Produzent aus München:Wer den Sound des ESC macht

Lesezeit: 5 min

"Volle Kanne auf die zwölf", soll Dieter Bohlen zum Song gesagt haben, den Pum für die DSDS-Siegerin Aneta Sablik geschrieben hat. (Foto: Robert Haas)

Oliver Pum hat für DSDS-Siegerin Aneta Sablik "The One" geschrieben, mit Conchita Wurst zusammengearbeitet und vor tausenden Menschen aufgelegt. Beim Eurovision Song Contest wird die Welt ihn auch hören - nur weiß das keiner.

Von Bernhard Blöchl

Erst einmal durchschnaufen. Oliver Pum ist jung, sehr jung, die Puste wird ihm so schnell nicht ausgehen. Aber um das Popstar-Märchen zu verarbeiten, das der 22-Jährige lebt, braucht man einen klaren Kopf. Also schiebt sich der geborene Österreicher auf den Bistrohocker, legt seinen Kopfhörer beiseite, den er immer bei sich trägt, nippt am Cappuccino und schnauft durch. Gedanken ordnen. Wo bin ich? Richtig, in München. "Ich liebe München, ich möchte in keiner anderen Stadt leben", sagt Pum, "hier fühle ich mich zu Hause."

Pum. Ein Name wie ein Dance-Beat. Pum tschak. Pum Pum tschak. Der Rhythmus für ein schnelles Leben. Kürzlich war er in Mexiko und Los Angeles, dann jede Woche in Wien, in seinem Studio in Salzburg ist er sowieso regelmäßig, dazwischen immer wieder in Grasbrunn, wo er wohnt: "mit drei Studentinnen in einem Mehrfamilienhaus", wie er sagt. Durchschnaufen.

Nummer-1-Hits und Zusammenarbeit mit Conchita Wurst

In den vergangenen zwei Jahren sind Dinge geschehen, von denen andere Musikproduzenten bis zur Rente träumen: Pum hat einen Nummer-1-Hit in drei Ländern gelandet ("The One" für Aneta Sablik), er war mit Conchita Wurst im Studio und hat vor tausenden Menschen aufgelegt. Und jetzt auch noch der Eurovision Song Contest: An diesem Samstagabend, wenn die 60. Ausgabe des Sängerwettstreits die Wiener narrisch macht, wird der Landsmann Pum backstage in der Stadthalle mitfiebern. "Ich freue mich wahnsinnig. Es kommt nicht jeden Tag vor, Teil eines solchen Spektakels zu sein."

Wenn also die Welt nach Wien schaut, dann hört sie Oliver Pum. Auch wenn sie es nicht weiß. Der Senkrechtstarter unter den Soundtüftlern arbeitet seit November daran, dass die Eröffnungshymne jung und frisch klingt. Eine knappe Viertelstunde dauert die Einleitung zum Show-Motto "Building Bridges". Die Vorjahressiegerin Conchita Wurst wird singen, Left Boy wird rappen, Österreich wird sich und seine Kultur präsentieren. Beethoven, Udo Jürgens, alles. "Ein Hybrid-Song", wie Pum sagt.

Der Computer in Grasbrunn und der Sound des ESC

"Meine Aufgabe war es, die orchestrale Komposition modern zu machen." Also spielte er am Computer in Grasbrunn mit Hip-Hop-Beats und Dance-Elementen, um ein "tanzbares Stück aus klassischen und modernen Klängen" zu kreieren. Die Vorgaben kamen aus Wien, von David Bronner, dem musikalischen Leiter. Der Produzent von Wursts "Rise Like A Phoenix" hatte Ende 2014 ein Team zur Soundgestaltung des Contests zusammengestellt, und Bronner wollte Pum. Eine Riesenchance für den Neuling, der auch beim Audiodesign mitgewirkt und Klänge erschaffen hat, etwa das Geräusch, wenn das Logo über den Bildschirm huscht.

Intelligente Suchmaschine
:Microsoft sagt den ESC-Gewinner voraus

Bing kannte 16 von 19 Oscar-Gewinnern und lag bei der Fußball-WM fast immer richtig. Jetzt versucht sich Microsoft am Eurovision Song Contest - und hat schlechte Nachrichten für die deutsche Starterin Ann Sophie.

Wenn Oliver Pum erzählt, verrutscht sein Lächeln. Er kann sein Glück kaum fassen. Die schwarzen Haare stehen schräg zur Seite, seine Gedanken sind sprunghaft. Gerade hat er ausgeplaudert, dass Conchita, "eine sehr elegante Person", stets ungeschminkt ins Studio komme und dann "Tom" genannt werden wolle, schon erinnert er sich laut daran, dass er, Pum, noch vor ein paar Jahren in einer Metal-Band E-Gitarre spielte, herumbrüllte und keine Ahnung davon hatte, was Samples und Remixe sind. Inzwischen ist elektronische Musik seine Eintrittskarte in die Glamour-Welt. Dass Musik eine große, vielleicht die größte Rolle in seinem Leben spielt, ist schon an dem Anstecker zu erkennen, den er im Ohr trägt: Er sieht aus wie das Bedienfeld eines mp3-Players.

Immer Sound im Kopf. Immer vorwärtsspulen. Zeit für einen Rückblick: Geboren wurde Oliver Pum als mittlerer von drei Söhnen in Oberndorf im Salzburger Land. Das ist eine Kleinstadt an der Grenze zu Bayern, die vor allem dafür bekannt ist, dass hier 1818 das Weihnachtslied "Stille Nacht, heilige Nacht" uraufgeführt wurde. Knapp 200 Jahre später kommt Oliver Pum. Pum tschak statt himmlischer Ruh'.

