Mögliche Zerstörung durch den IS:Mossul, Hatra, Nimrud - und jetzt Palmyra

Mögliche Zerstörung durch den IS: Das Theater von Palmyra zu Friedenszeiten

Das Theater von Palmyra zu Friedenszeiten

(Foto: High Contrast / CC-by-sa-3.0)
  • Der Ruinenstadt Palmyra droht derzeit die Zerstörung durch den IS - historische Stätten wie Hatra und Nimrud hat die Terrororganisation bereits verwüstet.
  • Palmyra liegt liegt mitten in der Syrischen Wüste und war bereits vor mehr als 3000 Jahren ein wichtiger Ort für Reisende und Händler. Einst war es eine bedeutende, reiche Metropole.
  • Die Ruinen sind bis heute sehr gut erhalten.

Von Markus C. Schulte von Drach

Palmyra ist nicht nur eines der schönsten Zeugnisse der menschlichen Kulturgeschichte und gilt für Archäologen wie Stefan Hauser von der Universität Konstanz überhaupt als "eine der phantastischsten Ruinen der Welt". Sie hat darüber hinaus auch ihre eigene, ganz besondere Bedeutung: Sie ist der Beleg der Verschmelzung zweier antiker Kulturen: Der westlichen Kultur Roms und der orientalischen Kultur der Palmyrener. Umso tragischer, dass sie vielen Menschen ausgerechnet durch die drohende Zerstörung durch die Fundamentalisten des sogenannten "Islamischen Staates" erst bekannt wird.

Kämpfer des selbst ernannten Kalifen Abu Bakr al Bagdadi haben die syrische Stadt Tadmur (Palmyra) offenbar weitgehend erobert, die Regierungstruppen mussten sich zurückziehen. Nun droht den eindrucksvollen Überresten der antiken Stadt Palmyra das gleiche Schicksal wie den ebenfalls jahrtausendealten historischen Stätten Nimrud und Hatra sowie dem Museum in Mossul im Irak. Mit Bulldozern und Sprengstoff verwüsteten die Terroristen die Zeugnisse irakischer Geschichte. Als hätte der Krieg nicht schon genug Zerstörung angerichtet in den historisch bedeutsamen Orten und Städten wie Aleppo und Damaskus.

Eine bedeutende, reiche Metropole

Palmyra liegt 160 Kilometer östlich von Homs mitten in der Syrischen Wüste, an der wichtigsten Verbindungsstraße zwischen Damaskus und dem Osten des Landes. Die Oasenstadt war bereits vor mehr als 3000 Jahren ein wichtiger Stopp für Nomaden, Reisende und Händler. Ab dem ersten Jahrhundert vor Christus entstand hier eine reiche Metropole, die eine bedeutende Rolle im Fernhandel zwischen Ost und West spielte.

Viele der Stoffe und Gewürze, die aus Persien und sogar aus Indien und China in den Nahen Osten und bis nach Europa gelangten, kamen auch über Palmyra. Andere Güter fanden ihren Weg über die Stadt in Richtung Asien. Der Handel machte die Stadt wohlhabend. Und lange Zeit blieb sie von den Folgen von Kriegen und Eroberungen in der Region weitgehend verschont. Zu groß war ihre Bedeutung für den Handel aller Parteien.

Lange Zeit verband Palmyra das Reich der Römer im Westen und das der Parther im Osten. Insbesondere seit dem zweiten Jahrhundert nach Christus gewann die antike römische Kultur immer mehr Einfluss.

Im dritten Jahrhundert gelang es den Palmyrenern nicht nur, die angreifenden Perser zurückzudrängen, sondern auch große Teile des Zweistromlandes zu erobern und unter der Königin Zenobia sogar die römische Provinz Ägypten zu besetzen. Im Konflikt mit den Römern ließ Zenobia ihren Sohn gar zum Kaiser ausrufen.

Nach dem Sieg der Römer über die Palmyrener wurde die Stadt dann Standort des römischen Militärs und später Bischofssitz. In den folgenden Jahrhunderten und insbesondere nach der Eroberung durch muslimische Araber im siebten Jahrhundert verlor sie langsam ihre Bedeutung und geriet im Westen in Vergessenheit. Bis eine englische Expedition im 18. Jahrhundert sie besuchte. Deren Teilnehmer fertigten Bilder von den Ruinen an, die großen Einfluss auf die klassizistische Architektur hatten.

Ein Ort, von dem man viel lernen kann

Die ganz besondere Bedeutung Palmyras besteht heute darin, dass ihre Überreste sehr gut erhalten sind. Von etlichen imposanten Gebäuden, Tempeln und Triumphbögen aus den ersten drei Jahrhunderten unserer Zeitrechnung stehen noch große Teile. "Es ist, als ob die Stadt von gestern noch stehen würde, bloß die Dächer fehlen", hat es jüngst Kay Kohlmeyer, Archäologe an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin, im Deutschlandfunk beschrieben. Palmyra sei nicht nur ein unersetzlicher Schatz für Syrien, sondern für die ganze Welt, sagte Unesco-Generalsekretärin Irina Bokova.

Dazu kommt, dass Palmyra nach Rom den größten Fundus an römischen Porträts bietet, die auch noch mit Namen versehen sind. So war es dem Team von Stefan Hauser möglich, sogar Verwandtschaftsbeziehungen in der antiken Stadt zu analysieren. Sollten die Gräber der Stadt geplündert werden, wie zu befürchten ist, so wäre es mit dieser einzigartigen Forschungsmöglichkeit vorbei.

Die historische Stätte steht darüber hinaus für die Verschmelzung westlicher und östlicher Kultur sowie das Nebeneinander verschiedener Religionen. Ursprünglich gegründet von aramäischen Nomaden, lebten dort lange Zeit Angehörige verschiedener einheimischer Stämme, Römer, Araber, vielleicht auch Juden. Die Tempel waren nicht nur römischen Gottheiten gewidmet, sondern etwa auch einer altarabischen Göttin.

Andreas Schmidt-Colinet von der Universität Wien, der 30 Jahre lang in Palmyra geforscht hat, bezeichnete die Stadt in der Zeit deshalb als Sinnbild gelungener Multikulturalität. "Von einem solchen Ort können wir viel lernen, gerade heute."

Dieses Ziel verfolgen Terroristen des Islamischen Staates jedoch nicht. Sie sind überzeugt, alles, was für eine Gesellschaft relevant sein darf, wurde bereits zur Zeit Mohammeds und der ersten Generationen seiner Anhänger geklärt. Kulturelle und gesellschaftliche Entwicklungen davor und danach konnten und können demnach nur in die Irre führen und gelten als verwerflich. Was als Kultstätten interpretiert werden kann, ist für sie ein Zeichen des Götzendienstes - und muss schon deshalb zerstört werden.

Die Vernichtung der historischen Stätten kann zugleich als Angriff auf die Identität der Iraker und Syrer, als Araber, als Schiiten und gemäßigte Sunniten interpretiert werden: Alles, was auf die Bedeutung anderer, auch früherer bedeutender Kulturen hinweist, stellt durch seine schiere Existenz den Anspruch der Eroberer in Frage, über die einzig wahre und reine Lehre zu verfügen. Deshalb ist der Versuch der islamistischen Terroristen, der Welt ihre absolute Macht zu demonstrieren, eigentlich ein Zeichen der Schwäche - genau wie es die Bilderstürme und Bücherverbrennungen der Vergangenheit waren.

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