Dennis Schröder in Atlanta:Zu gut, um ignoriert zu werden

Atlanta Hawks at Washington Wizards

Überall respektiert: Dennis Schröder (vorne), hier gegen die Washington Wizards.

(Foto: dpa)
  • Der Deutsche Dennis Schröder wird in der US-Basketballliga NBA mittlerweile von allen respektiert.
  • Im Conference-Finale gegen die Cleveland Cavaliers darf der Aufbauspieler vielleicht sogar gegen LeBron James verteidigen.
  • Er profitiert sehr von der Beziehung zu seinem Trainer, Mike Budenholzer.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Es geht bei der Geschichte um den Überflieger Ikarus nur ganz selten auch um Daidalos. Klar wird erwähnt, dass er seinem Sohn vor der Abreise die geeignete Flughöhe einzutrichtern versucht. Doch dann wird nur noch von Hochmut und Absturz und Tod berichtet. Der geneigte Leser fragt sich: Hätte Daidalos nicht während des Fluges eingreifen müssen, hätte er nicht neben Ikarus fliegen und ihm weiter Ratschläge geben sollen?

Dennis Schröder scheint so einen Menschen gefunden zu haben. Wer dem Aufbauspieler der Atlanta Hawks zuhört, dem fällt auf, dass der ein paar Lieblingsbegriffe hat: "Mein Spiel spielen" etwa oder auch "Selbstbewusstsein" und "nicht Abheben". Vor allem aber sagt er immer wieder "der Trainer". Schröder sagt nicht "Budenholzer", er sagt auch nicht "Mike". Er sagt immer "der Trainer". So wie niemand den Vor- oder Nachnamen der Eltern sagt, sondern nur: "mein Vater".

Schröder trifft mit den Hawks derzeit im Finale der Eastern Conference auf die Cleveland Cavaliers. Nach der 89:97-Niederlage am Mittwoch findet am Freitagabend die zweite Partie statt. Aufgrund der Verletzung von DeMarre Carroll, dessen Einsatz fraglich ist, dürfte Schröder hin und wieder auch gegen LeBron James verteidigen - den Herkules der nordamerikanischen Basketballliga: "Wir haben noch andere Leute für diese Aufgabe", sagt Schröder, "aber ich traue mir das schon zu."

Das sind genau die Worte, mit denen Schröder derzeit in der richtigen Höhe durch diese NBA-Saison segelt. Er gibt sich selbstbewusst genug, um nicht von den zahlreichen Haien im Wasser aufgefressen wird - aber er wirkt nicht abgehoben. Er ist 21 Jahre alt, absolviert gerade seine zweite NBA-Saison, die er als erfolgreich bewerten darf. "Ich bemerke schon den Unterschied zu meiner Rookie-Saison", sagt er: "Nun kommen John Wall oder Chris Paul vor den Spielen vorbei, geben mir die Hand und gratulieren mir zu dieser Saison." Schröder wird wahrgenommen, er wird respektiert.

Noch ein Beispiel: Bei der dritten Partie der Serie gegen die Washington Wizards war Schröders Gegenspieler Paul Pierce mit Schlusssirene der entscheidende Wurf gelungen - er hatte den Schuss schon vor dem Gelingen mit dem Wort "Game" gefeiert. So was trauen sich nur erfahrene Trash Talker, nun erwarteten viele eine Replik von Schröder. Der bezeichnete den Wurf als "glücklich", was Pierce wiederum als Herausforderung interpretierte: "Na ja, er ist ja noch jung - wahrscheinlich hat er damals auf der Playstation meine Figur verwendet und danebengeworfen."

Mit verbalem Müll wird in der NBA nur der beworfen, wer es sich durch Leistung verdient hat - das ist eine der wichtigsten Regeln. Wer nicht gut genug ist, der wird ignoriert.

Mehr als elf Punkte im Durchschnitt

In der Playoff-Serie gegen Washington stand Schröder durchschnittlich mehr als 20 Minuten pro Partie auf dem Parkett, er erzielte 11,2 Punkte, ihm gelangen knapp 5,6 Zuspiele. Er steht oftmals in den entscheidenden Momenten einer Partie auf dem Parkett, ihm wird bisweilen gar der letzte Wurf zugesprochen: "Der Trainer vertraut mir, er gibt mir den Ball und sagt: 'Trau' dir was zu - und wenn du geblockt wirst, dann wird da schon einer sein, der hinter dir aufräumt.' Das tut mir gut und gibt mir Selbstvertrauen."

Ein kleines Manko hat er allerdings ausgemacht, seinen Sprungwurf. Der ist aus der Distanz wackelig, weshalb ihm Verteidiger Platz lassen und genau diesen Wurf provozieren. Das jedoch führt dazu, dass Schröder seine Schnelligkeit und Beweglichkeit auf dem Weg zum Korb nicht nutzen kann.

Dazu hat sich Schröder für den Sommer in Los Angeles mit Kyle Korver verabredet, dem 34 Jahre alten Scharfschützen der Hawks, mit dem er zwei Wochen lang an seinem Wurf arbeiten will. Er braucht einen zuverlässigen Sprungwurf als Drohung, um damit ein paar Punkte zu erzielen und die Gegenspieler zu zwingen, gerade bei gestellten Blocks näher an ihn heranzurücken - dann kann er sie umspielen und den Korb attackieren. "Dazu muss ich weiter an meiner Physis arbeiten, um unter dem Korb robuster zu sein", sagt Schröder.

Der Sommer scheint ausgebucht zu sein (er will ja auch mit dem deutschen Team an der EM teilnehmen) - doch noch hat dieser Sommer noch nicht begonnen. Die Hawks sind in den Playoffs noch immer dabei und gelten in der Serie gegen die von Verletzungen und Zipperlein geplagten Cavaliers als mindestens gleichwertig. Das liegt auch an Schröder, der sich einen Namen gemacht hat in dieser Liga. Es gibt derzeit nicht wenige Vereine, die für die kommende Saison einen Aufbauspieler suchen und bei denen nicht der Name Dennis Schröder genannt wird.

"Natürlich würde ich irgendwann gerne Stammspieler in dieser Liga werden", sagt er: "Aber das liegt nicht an mir. Wenn die Hawks im Sommer entweder Jeff Teague oder mich tauschen wollen, dann muss ich mich damit beschäftigen. Ich will Stammspieler werden, aber das muss nicht unbedingt schon in der kommenden Spielzeit sein." Klingt ganz so, als hätte er in der kommenden Spielzeit nicht irgendeinen Trainer neben sich - sondern "den Trainer", der ihm sagt, wie hoch er fliegen darf.

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