Grand Prix von Monaco:Hilferuf an die Fans

In der Formel 1 wird erbittert darüber gestritten, wie sie in Zukunft aussehen soll. Nachdem eine Strategie-Gruppe sich nicht einigen kann, sollen nun die Zuschauer ihre Meinung kundtun.

Von Elmar Brümmer, Monte Carlo

Nach der Fahrerbesprechung, die aufgrund der ungewöhnlichen Umstände vor dem Großen Preis von Monte Carlo immer ein bisschen ausführlicher ist, hielten die Formel-1-Fahrer noch kurz Hof am Hafenkai und umzingelten jenen kleinen, weißhaarigen Mann, dessen Berufsbezeichnung Zampano so wunderbar treffend zum Rennzirkus passt. Ihre Aktion #RacingUnited wollten die Berufschauffeure damit sinnbildlich dokumentieren, wenngleich die Vereinigung nicht mit dem Großkapital, sondern mit der Mehrheit der Zuschauer stattfinden soll. Denn im Zuge der allgemeinen Suche nach einer besseren Zukunft für den Top-Motorsport wollen Sebastian Vettel und Co nicht länger der Untätigkeit der Formel-1-Verantwortlichen zusehen.

"Wir wollen, dass die Formel-1-Fans uns dabei helfen, die Zukunft unseres Sports mitzugestalten", steht im Aufruf der Rennfahrergewerkschaft GPDA. Die Piloten haben 50 Fragen zu verschiedenen Aspekten der Formel 1 formuliert, auf der deutschen Website (http://gpda.motorsport.com) steht sogar flehentlich "Hilfe" in der Überschrift. Das ist bemerkenswert in einem ansonsten selbstverliebten bis egoistischen Geschäft. Sebastian Vettel, einer der Gewerkschaftssprecher, erwartet konstruktive Kritik: "Ich hoffe, dass es uns Fahrern und der Formel 1 als Sport helfen wird, Entscheidungen zum Besseren zu beeinflussen."

Was Sebastian Vettel will? Antwort: "Mehr Power, bessere Reifen, mehr Grip."

Die Aktion läuft zwei Monate lang, und der Heppenheimer hält mit seiner eigenen Meinung nicht hinter dem Berg: "Ich hätte gerne einen viel größeren Motor, mehr Power, bessere Reifen, mehr Grip." Vettels ehemaliger Teamchef Christian Horner von Red Bull Racing hat kurz zuvor auch eine sehr dezidierte Ansicht zu der Aktion abgegeben: "Ich bin nicht sicher, ob die Fahrer für so etwas die Richtigen sind." Besser lässt sich kaum illustrieren, wie Selbstsucht, Neid und Arroganz seit Monaten die Problemlösungen in der Formel 1 schon im Ansatz torpedieren.

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Der Klassiker: In Monaco sind die Rennwagen vor lauter Yachten manchmal kaum zu sehen.

(Foto: Jean Christophe Magnenet/AFP)

Auch deshalb erscheint es kaum glaubhaft, was die Strategiegruppe der Formel 1 nach ihrem jüngsten Meeting alles versprochen hat: Vom übernächsten Jahr an sollen die Rundenzeiten um fünf Sekunden sinken. Möglich gemacht werden soll das durch eine neue Aerodynamik, durch leichtere Autos und breitere Reifen. Dazu sollen die Rennwagen einen aggressiveren Look erhalten. Und die Motoren sollen stärker und lauter werden. Klingt interessant, aber wie das gehen soll, weiß keiner. Denn das Gremium, in dem sechs Rennställe zusammen mit Zampano Bernie Ecclestone und Automobilverbands-Präsident Jean Todt sitzen, ist zerstritten. Die Finanzprobleme, die mindestens die Hälfte des Starterfelds bedrohen, bleiben unangetastet. Damit es in zwei Jahren überhaupt zehn Rennställe gibt, sollen die Großen den Kleinen die Gebrauchtwagen leihen - was endgültig zur Zwei-Klassen-Gesellschaft führen würde. Ein prima Argument, damit die Reichen nicht sparen müssen.

Die wachsende Kritik an den Entscheidungen - oder der Entscheidungsunfähigkeit - der Strategen geht Mercedes-Teamchef Toto Wolff mittlerweile an die Nerven. Die Diskussion um die Wiedereinführung des Nachtankens als Spannungs- element nutzt der Österreicher zum Gegenangriff: "Egal mit welchen Vorschlägen wir ankommen, alles ist doof." Wolff, dem als Konzernvertreter besonders am Marketingwert der Formel 1 gelegen sein muss, fordert einen generellen Stimmungswandel: "Wir müssen aufhören, den Sport niederzumachen. Eine der Regeln, die wir festgelegt haben, ist, dass wir den Sport nicht schlechtreden. Möglicherweise müssen wir das noch einmal bekräftigen."

Der Fehler liegt im System. Sechs Rennställe, die die Regeln vorgeben - Ferrari, Mercedes, Red Bull, McLaren, Williams und als Armen-Vertreter Force India - das sind sechs egoistische Ansichten. Kein Wunder, dass sich die Wettbewerbskommission der EU für das Reglement- und Finanzmodell der Formel 1 interessiert. Zu tragfähigen Lösungen für die Allgemeinheit kommt es selten.

Rückwärts in die Zukunft? Nicht wenige sehnen sich nach einem Bestimmer an der Spitze

Christian Horner, der am liebsten gar nichts mehr über den mittelalterlich anmutenden Geheimbund der Strategen verraten möchte, ist ganz dem kurzfristigen Erfolg verpflichtet. Wie tragfähig die gesamte Bühne ist, scheint den Briten erst mal nicht zu interessieren. Bob Fernley, der Vize-Teamchef von Force India, hält das gesamte Modell für überkommen: "Diese Strategiegruppe ist die falsche für diesen Zweck." Seit anderthalb Jahren tage man nun schon, aber nichts komme heraus: "Deshalb sollten die Rennställe die Regeln nicht selbst machen dürfen. Vielmehr muss den Teams gesagt werden, wo die Reise hin geht. Wir brauchen etwas, das besser funktioniert."

Das "Besser" findet sich - offenbar nicht nur nach Fernleys Meinung - in der jüngeren Vergangenheit, als Bernie Ecclestone als Promoter und Max Mosley als Verbandspräsident alles bestimmen konnten. "Da wusste man wenigstens, wo man dran ist", brummt Fernley. Das findet plötzlich sogar Rivale Horner akzeptabel, und beweist damit, dass eine neue Autokratie (vielleicht sogar unter seiner Führung) naht: "Der Verband und das Serien-Management müssen sich fragen: Wo wollen wir hin mit der Formel 1? Danach kann dann jeder von uns entscheiden, ob er den Weg mitgehen will." Einspruch Toto Wolff: "Wenn wir uns eine Diktatur wünschen, dann sehe ich uns schon in zwei Jahren hier sitzen und darüber beschweren, dass es in die falsche Richtung geht."

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