Die Geschichte, wie aus einem Burschen, der davon träumt, Filmmusik wie Hans Zimmer zu komponieren, ein Pop-Hit-Schreiber wurde, geht so: Schon die Reifeprüfung am Bundes-Oberstufenrealgymnasium Bad Hofgastein war speziell, er absolvierte sie im Fachbereich Musik und Medien. "Ich kann sagen: Ich habe in E-Gitarre maturiert", sagt Pum mit österreichischer Klangfarbe. Kurz vor der Volljährigkeit und mitten in seiner Metal-Phase dann der Umzug nach München.

Fit für die kommerzielle Popwelt

Hier, genauer an der Akademie "Deutsche Pop" in der Klenzestraße, wurden die Weichen in Richtung Karriere gestellt. Hier ließ sich der Musiker, der als Kind Schlagzeug lernte und sich nach dem Gitarrenunterricht selbst Klavier beibrachte, zum Sounddesigner ausbilden. Er lernte den Umgang mit komplexer Audio-Software, experimentierte mit Beats, Dubstep-Rhythmen und anderen elektronischen Raffinessen. Er machte sich fit für die kommerzielle Popwelt.

Seinen ersten Song schrieb er für seinen Bruder, der als DJ arbeitet, seinen vierten Song schrieb er für die Sendung "Deutschland sucht den Superstar" (DSDS). Kaum zu glauben, aber wahr. Während eines Praktikums lernte er den Produzenten B-Case kennen, dem er seine Idee zu "The One" vorspielte. Das sommerleichte Stück, das Pum auf der Gitarre im Englischen Garten komponiert hatte, machte in der Branche die Runde.

Pums Song setzte sich gegen Dieter Bohlen durch

Erstes Halbfinale zum Eurovision Song Contest
:Xena und die Primadonnen

Wird es wieder einen Wurst-Moment geben? Die Halbfinals zum Eurovision Song Contest lassen erahnen, wo es hingeht in Sachen Gesang, Outfit und Bühnenbild. Erster Eindruck: Show bleibt Trumpf.

Über B-Case kam das Produzenten-Team "Beatzarre & Djorkaeff" ins Spiel, die ebenfalls an Pums Komposition herumschraubten und dafür sorgten, dass die Nummer bei RTL eingereicht wurde. Erstmalig in der Geschichte der Castingshow sollte ein DSDS-Siegertitel nicht von Dieter Bohlen stammen. "Aus tausenden Songs wurden die 100 besten ausgewählt, aus denen wiederum die drei Finalisten ihre Favoriten aussuchten", erzählt Oliver Pum. Aneta Sablik wollte "The One" - und gewann die elfte Staffel. "Volle Kanne auf die zwölf", soll Bohlen zum Song gesagt haben. Die Gute-Laune-Pop-Nummer wurde zum Hit, stieg in Deutschland, Österreich und der Schweiz auf Platz 1.

Das war im Sommer 2014, seitdem überschlagen sich die Ereignisse im Leben des Mannes, der aussieht, als hätte er eben erst die Schule verlassen. Pum lernte David Bronner kennen, mit dem er sich in Österreich ein Kopf-an-Kopf-Rennen um die Spitze der Hitparade lieferte: "The One" gegen "Rise Like A Phoenix", Newcomer gegen Branchen-Zampano.

Bald schmiedeten der damals 21-Jährige und der 49-Jährige gemeinsame Pläne: Sie arbeiteten am Musikkonzept zum Eurovision Song Contest. Und sie werkelten am Debütalbum von Conchita Wurst, das erst vor einer Woche erschienen ist und von dem sich alle Beteiligten sehr viel erwarten. Bronner war der Produzent, Pum einer von mehreren Co-Produzenten. Auf seiner Facebook-Seite liest sich seine Freude so: "Überkrass! Mein Name im Booklet des brandneuen Conchita-Wurst-Albums!"

Erst einmal einen Bachelor

Zuletzt ging es um die Wurst, doch wie geht es weiter? Erst einmal bildet sich Oliver Pum fort, er macht den Bachelor-Abschluss zum "Music Technology Specialist", den die "Deutsche Pop" in Kooperation mit der University of West London anbietet.

Neues Konzept
:Wie Osram den ESC ausleuchtet

Das Münchner Unternehmen Osram stand lange Zeit vor allem für eines: die Glühbirne. Nun versucht der Konzern den Aufbruch in die Zukunft. Wie die aussehen soll, sieht man derzeit in Wien.

Von Katja Riedel

Außerdem war er mehrmals in Mexiko, weil er das Angebot bekommen hatte, für die Popsängerin Fey zu arbeiten - sie hat in ihrer Heimat 15 Millionen Alben verkauft und soll nun weltweit vermarktet werden. Und auch als DJ hat Pum Großes vor, denn das ist sein Traum: als DJ bekannt werden und regelmäßig vor tausenden Leuten auflegen, wie er das bereits mehrmals auf Mallorca getan hat.

Würde er den Soundtrack seines Lebens nach vorne spulen und seine nahe Zukunft vorherbestimmen können, dann sähe er den Titel eines Songs als Tätowierung auf seinem rechten Arm. Dort ist bereits eine Schreibmaschine verewigt, eine mit einer Klaviatur statt Buchstabentasten - weil er Musik schreibe, wie er sagt. Noch ist das Blatt der Schreibmaschine leer. "Hier kommt der Titel meines ersten eigenen Nummer-1-Hits hin." Im Juli erscheint, unter seinem Namen, seine neue Single. Erst einmal durchschnaufen.

© SZ vom 23.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: