Eine Oper aus der Mitte des 19. Jahrhunderts auf Originalklanginstrumenten, braucht es das? Dringend öfter, wenn man nun das Balthasar-Neumann-Ensemble mit "La Traviata" hört. Bei den Pfingstfestspielen Baden-Baden rückt es dem Klassiker von Giuseppe Verdi mit Darm-Saiten, Naturhörnern und Ventilposaunen zu Leibe, und wie weggeblasen sind die Dickbäuchigkeit und das eckig rumpelnde Pathos, das man von vielen Aufführungen italienischer Opern kennt. An ihre Stelle rückt eine mondäne, untergründig leicht nervöse Eleganz, die nicht nur dem in Paris spielenden Stoff, sondern auch dem 19. Jahrhundert-Charme des Kurortes Baden-Baden perfekt entspricht. Denn der Dirigent Pablo Heras-Casado setzt nicht auf breit reingestemmte Höhepunkte, sondern auf die Finessen eines nobel eingesetzten Rubato. Diese "Traviata" schnellt wie ein Pfeil von einer gut gespannten Saite, federnd und noch in den großen Chortableaus mit dem fabelhaften Balthasar-Neumann-Chor voll freischwebender Energie.
Festspiele Baden-Baden:Schwebende Energie
Rolando Villazón macht Verdi zur großen Zirkusnummer. Seine "Traviata" schnellt in Baden-Baden wie ein Pfeil von einer gut gespannten Darm-Saite.
Von Michael Stallknecht