Verkehrstechnik:Flugzeug ohne Piloten

American Airlines plane lands at sunset

Technisch wäre der Umstieg auf digitale Piloten schon möglich, doch die Umsetzung wäre sehr aufwendig.

(Foto: dpa)

Digitale Piloten oder Lokführer werden nie müde, sind reaktionsschnell und streiken nicht. Technisch wäre der Umstieg schon lange möglich. Doch es gibt Fälle, in denen der Mensch der Maschine überlegen ist.

Von Andrea Hoferichter

Von oben, aus der Kanzel eines Kampfjets, sieht ein Flugzeugträger winzig aus, wie ein im Meer treibendes Stück Autobahn. Hier zu landen, gilt als Königsdisziplin der Piloten. Doch auch ein computergestütztes Arrangement aus Kameras, Radar und Sensoren beherrscht das Manöver - und das schon seit mehr als 20 Jahren. "Als ich zum ersten Mal gesehen habe, wie eine F-18 vollautomatisch landet, war mir klar, dass mein Job ein Auslaufmodell ist", sagt Mary Cummings, ehemals Pilotin der U.S. Navy und heute Forscherin am Massachusetts Institute of Technology (MIT).

Tatsächlich sind unbemannte Flugzeuge im Militär längst Realität, von ferngesteuerten paketkleinen Drohnen bis zum Global Hawk, einer Aufklärungsdrohne so groß wie ein Lastwagen. Die Maschine kann sogar völlig autonom fliegen.

Die Technik ist schon lange reif für den Umstieg

"Reißt der satellitengestützte Kontakt zur Bodenstation ab, geht sie in eine Art Selbstreparaturmodus, probiert ein zweites Funkgerät, kontrolliert die Sicherungen und so weiter. Und wenn das alles nichts hilft, fliegt sie entlang vorgegebener Streckenpunkte und landet selbständig mit GPS und Radar", erklärt Cummings. Die Maschine weicht auch aus, wenn andere Flugzeuge oder Vögel ihren Weg kreuzen könnten.

Rein technisch gesehen spricht Cummings zufolge nichts dagegen, voll automatisierte Flugzeuge auch in der zivilen Luftfahrt einzusetzen. Schon heute würden Passagierflugzeuge die meiste Zeit vom Autopilot gesteuert. Nur ein paar Minuten pro Flug legen die Piloten im Cockpit wirklich Hand an, selbst auf einem Langstreckenflug. Die restliche Zeit sind sie für die Kommunikation mit den Bodenstationen und für die Kontrolle zuständig, und sie müssen vor allem aufmerksam bleiben. "Es ist ein bisschen wie Babysitten", sagt die Forscherin.

Stefan Levedag vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Braunschweig bestätigt, dass die Technik schon lange reif für den Umstieg ist. "Wir hatten vor 15 Jahren einen voll automatisierten Testflug von Braunschweig nach Ingolstadt. Das funktionierte reibungslos. Nur zur Sicherheit saß noch ein Pilot drin", erzählt er. Allerdings seien die Sicherheitsanforderungen im zivilen Luftraum um Größenordnungen strenger als in militärischem Sperrgebiet. Sie zu erfüllen, koste eine Menge Geld. "Wenn es in der zivilen Luftfahrt überhaupt irgendwann Flugzeuge ohne Piloten geben wird, dann erst einmal im Frachtverkehr", schätzt er.

Pilot lenkt vom Büro aus

Für das zweite Szenario, nämlich Verkehrsflugzeuge wie Drohnen ausschließlich vom Boden aus zu steuern, fehlt zurzeit noch Bandbreite für die Datenübertragung. Schließlich müssten die Frequenzen mit Handy- und Internetnutzern geteilt werden. Auch wirtschaftlich hätte diese Lösung kaum Vorteile, denn der Pilot müsste trotzdem bezahlt werden, auch wenn er statt im Flieger in einer Kommandozentrale am Boden sitzt.

Auf der Schiene hingegen hat der Computer den Passagierverkehr schon in Teilen erobert, etwa in den U-Bahnen vieler Weltmetropolen und auf Flughäfen, wo sogenannte People Mover die Passagiere von Terminal zu Terminal bringen. Auch in Nürnberg fahren drei U-Bahn-Linien lokführerfrei durch die Tunnel.

Fraglich ist, wie sich Störungen durch Menschen oder Tiere vermeiden lassen

"Die größten Vorteile für die Passagiere sind eine schnellere Taktung und eine hohe Flexibilität", sagt Karsten Lemmer vom DLR, wo auch bodengebundene Verkehrsmittel erforscht werden. So fährt in Nürnberg zu den Hauptverkehrszeiten alle anderthalb bis zwei Minuten ein Zug. Der Betreiber kann schnell und ohne zusätzliche Personalkosten bei Bedarf Zusatzfahrzeuge bereitstellen.

"Die dafür erforderliche Technik ist kein Hexenwerk", betont Lemmer. Die Datenübertragung zwischen Leitzentrale und den Rechnern in der Bahn funktioniert per Induktion über zwei Kabel, die im Gleis liegen. Um zu verhindern, dass Menschen auf die Gleise geraten, schirmen an vielen Bahnsteigen Glasscheiben den Gleisbereich ab, oder die Schienen werden, wie in Nürnberg, von Kameras und Hochfrequenz-Transpondern überwacht, die Alarm schlagen, wenn etwas im Gleis liegt, das größer als 30 Zentimeter ist. Dann wird der Zug gestoppt.

