Kurzkritik:Abgeklärt

Der Rapper Tyler, The Creator, begeistert in der Theaterfabrik

Von Julian Dörr

Das Ding ist schon sicher, als Tyler zum ersten Mal die Bühne betritt. Oder besser: befliegt. Die Knie irgendwo unter den Ohren, levitiert von diesem kellertiefen Beat. "Bitch Suck Dick", grölt Tyler, The Creator, und die Menge kreischt. Das Publikum in der Theaterfabrik ist jung, sehr jung. Es liebt den 24-jährigen Rapper, der da vorne eine Stunde lang von einer Seite zur anderen rennt, hüpft und ja: fliegt. Drei Männer in weißen T-Shirts stehen auf der Bühne, Abgesandte des Hip-Hop-Kollektivs Odd Future Wolf Gang Kill Them All aus Los Angeles. Was sich hier versammelt hat, ist eine neue Generation. Und Tyler, The Creator ist ihr Kaiser.

Aber langsam. Zunächst ist Tyler der verrückte Chef-Clown einer Gang, die die Straße ebenso geprägt hat wie all die Blogs, Tumblr- und Instagram-Accounts in den Weiten des Internets. Letztere Sozialisation teilt auch ein Großteil der kreischenden Menge vor der Bühne. Häuptling Tyler bringt sein neues Album "Cherry Bomb", eine weitere Überraschungsplatte im eh schon irren Rap-Jahr 2015. Zusammen mit DJ Taco Bennett und Hilfs-MC Jasper Dolphin walzt er die neuen Songs "Deathcamp" und "Cherry Bomb" durch den Raum, der Bass hämmert sich mal eben ins zweite Untergeschoss.

Die Menge ist schon nach einer halben Stunde zum Höhepunkt gepeitscht. Aus den Boxen ballert der Beat von "Domo23". Tyler, Jasper und Taco stehen am Bühnenrand, skandieren den Refrain: "Fuck that!" und das Publikum antwortet mit dem Schlachtruf: "Golf Wang!" Der Kaiser ist da. Mit einer Handbewegung teilt Tyler die Reihen, lässt die beiden Hälften in einem Grölkampf gegeneinander antreten.

Tyler, The Creator, das ist einer der talentiertesten Köpfe des zeitgenössischen Rap, aber auch der Kopf eines Imperiums, das von T-Shirts, Mützen und Rucksäcken bis zu einer App reicht, über die Tyler exklusive Inhalte mit Fans teilt. In München rappt er sich abgeklärt, aber energetisierend durch altes und neues Material. Dann ist die Bühne plötzlich leer. Das Volk schreit: "Golf Wang! Golf Wang!" Doch der Kaiser zeigt keine Gnade.

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