Stilkolumne Anziehsache:Ende der Stretch-Misere

Schlaghosen - der Trend - das Come Back 2015

Hippies, tanz! Die Schlaghose ist zurück.

(Foto: Illustration: Jessy Asmus / SZ.de)

Die Schlaghose ist das ideale Kleidungsstück für alle mit Orangenhaut an den Beinen und Hippietum im Herzen. Endlich ist sie zurück.

Von Lena Jakat

Die Romantik bekam einen Sprung, als mir die Frau mit dem mitleidigen Blick die Münze hinhielt. Oder genauer: eine Sekunde später, nachdem ich ihre Geste verstanden hatte. "Almosen, für mich?!" Ich saß in der Fußgängerzone auf dem Boden, trug einen Schlapphut - und diese Hose. Eine Jeans, in die unterhalb des Knies seitlich rotkarierte Stoffkeile (Grunge!) eingenäht waren, sodass die Hosenbeine immer weiter werden. Meine Schlaghose, meine Hippieuniform.

Kolumne Anziehsache

In ihrer Stilkolumne widmet sich unsere Autorin regelmäßig einer aktuellen Auffälligkeit aus der Modewelt - von A wie Adilette bis Z wie Zebraprint. Haben Sie eine Anregung? Dann schreiben Sie ihr!

Ich war 16, hörte Janis Joplin auf einem schon damals veralteten Walkman. Ich war überzeugt davon, für was auch immer für eine Revolution zu spät geboren zu sein, meinen Idealismus an die falsche Zeit zu verschwenden. Diese eindeutige Botschaft sprach meine Schlaghose. Dachte ich, bis mir die Frau die Münze hinhielt. Plötzlich ist die Hose nur noch ein schnödes Kleidungsstück im Sommer 2001.

Dieses Kleidungsstück ist jetzt zurück - auf Laufstegen, in Magazinen und Klamottenläden. Als Jeans, als edle Stoffvariante oder als buntes Flatterding, aber immer: mit Schlag.

Die Jahre nach meinem persönlichen Hippie-Gau gehörten ganz überwiegend der Skinny Jeans. Hosen, die ein bisschen verwegen durch die Gegend wehten, gingen gar nicht mehr. Stattdessen quetschte und zwängte alle Welt ihre Oberschenkel in hautenge Jeans, egal ob skinny geformt oder von solider Orangenhautqualität. Nur eine enge Hose war eine gute Hose. An die gemischten Gefühle beim Betrachten im Umkleidespiegel haben wir uns unter Schmerzen gewöhnt.

Und da, mitten in der ganzen Stretch-Misere, kommt die Schlaghose zurück und mit ihr das Versprechen besserer Zeiten. Diesmal geht es nicht um die Vergangenheit, sondern um die Zukunft. Die ausgestellten Hosen verheißen einen Sommer voller wohlgeformter Beine. Beine, die sich so mühelos und entspannt durch die versmogte Stadt bewegen, als würden sie barfuß durch San Francisco tanzen. In den Gesichtern, die über den Beinen schweben: nichts als Lächeln. Love, Peace, Happiness. Der Himmel voller Lagerfeuergitarren. Mein Finger zuckt an der Maus, als ich beim Surfen im Onlineshop auf einen dieser Plastikblumenhaarreifen stoße.

Die Schlaghose

Richtig kombiniert, kann die Schlaghose mehr als nur Hippie sein.

(Foto: Illustration: Jessy Asmus / SZ.de)

Doch halt! Schon wieder dieser romantische Hippiequark - nichts als Realitätsflucht! Dabei können Schlaghosen, zumindest in ihrer aktuellen Reinkarnation, so viel mehr sein als Abba-Memorabilien. Als Stoffhose in Schwarz, Dunkelblau oder Camel kann sie - entsprechend kombiniert - sogar richtig streng wirken. Fragen Sie mal Ihren Blazer oder den Rollkragenpullover: Mit dieser Hose ist nicht zu spaßen!

Frauen, die kleiner sind als 1,70 Meter, zwingt die Schlaghose abseits der Festivalwiese ohnehin zu einer gewissen Eleganz. Denn in ihrer vollen schmeichelhaften Wirkung entfalten sich die weiten Hosenbeine erst mit darunter versteckten Absatzschuhen. Spätestens, wenn unter dem Saum die Spitze eines Stilettos hervorblitzt, sind tanzende Blumenkinder und Almosen nur noch Geschichte. Das ist cleaner Chic. Erwachsenenkleidung mit einer Ahnung 70er.

Ich werde die Gelegenheit nutzen und mein altes Trauma modetherapeutisch behandeln. Die Schlaghose kriegt bei mir noch eine Chance. Diesen Sommer wird getanzt.

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