"U-Bahnen sind allerdings geschlossene Systeme und deshalb recht einfach beherrschbar. Auf freier Strecke sieht das schon anders aus", räumt der Ingenieur ein. Der Umstieg wäre teuer, gut 33 000 Kilometer Gleise und die Züge müssten umgerüstet werden. Für manche Punkte fehlt auch noch die technische Lösung.

Bei einer Signalstörung zum Beispiel kann ein Lokführer die kritische Strecke nach vorgegebenen Regeln langsam und auf Sicht befahren. Einen automatisierten Zug dagegen müsste man stoppen. "Unter Sicherheitsaspekten ist das völlig unproblematisch, aber die Menschen wollen ja nicht nur sicher unterwegs sein, sondern sie wollen eben auch unterwegs sein", sagt Lemmer.

Fraglich ist auch, wie sich Störungen durch Menschen oder Tiere vermeiden lassen. Markus Hecht von der Technischen Universität Berlin fordert schon seit Jahren durchgreifende Lösungen. "Die Strecken sollten eingezäunt werden, wie es in Frankreich oder Norwegen längst Realität ist. Und Bahnübergänge gehören abgeschafft", sagt er. Tunnel und Brücken seien sicherer. "Die Politik müsste solche Entwicklungen mit viel mehr Engagement fördern. Dann wäre ein vollautomatischer und streikfreier Betrieb auf allen Strecken in fünf Jahren umsetzbar. Man muss es nur wollen", sagt der Bahnforscher.

Führerlose U-Bahn, eine Freude für Kinder

Zurzeit sieht es allerdings nicht danach aus, dass voll automatisierte Bahnen schon bald das ganze Land durchkreuzen. "Die Bahn prüft die Option gerade, es gibt aber keine konkreten Pläne", heißt es aus der Pressestelle. Auch Sicherheitsbedenken der Fahrgäste sprächen dagegen. Die Erfahrungen mit den fahrerlosen U-Bahnen zum Beispiel in Nürnberg deuten allerdings nicht auf größere Berührungsängste hin.

Nur eine Gruppe Senioren äußerte beim Start vor sieben Jahren in der lokalen Presse Kritik. Seither habe es aber keine Beschwerden gegeben, und die Fahrgastzahlen seien nicht gesunken, berichtet eine Pressesprecherin des Betreibers VAG. Vor allem Kinder seien regelrecht begeistert, wenn sie vorne rausgucken können.

Die Statistik spricht noch nicht eindeutig für die Technik

Im Flugverkehr gibt es zu möglichen Akzeptanzproblemen noch keine Erfahrungswerte. Die MIT-Forscherin Cummings glaubt allerdings nicht, dass die Passagiere gerne in einen pilotenfreien Flieger steigen und allein auf die Technik vertrauen würden. Glaubt man den Statistiken, sind solche Ängste allerdings irrational.

"Rund 80 Prozent der Flugunfälle werden durch sogenannte menschliche Faktoren verursacht", berichtet Henning Butz, ehemaliger Airbus-Ingenieur und heute als selbständiger Berater tätig. Dabei handele es sich keinesfalls immer um Pilotenfehler. Unzureichende Ausbildung oder zu wenig Training seien oft die Ursachen. Verwirrende Anzeigen oder Systemmeldungen könnten Fehlreaktionen zur Folge haben.

Die Statistik würde allerdings nicht so eindeutig die Technik favorisieren, sagt der DLR-Ingenieur Levedag, wenn sie auch jene Fälle erfasste, in denen Piloten Flugzeuge gerettet haben. "Die Notlandung auf dem New Yorker Hudson River vor zwei Jahren zum Beispiel hätte ein Computer allein nicht hinbekommen", betont er. Selbst wenn die Technik komplett ausfalle, könne ein guter Pilot eine Maschine in einigen Fällen noch sicher landen.

Auch aus solchen Gründen wird diskutiert, erst einmal nur den Copiloten zu ersetzen. Diese Variante favorisiert zum Beispiel die Forschungsagentur des US-amerikanischen Verteidigungsministeriums Darpa. Das mobile Gerät soll sprechen können, im Notfall einen ganzen Flug und auch Systemfehler selbständig managen. Dass er abgeschaltet wird, ließe sich in der Software einfach verhindern. "Wenn der hauptamtliche Pilot ausfällt, hätte man faktisch schon den Fall eines unbemannten Cockpits", sagt Butz.

Fraglos hat der hohe Automatisierungsgrad im Cockpit das Fliegen schon heute sicherer gemacht. Bisweilen führt die technische Perfektion sogar schon zu unerwünschten Nebenwirkungen, zum Beispiel zu Dellen im Asphalt, wie Erfahrungen am nebelgeplagten Flughafen Bristol in Großbritannien zeigen. "Hier landen die Flugzeuge wetterbedingt fast immer voll automatisiert", berichtet Butz, "und damit ziemlich genau an der gleichen Stelle".

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