Großer Preis von Monaco:Mercedes lässt Rosberg siegen 

Formula One Grand Prix of Monaco

Entscheidung in der Box: Mercedes überraschte mit fragwürdiger Taktik.

(Foto: dpa)
  • Fragwürdige Strategie des deutschen Werks-Rennstalls: Beim Rennen in Monte Carlo holt Mercedes Lewis Hamilton zum falschen Zeitpunkt in die Box - und vermasselt dem Weltmeister den Sieg.
  • Das seltsame Manöver wirft Fragen auf.

Von Elmar Brümmer, Monte Carlo

Verrückt, das ist das Attribut, dass einem zur Formel 1 in Monte Carlo einfällt. Doch das wäre eine unzulässige Verharmlosung für das, was sich in diesem Jahr bei der rasenden Hafenrundfahrt abgespielt hat. Genauer gesagt das, was in der letzten halben Stunde des sechsten WM-Laufs passiert. Ein Moment der Unachtsamkeit zwischen Max Verstappen und Romain Grosjean, und schon wird das ganzen Rennen, und vielleicht auch die ganze Weltmeisterschaft auf den Kopf gestellt. Denn den Mercedes-Strategen passiert ein unglaublicher Strategiefehler, als man den Spitzenreiter in der Safety-Car-Phase aus unverständlichen Gründen reinholt.

Es ist zum Verrücktwerden für Lewis Hamilton, der 64 von 78 Runden lang wie der sichere und verdiente Sieger aussieht - und der den Triumph dann doch seinem Mercedes-Teamrivalen Nico Rosberg überlassen muss. Der Wiesbadener, vermeintlich schon geschlagen, feiert damit seinen Hattrick in Monaco. Hamilton wird nach den Turbulenzen der späten Safety Car-Phase nur Dritter, noch hinter Sebastian Vettel im Ferrari. Sein Vorsprung in der Gesamtwertung ist damit auf zehn Punkte geschrumpft.

"Ich weiß, dass da auch Glück dabei war"

Nico Rosberg, der nach der Niederlage in der Qualifikation schon geschlagen, fast gebrochen schien, hielt sich aus Gründen des Anstandes bei den öffentlichen Feierlichkeiten zurück, aber es ist dem Wiesbadener ein innerer Triumph: "Ich bin natürlich tierisch happy, auch wenn ich weiß, dass da auch viel Glück dabei war. Lewis ist brillant gefahren, er hätte den Sieg verdient gehabt. Aber trotzdem bin ich glücklich, dass ich das rausgeholt habe."

Während der Sieger vor der Fürstenloge interviewt wurde, saß Hamilton auf der Kante des Podestes. Schon bei der Hymne hätte er fast vergessen, die Kappe abzunehmen, er stülpte diese dann über den Pokal für den dritten Platz. Nach der Bitte um ein Statement hätte er fast zu heulen begonnen. Halbwegs gefasst flüsterte er: "Es war nicht das leichteste aller Rennen. Aber wir gewinnen und verlieren als Mannschaft zusammen. Ich denke, was passiert ist, müssen wir jetzt aussortieren und für die Zukunft verbessern." Seine Frustbewältigung: "Ich werde versuchen, das nächste Rennen gewinnen."

Lauda übt Kritik

Es gibt richtig Zoff bei Mercedes, Toto Wolff und Technikchef Paddy Lowe halten mit den Strategen im Kabuff über der Box eine spontane Krisensitzung ab, während Team-Aufsichtsrat Niki Lauda unten vor den RTL-Kameras tobt: "Eine absolute Fehlentscheidung. Wir müssen das genau analysieren. So etwas darf es nicht geben bei einem professionellen Team, dazu gehört die richtige Entscheidung im richtigen Moment." Die Strategieabteilung wollte es offenbar zu gut, zu perfekt machen.

