Islamfeindliche Pegida-Bewegung:Unermüdlich und besessen

Participants hold a cross painted in the colours of German national flag during a demonstration called by anti-immigration group PEGIDA, a German abbreviation for 'Patriotic Europeans against the Islamization of the West', in Dresden

Pegida-Anhänger in Dresden bei einer Kundgebung Ende 2014

(Foto: REUTERS)

Wer sind eigentlich die Leute, die als Pegida demonstrieren, um "das Abendland" zu retten? Interviews geben Aufschlüsse - vor allem eine Partei muss sich sorgen.

Buchkritik von Jan Bielicki

Sie laufen noch. Es sind nicht mehr so viele, aber immer noch ziehen bis zu 3000 Menschen montagabends durch Dresden, um gegen etwas zu protestieren, was sie als "Islamisierung des Abendlandes" empfinden. Doch der Zug der Unermüdlichen kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Pegida-Bewegung sich totgelaufen hat.

Seit Jahresanfang, als sie 25 000 Anhänger auf die Straße brachte, hat sich Pegida erst gespalten und ist dann fast ebenso schnell wieder zusammengeschnurrt, wie sie seit dem Herbst aus einer Kleingruppe von Facebook-Freunden gewachsen war. Dennoch lohnt es sich, genauer hinzuschauen: Denn die Leute sind seither ja nicht samt ihrer Sorgen, Überzeugungen und Ressentiments ausgewandert.

Islamfeindliche Pegida-Bewegung: Lars Geiges, Stine Marg, Franz Walter: Pegida. Die schmutzige Seite der Zivilgesellschaft? Transcript Verlag, 2015. 208 Seiten, 19, 99 Euro.

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Hier machte sich ein sonst kaum offen aufbegehrender Teil der Gesellschaft sichtbar - kein Wunder also, dass Wissenschaftler zuhauf nach Dresden pilgerten, um sich das anzuschauen.

Die Forscher vom Göttinger Institut für Demokratieforschung liefern zwar kein umfassendes Bild von Pegida. Dazu ist die Studie zu sehr Schnellschuss, zudem hatten die Forscher, ähnlich wie die von Pegidisten gern als "Lügenpresse" geschmähten Journalisten, Schwierigkeiten, das Misstrauen der Protestierer zu überwinden. Immerhin: Eine Umfrage und Gruppendiskussionen ergaben eine Skizze dessen, was sich da bewegt.

Es sind in der Mehrzahl Männer im arbeitsfähigen Alter mit abgeschlossener Ausbildung und Job. Sie sind, sagen sie, im Grundsatz zufrieden mit der Demokratie, aber gar nicht, wie sie in der Bundesrepublik funktioniert. Auf die Straße brachten sie erst Pläne der Stadt, Flüchtlingsheime in der Nachbarschaft zu bauen. Es treibt sie die Wut über die Kritik von Politik und Medien an den Marschierern - und die Angst vor "dem Islam", den sie in Verdacht haben, per kultureller Unterwanderung die Macht in Deutschland, schlimmer noch: in Sachsen übernehmen zu wollen.

Pegida ist ein Warnzeichen, vor allem für die Sozialdemokratie

Ist Pegida also eine populistische Bewegung? Ja, sagen die Autoren, aber Populismus als Seismograf dafür, dass etwas schiefläuft zwischen Eliten und nicht zum Establishment gehörenden Bürgern, ist für sie nicht das Hauptproblem.

Er ist ein Warnzeichen - vor allem für eine Sozialdemokratie, die nicht mehr fähig ist, sich als Träger der Hoffnung für die bindungslos gewordenen Unterschichten zu präsentieren. Noch sei das Problem in der Bundesrepublik nicht so gravierend wie etwa in Frankreich.

Doch auch hier wüchsen Unruhe, Argwohn und Zweifel an einer schwarz-rot-grünen "Einheitsfront" der politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Eliten, wie sie die Autoren konstatieren. Sie plädieren daher dafür, kontroverse Gegenpositionen offen auszufechten und nicht Milieus weit rechts der Mitte zu überlassen. Nur: Gilt das auch für offenen Rassismus und Fremdenhass? Diese Antwort gibt das Buch nicht.

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