Aids von Schimpansen und Ebola wahrscheinlich von Fledertieren. Mit einfachen Laborgeräten und einem Mobiltelefon ausgestattet, könnten Krankenstationen in gefährdeten Regionen als Sensoren eines globalen Überwachungssystems fungieren. Nach dem großen Tsunami von 2004 wurde ein seismografisches Frühwarnsystem im Indischen Ozean eingerichtet. Ebola in Westafrika zeigt, dass wir für tödliche Seuchenerreger noch keine Alarmglocken haben.

Die WHO ist nicht in der Lage, bei Epidemien die Hilfe zu koordinieren

Drittens sollte bei den Vereinten Nationen eine Medizinische Interventionseinheit geschaffen werden, die beim Ausbruch von Krankheiten Gegenmaßnahmen koordiniert und auch selbst qualifizierte Helfer entsenden kann. So würde sich anbieten, die UN-Mission für Ebolahilfe (UNMEER) zu erweitern und als permanente Einrichtung weiterzuführen. Die freiwilligen Helfer könnten in nationalen Pools ausgebildet und bei Bedarf von den UN angefordert werden. Mein bereits im September 2014 vorgelegter Vorschlag für so eine humanitäre Eingreiftruppe zielt insbesondere auf die effektive Isolierung und Behandlung der Infizierten ab. Bei dem Ebola-Ausbruch in Westafrika bestätigte sich, dass Aufklärung der Bevölkerung und Isolierung der Erkrankten die wichtigsten Maßnahmen zur Eindämmung von Epidemien sind. Beides funktioniert aber nur, wenn die ausländischen Helfer auch eine Chance auf Heilung anbieten können. In Westafrika waren die wenigen Behandlungszentren überlastet und oft nicht einmal in der Lage, Infusionen und andere einfache Therapien zu verabreichen. Viele Kranke blieben deshalb zu Hause, wo sie weitere Menschen ansteckten.

Der vierte Vorschlag wurde bereits 2013 auf dem Sondergipfel der Afrikanischen Union in Nigeria formuliert: Afrika benötigt eine eigene Seuchenbehörde nach dem Vorbild der Centers for Disease Control and Prevention (CDC) der Vereinigten Staaten. Ähnliche Einrichtungen gibt es mittlerweile fast auf jedem Kontinent. Doch während etwa in Europa das ECDC und in China das CCDC gegen Infektionskrankheiten kämpfen, hat ausgerechnet Afrika, wo die gefährlichsten Krankheitserreger mit den schlechtesten Gesundheitssystemen der Welt zusammentreffen, keine eigene Seuchenbehörde. Die Schaffung eines "ACDC" für Afrika, mit hochkarätigen Wissenschaftlern und gut ausgestatteten Labors, ist also überfällig.

Der fünfte Vorschlag betrifft die Finanzierung. Die Weltbank entwickelt derzeit ein neues Finanzinstrument, um Entwicklungsländern im Falle eines Krankheitsausbruchs zu helfen. Diese "Pandemic Emergency Facility" (PEF) soll jedoch, nach Art einer Versicherung, nur im Schadensfall eintreten und keine Prävention unterstützen. Als Ergänzung zur PEF ist deshalb ein Seuchenpräventions-Fonds erforderlich, aus dem die hier vorgeschlagenen Maßnahmen zur Vermeidung und Früherkennung von Epidemien sowie zur Vorhaltung von Labors, Helfern und Ausrüstung finanziert werden.

Ohne massive Unterstützung der G 7 ist zu fürchten, dass die derzeitigen Bestrebungen für einen globalen Seuchenschutz versanden. Die WHO hängt finanziell und politisch vom Wohlwollen ihrer 194 Mitgliedsstaaten ab, die sich in verschiedene Interessenslager gespalten haben und Reformen blockieren. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon ist mit der Gründung von UNMEER, der ersten Gesundheitsmission außerhalb der WHO in der Geschichte der UN, einen richtigen und mutigen Schritt gegangen. Doch ohne einflussreiche und zahlungskräftige Unterstützer wird er den globalen Seuchen-Notdienst nicht zu einer Dauereinrichtung machen können.

Das G 7-Format ist deshalb so erfolgreich, weil die Staats- und Regierungschefs schnell und unbürokratisch auf Probleme reagieren können, bei denen alle Teilnehmer im selben Boot sitzen. Das war schon so bei den Währungs- und Ölkrisen der 1970er-Jahre und der Bankenkrise nach 2007, und es gilt auch für neuere Themen wie Sicherheit, Bevölkerungsentwicklung und Klima. Seit dem Ebola-Ausbruch in Westafrika ist klar, dass auch tödliche Seuchen globale Bedrohungen darstellen, auf die nur die G 7 angemessen reagieren kann. Niemand sonst verfügt über die erforderlichen technischen Möglichkeiten für den Kampf dagegen.

Im Zeitalter des globalen Reise- und Warenverkehrs kann ein entlegener Seuchenherd die ganze Menschheit bedrohen: Aus Sicht der Spezies Homo sapiens ist die Bekämpfung von Krankheitsausbrüchen in Entwicklungsländern das wichtigste Thema des bevorstehenden Gipfels.

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