Lauda: "Da reden zu viele miteinander, ich höre das ja immer über Funk - und ich habe immer davor gewarnt. Irgendeiner hätte da den anderen überstimmen müssen." Von der Machtposition her wäre das Paddy Lowe gewesen. Der wird in der heimischen britischen Medienlandschaft wenig Verständnis finden. Und Hamilton ist dafür bekannt, in eigener Sache Lobbyismus zu betreiben.

Spannung dank Mercedes

Von wegen, es ist langweilig, wenn Mercedes den Titel unter sich aus macht. Hamilton an der Decke, Lauda fast schon durch - das klingt nach beschleunigter Nervosität. Alles andere als beruhigend jedenfalls. Umgekehrt, aus Rosbergs und Zuschauers Sicht: Es bleibt spannend.

Rückblick: Die einzige wirkliche Chance, ein Rennen in Monte Carlo von einer schlechteren Startposition für sich zu entscheiden, sind die ersten 130 Meter. Lewis Hamilton und Nico Rosberg haben ihre Autos jeweils leicht schräg geparkt, es sieht so aus, als ob die Silberpfeile auf Kollisionskurs gehen wollen. Das hatten die Teambosse Toto Wolff und Niki Lauda jedoch kategorisch ausgeschlossen, und trotzdem bleibt auch bei ihnen ein Bangen. Zu viel steht auf dem Spiel. Sebastian Vettel als Dritter hofft natürlich auf einen Zwist bei Mercedes. Aber zu dem kommt es nicht. Der Ferrari greift zwar Rosberg an, aber der schlingert sich gerade so durch, Hamilton ist da längst von der Pole-Position aus enteilt.

Toro Rosso erfordert Safety-Car-Phase

Alles geht seinen Gang, den befürchteten Gang einer Prozession. Hamilton kontrolliert das Tempo und auch das Feld, fährt erst schneller, wenn Vettel sonst zu sehr in die Nähe seines Kollegen kommt. Und hat locker über 20 Sekunden Vorsprung, als Verstappen und Grosjean kollidieren. Der erst 17 Jahre alte Niederländer, der sich bravourös bei seinem Debüt in Monte Carlo geschlagen hat, schießt geradeaus in die Sicherheitsbarrieren in der Kurve von Ste. Devote. Ihm passiert nichts, aber die vielen Splitterteile und das an der kritischen Stelle geparkte Wrack des Toro Rosso zwingen Rennleiter Charlie Whiting dazu, das Rennen zu neutralisieren. Erst mit einem virtuellen Safety Car, also der Anweisung zum Runterbremsen und Positionhalten auf dem Lenkraddisplay, schließlich lässt er aber doch Bernd Mayländer mit dem richtigen Sicherheitsfahrzeug ausrücken.

Und irgendwann in dieser verwirrenden Phase muss sich jemand bei Mercedes anstecken haben lassen, denn man holt Hamilton zu einem Sicherheits-Reifenwechsel rein. Der Spitzenreiter hat zu diesem Zeitpunkt 21 Sekunden Vorsprung, ein normaler Boxenstopp dauert 24,5 Sekunden - man muss kein Raketenwissenschaftler sein, um zu ahnen, dass da was fürchterlich schief geht. Und tatsächlich - Hamilton reiht sich nicht nur hinter Rosberg ein, er muss auch noch Vettel passieren lassen. "Ich habe das Rennen verloren, Jungs, oder?" fragt er verzweifelt über Boxenfunk, "warum habt ihr das gemacht!?"

Wütend attackiert er als das Rennen in der 70. Runde wieder frei ist, aber es reicht nicht. Sebastian Vettel wusste auch nicht, wie ihm geschah, der Heppenheimer konnte sich ein Grinsen allerdings nicht verkneifen: "Die Wende kam ziemlich überraschend - aber wir waren da, als es drauf ankam. Es war knapp, aber ich war vorn. Ich hoffe, das geht jetzt so weiter..."

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