Schalke trennt sich vom Trainer:Das war's für Di Matteo

FC Schalke 04 - Training & Press Conference

Es wird einsam um den Schalker Trainer Roberto Di Matteo.

(Foto: Lars Baron/Getty Images)

"Alles muss auf den Tisch", sagte Manager Heldt nach dem Schalker 0:2 beim HSV und kündigte an: "Wir werden Entscheidungen treffen." Am Tag danach war der Trainer ist seinen Job los.

Von Philipp Selldorf, Hamburg

Mitte der vorigen Woche zeigte sich Horst Heldt noch wild entschlossen. Über alles könne man nach der enttäuschenden Saison mit ihm diskutieren, sagte er, aber nicht über den Posten des Trainers. Roberto Di Matteo sollte nach dem Willen des Managers seine Arbeit fortsetzen dürfen, trotz der miserablen Rückrunde und trotz der inneren wie äußeren Zerfallserscheinungen, die sich zuletzt beim FC Schalke 04 ergeben hatten. Mit Di Matteo hatte Heldt verabredet, am Sonntag die Bestandsaufnahme der Probleme einzuleiten. Man wolle "es gemeinsam anpacken", hatte er erklärt.

Am frühen Samstagabend aber, nachdem die Schalker Mannschaft beim 0:2 in Hamburg auch die letzte Chance vertan hatte, der Serie peinlicher und armseliger Auftritte etwas Versöhnliches entgegenzusetzen, klang Horst Heldt schon weniger entschlossen, den Bestandsschutz für den Trainer zu erhalten: "Man muss jede einzelne Position hinterfragen. Das ist ganz klar. Alle, die sportlich verantwortlich sind, egal ob Trainer, Spieler oder Manager - alles muss auf den Tisch, und dann werden wir Entscheidungen treffen."

Ausgepfiffen, beschimpft und beleidigt

Diese wurden offenbar im Laufe des Sonntags getroffen. Um 17.30 Uhr meldete Sport Bild die angeblich einvernehmliche Trennung. Der Verein wollte dies am Sonntag zunächst allerdings noch nicht bestätigen. Doch im Laufe der nächsten Stunde drang die Nachricht auch durch andere Informationskanäle in die Öffentlichkeit. Eine Überraschung stellte die Neuigkeit nicht dar. Die königsblaue Anhängerschaft befand sich aufgrund der dramatisch schlechten Entwicklung des Profiteams in revolutionärer Stimmung. Zuletzt wurden Mannschaft und Verantwortliche regelmäßig ausgepfiffen, beschimpft und beleidigt.

Di Matteo, 44, hatte die Mannschaft als Nachfolger des zwar allzeit umstrittenen, aber durchaus erfolgreichen Jens Keller im Oktober übernommen. Ihm eilte der Ruf des Strategen voraus, was unter anderem auf dem Champions-League-Sieg mit dem FC Chelsea 2012 beruhte. Damals besiegte sein Team erst den FC Barcelona und im Münchner Finale den FC Bayern.

Dem Trainer wird von seinen Kritikern weniger das Verpassen der Champions League zum Vorwurf gemacht, als das erschreckend konturlose, träge und leidenschaftsfreie Spiel, das seine Mannschaft in den vergangenen Wochen zeigte. Nicht die Ergebnisse haben die Leute wütend gemacht, sondern die Art, wie sie zustande kamen. Di Matteo lieferte dafür keine Erklärungen, seine Kommentare zu den Partien in Mainz (0:2), in Köln (0:2), gegen Paderborn (1:0) und in Hamburg (0:2) waren nichtssagend und austauschbar. Weder während der Spiele noch nach dem Spiel war ihm emotionale Anteilnahme anzumerken. Ein Coaching schien nicht stattzufinden. Er begnügte sich mit der Beobachterrolle am Spielfeldrand.

"Das war riesengroße Scheiße von uns"

Die Wut der Fans bekamen die Spieler auch am Samstag in Hamburg zu spüren, als sie sich pflichtschuldig vor der Gästekurve aufstellten und in wütende Gesichter blickten. "Wir haben die Schnauze voll" und "Scheiß-Millionäre" hörten sie, es waren mittlerweile gewohnte Töne. "Die Fans haben uns alles Mögliche um die Ohren gehauen. Sie wollen einfach sehen, dass wir kämpfen. Das ist hier eine Malocher-Mannschaft", sagte Torhüter Ralf Fährmann und räumte mit Blick auf den unrühmlichen finalen Auftritt beim HSV ein: "Das war riesengroße Scheiße von uns heute."

Di Matteo war zu diesem Zeitpunkt bereits in die Kabine gegangen. "Es ist egal, wer da draußen steht. So eine beschissene Rückrunde dürfen wir in den nächsten zehn Jahren nicht mehr spielen", gab Fährmann später zu Protokoll. Auch Torjäger Klaas-Jan Huntelaar erklärte: "Nach so einer Saison kann keiner zufrieden sein. Es gibt nicht eine Sache, die verbessert werden muss, es gibt viele Dinge."

Auch Heldt gerät in den Blickwinkel der Kritiker

Heldt hatte Di Matteo nach mehreren Sondierungsgesprächen im Laufe von anderthalb Jahren als Wunschlösung präsentiert. Auch die Spieler zeigten sich schnell angetan vom Stil des reservierten, aber freundlichen und zugänglichen Italo-Schweizers. Die Entwicklung der ersten Monate gab Anlass zu guten Hoffnungen. Der Trainer stabilisierte die Defensive und lieferte gute Ergebnisse. Doch die positive Entwicklung riss im Februar ab, ein ungewöhnlich schwacher Auftritt der Mannschaft beim Derby in Dortmund markierte eine Zäsur. Seitdem sorgte nur der vielbeachtete 4:3-Sieg bei Real Madrid und ein Alltagserfolg gegen Hoffenheim für frohe Mienen auf Schalke, selbst gewonnene Spiele (wie beim 3:2 gegen Stuttgart) wurden überwiegend kritisch bewertet.

Heldt wollte nicht wieder von vorn anfangen. Nun blieb ihm keine Wahl mehr. Zeit genug bleibt dem Manager, um zum Start der Saisonvorbereitung den nächsten Dompteur zu präsentieren. Allerdings gerät er nun womöglich selbst in den Blickwinkel der Kritiker im Verein. Clemens Tönnies, der starke Mann auf Schalke, hat den Sportchef zwar immer gestützt, aber dass eine scheinbar feste Allianz schnell zerbrechen kann, das hat Heldt am Pfingstwochenende bei Di Matteo erleben müssen. Entscheidend für ihn wird sein, die Lage bis zur Mitgliederversammlung am 28. Juni einigermaßen zu beruhigen.

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