Ballett:Braver Tunichtgut

Foto: Henning Rosenbusch/Landestheater Coburg

"Peer Gynt" kommt in Coburg als familientaugliches Handlungsballett mit abstrakten Momenten daher und bleibt letztlich unverbindlich in der Schwebe.

(Foto: Henning Rosenbusch)

"Peer Gynt" gerät als Ballett am Landestheater Coburg etwas langatmig

Von Florian Welle, Coburg

Er ist ein Tölpel und Narziss. Und neben Parzival, Hamlet und Faust einer der faszinierendsten Figuren der Literaturgeschichte: Peer Gynt. Als Henrik Ibsen sich den Bauernjungen auf der Suche nach sich selbst erdachte, vermengte er Autobiografisches mit Elementen aus Peter Christian Asbjørnsens und Jörgen Moes Sammlung von Feen- und Volksmärchen. Aus dieser Gemengelage wuchs der Prototyp eines modernen Helden, großspurig, getrieben, gewalttätig. In den Worten Ibsens: "Das Gyntsche Selbst, das ist das Heer von Wünschen, Lüsten und Begehr." Die romantische Musik, die Edvard Grieg zu dem "dramatischen Gedicht" beisteuerte, mochte daher nie so recht passen. Sorgte aber dafür, dass das Stück regelmäßig fürs Ballett adaptiert wurde.

Den jüngsten Anlauf unternahm der Ballettdirektor des Coburger Landestheaters Mark McClain. Der gebürtige New Yorker, der mit Intendant Bodo Busse 2010 nach Oberfranken kam, liebt vor allem den Spitzentanz. Das schließt moderne Elemente nicht aus. Priorität jedoch besitzen sie bei ihm eher nicht. Die Gefahr, die dieser Ansatz beinhaltet, ist an "Peer Gynt" gut abzulesen: Die Uraufführung kommt als familientaugliches Handlungsballett mit abstrakten Momenten daher und bleibt letztlich unverbindlich in der Schwebe. McClains "Peer Gynt" ist brav. Zu brav. Er macht es allen recht anstatt zu irritieren. Gelegenheit dazu böte Ibsens hormongesteuertes Treiben zuhauf.

Die Inszenierung beginnt vielversprechend, ehe sie immer langatmiger wird, zerdehnt durch diverse Soli, Duette und Trios in einer unspektakulären Bewegungssprache. Peer, getanzt von dem stattlichen Po-Sheng Yeh, liegt am Boden. Über ihm hängt ein großer Lichtring, entworfen von Bühnenbildner Karlheinz Beer. Im Verlauf der Handlung wird er rot wie die Liebe leuchten. Dann blau und kalt wie die Einsamkeit. Auch grün und giftig wie der Wald, in dem der Bergkönig, die Grüngekleidete und weiteres Trollvolk hausen.

Am Anfang aber strahlt dieser Ring unschuldig weiß. Ansonsten ist die Bühne leer. Po-Sheng Yeh erhebt sich zu Griegs berühmter, leider auch durch viel Werbung recht abgenudelter "Morgenstimmung" und rennt schwerfällig im Kreis herum, ganz ungelenker Bauer, der er ist - schwerfällig ist zu dem Zeitpunkt allerdings auch noch das Philharmonische Orchester des Landestheaters unter der Leitung von Roland Fister. Später gewinnt es an Klanggenauigkeit und Strahlkraft.

Doch schon in den nächsten Szenen, für die auch schon mal Auszüge aus Aaron Coplands Suite "Appalachian Spring" erklingen, hat das Regieteam der anfängliche Mut verlassen, wird es optisch fast musicalmäßig opulent. Erst sehen wir den Bergkönig und seine Entourage in voller Märchenmontur. Weil es den von weiblichen Reizen und schönem Schein geblendeten Peer nach Marokko verschlägt, spielt man Orient: Der Tunichtgut erlangt als Sklavenhändler Reichtum, ehe er wieder alles verliert. Schließlich tritt der Tod auf, posiert in wehendem Mantel: Peer ist am Ende. Für den, der es noch immer nicht begriffen hat, lässt man einen riesigen Schädel als Todessymbol von der Decke hängen.

Die kreuzbrave Solvejg rettet den Getriebenen dann doch noch: "Schlaf und träumʼ, lieber Junge mein!" Lauren Sargent tanzt Solveig in blauem Kleidchen. Ebenso wie Natalie Holzinger, die Darstellerin der Ingrid, überzeugt sie durch federnde Leichtigkeit. Zwei Glanzlichter in einer matten Inszenierung.

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