Kommentar:Was der Sport nicht gerne hört

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Johannes Aumüller ist sportpolitischer Korrespondent in Frankfurt. (Foto: sz)

Die Politik verteidigt das geplante Anti-Doping-Gesetz - zum Unmut des deutschen Sports. Der könnte derartige Debatten häufiger vertragen.

Von Johannes Aumüller

Aus der formalen Perspektive des Bundestages war die Debatte um das Anti-Doping-Gesetz am Freitag nur der 28. von vielen anderen Tagesordnungspunkten dieser Sitzungswoche und die erste Lesung eines Themas, das nun seinen weiteren parlamentarischen Gang geht. Aus dem Blickwinkel der deutschen Sportpolitik und ihrer Debattenkultur war diese Diskussion jedoch eher ungewöhnlich. Zwei Minister und diverse Parlamentarier traten ans Pult, sie waren längst nicht immer einig, aber was sie vortrugen, konnte vor allem einem Beobachter nicht gefallen: dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB).

Dessen Haltung zum Anti-Doping- Gesetz vertrat nämlich niemand. Nahezu alle verteidigten den vom Sport so vehement bekämpften Kern des Gesetzes - die Möglichkeit, dopende Athleten strafrechtlich zu belangen. Und dazu kamen manch andere Hinweise, die der Sport nicht gerne hört, zum Beispiel diese: Der Grünen-Politiker Mutlu verwies auf oft ignorierte Realitäten, dass etwa viele Fußballer nur mit Schmerzmitteln 90 Minuten durchhalten; CDU-Mann Grindel stellte infrage, ob das Gesetz - wie im Entwurf vorgesehen und vom DOSB befürwortet - einen Passus über die Sportgerichtsbarkeit enthalten kann; und Dagmar Freitag (SPD) wunderte sich mit deutlichen Spitzen über das Agieren des Sports in den vergangenen Wochen.

Der Sport ist es gewohnt, dass die Politik seinen Positionen zustimmt

Das ist ein breiter Gegenwind. Und in der Tat ist es merkwürdig, wie der deutsche Sport in dieser Debatte auftritt, wie er mit fadenscheinigen Argumenten hantiert, wie DOSB-Chef Alfons Hörmann von "Dekret" spricht und von "Sammelklagen" räsoniert, die es so gar nicht gibt. Warum er das tut? Vielleicht, weil er diese Art von sportpolitischer Debattenkultur, wie sie beim Anti-Doping-Gesetz läuft, sonst nicht gewohnt ist.

Im Sportausschuss, also jenem Gremium, das den Sport kontrollieren soll und dessen führende Vertreter am Freitag gute Reden hielten, sitzen unter anderem: der Schatzmeister des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), ein früherer Vize-Präsident des DOSB, die Vize-Präsidentin des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV), der Chef eines der wichtigsten deutschen Handball-Klubs. Es gibt manche in diesem Kreis, die sind eher Sportlobbyist und/oder Fan als Kontrolleur; die Mahner und kritischen Geister sind in der Unterzahl. Und auch an anderen zentralen politischen Positionen befinden sich Akteure, die dem Sport tendenziell wohlgesonnen sind - und mit denen der Sport gut verdrahtet ist.

Da wundert es nicht, dass es bei vielen Themen an Gegenwind fehlt. Wenn der Sport eine Bewerbung für die Olympischen Spiele 2024 will, reiht sich der Großteil der Bundespolitiker weitgehend kritikfrei in die Unterstützung ein. Und es gibt auch noch 30 Millionen Euro für die Bewerbungsphase. Wenn es um die Finanzierung des Leistungssportes geht, findet der DOSB über gewogene Haushaltspolitiker doch noch einen Weg, einen üppigen Aufschlag zu kassieren, anstatt mit den Mitteln zurechtkommen zu müssen, die das zuständige Referat des Innenministeriums sich vorstellt. Und wenn - wie nun vor dem Champions-League-Finale in Berlin - ein Thema wie die Steuerbefreiung internationaler Sportverbände für Großveranstaltungen in Deutschland intensiv zu diskutieren wäre, findet das Gros der Politik an diesen Finanzgeschenken für die Föderationen nichts Kritisierenswertes.

Für die hiesige Debattenkultur wäre es nur zu begrüßen, wenn die Auseinandersetzung um das Anti-Doping-Gesetz stilbildend wirken würde. Sehr wahrscheinlich ist das aber nicht.

© SZ vom 23.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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