French Open:Tote Bälle und ein Sicherheitsleck

French Open: Keine Selfies, bitte! Roger Federer mit einem Fan, der plötzlich ein Bild von sich und dem Maestro wollte. Nun debattieren sie über die Sicherheit.

Keine Selfies, bitte! Roger Federer mit einem Fan, der plötzlich ein Bild von sich und dem Maestro wollte. Nun debattieren sie über die Sicherheit.

(Foto: David Vincent/AP)

Stürmische Fans, indiskrete Berichte: Abseitige Themen prägen den Auftakt in Paris.

Von Gerald Kleffmann, Paris

Bumm, bumm, bis in den Bois de Boulogne muss das Gehämmer zu hören gewesen sein, sicher aber haben selbst die Tiere im riesigen Park des XVI. Arrondissements den Lärm nur schulterzuckend zur Kenntnis genommen. Ist ja der erste Samstag der French Open. Ist ja Bob Sinclair. Der Star-DJ. Der Mann mit der Mucke am "Kids Day", dessen Beats Tausende von Jünglingen samt Eltern zum Wippen bringen. Auf Bob Sinclair, den Hipster mit den Promi-Freunden, ist Verlass, das Hauptstadion, der Court Philippe Chatrier, steigt aus dem Sattel, erhebt sich, kreischend, vibrierend, während auf dem Ascheplatz echte Profis spielen und Faxen machen, Gaël Monfils, Novak Djokovic, Alizé Cornet, und, wie immer, ein Rollstuhltennisathlet.

Wir sind alle eins, das wird vorbildlich gelebt, was nicht heißt, dass hier stets Friede, Freude, Pain au Chocolat herrscht. Kaum ist die alljährliche Eröffnungsparty vorbei, rumpelt und knirscht das zweite Grand-Slam-Turnier des Jahres, vernehmbar in Stimmen wichtiger Akteure.

Der Maestro, ach, er motzt, nicht zum ersten Mal zum Auftakt, aber natürlich hat er recht. Umsonst heißt er ja nicht Maestro, sogar im Nahen Osten wird Roger Federer so genannt, wie ein Reporter aus dem Nahen Osten bei einer Frage betont. Wenn Federer, 17 Grand-Slam-Titel schwer, ein Mix aus Cary Grant und Gandhi mit Racket, spricht, sind das Audienzen, diesmal nur eine bedrückend ernste. "Ich bin nicht glücklich darüber, etwas muss passieren", stellt er klar. Nach seinem 6:3, 6:3, 6:4-Erstrundensieg gegen den Kolumbianer Alejandro Falla steht plötzlich jemand neben ihm auf dem Platz, das Problem zumal: "Es war kein fünfjähriger Junge." Ein junger Mann will ein Selfie schießen, diese moderne Hobbyplage, wie sich herausstellt. Schon tags zuvor war Federer beim Training bedrängt worden, Erinnerungen werden wach. Ans Finale 2009, als ein Fan namens Jimmy Jump auf Federer zulief. An Monica Seles, die 1993 ein Messerattentat schwer verletzt überstand, seelisch bis heute gezeichnet. "Wir müssen uns auf dem Platz sicher fühlen können", mahnt Federer an. Gilbert Ysern entschuldigt sich, der Turnierdirektor sagt: "Das ist peinlich für Roland Garros", und: "Der Platz ist heilig, das muss Zuschauern klar sein."

Chris Froome, der Radprofi, mischt sich ein: "Werde härter!", tadelt er Federer per Twitter

Die Sicherheitsvorkehrungen sollen fortan verbessert werden, aber als am Montag auf den hinteren Plätzen gespielt wird, ist nicht immer Security hinter den Spielerstühlen sichtbar. Als Sabine Lisicki im Einsatz ist auf Court 17 (siehe Meldung), könnte man mit einem Hüpfer zu ihr gelangen. Aber, immerhin, das will keiner. Glück für die Deutsche, die auch nicht wie Federer angemacht wird von einem Radprofi. Chris Froome, der Brite, mischt sich per Twitter ein - "werde härter!", tadelt er Federer und verweist auf Knochenbrüche, die Radprofis durch Zuschauerstöße erlitten haben. So transparent laufen heute Debatten ab.

Federers Freund Stan Wawrinka hat auch einen Hals, "Schweizer Wut", titelt L'Équipe zu beiden Vorfällen. Wawrinka, Australian-Open-Champion 2014, einer, der einstecken kann, kritisiert nach seinem Dreisatzsieg gegen den Türken Marsel Ilhan einen Bericht. Aber keinen aus der Boulevardpresse. Einen auf der hochheiligen Turnier-Website, wo dem 30-Jährigen, der gerade private Probleme hat, ein lockerer Umgang mit Frauen unterstellt wird. Wawrinkas unfassbar gute einhändige Rückhand, sie ist verständlicherweise nicht das Thema. Das Thema ist, dass er den Rauswurf des Autors fordert. "Das war wie in einem Käseblatt", sagt er. Feuerlöscher Ysern eilt wieder heran: "Das Geschriebene war nicht angemessen, das ist das Einzige, was wir sagen können." Der Bericht? Entfernt. Der Autor? Auch.

Die ersten Tränen fließen, bittere. Caroline Garcia, eine Französin, die das Volk als potenzielle Championesse sieht, verliert gegen die junge Kroatin Donna Vekic. Den ersten Satz gewinnt sie, 6:3, dann der Riss. 3:6, 2:6, vor mehr als 10 000 Zuschauern. Letztes Jahr war die 21-Jährige aus Lyon ebenfalls früh gescheitert, diesmal "fragte ich für einen kleineren Platz an" - sie wurde dem Hauptplatz zugewiesen. Logik auf Französisch. "Dieses Stadion ist zu viel für mich", gibt Garcia entgeistert zu, "nächstes Jahr bitte ich darum, auf Platz 9 zu spielen, ganz hinten, wo keiner ist." Wo keiner ist - mon dieu! Als ob das ginge. Ganz Paris muss an diesem Feiertag namens Pentecôte unterwegs sein. Kann ein Ort eigentlich untergehen wie ein zu volles Schiff?

Der erste namhafte Verlierer steht derweil fest. Die Bälle geben eine schlechte Figur ab. "Man hat den Eindruck, dass die ganzen Turnierwochen auf Sand für die Katz' waren", sagt Federer, er hält die Bälle für "tot". Andere auch. Stephan Fehske, Trainer des besten Deutschen Philipp Kohlschreiber, erklärt die Crux clever so: "Positiv ausgedrückt sind die Bälle ehrlich. Sie schenken dir wenig, Härte, Geschwindigkeit, Schnitt, alles muss man sich erarbeiten." Hinter dem Ball-Dilemma verbirgt sich ein Industrie-Geschacher. Bei den Sandplatzturnieren vor Paris wurde eine andere Marke gespielt, hier legt eine französische Firma dem Vernehmen nach viel hin, um Ausstatter zu sein.

Feiste Überraschungen bleiben vorerst aus, die größte ist - die Auslosung. Der im Ranking abgerutschte Rafael Nadal kann kann auf dem Weg zu Titel 10 schon im Viertelfinale auf Novak Djokovic, den Weltbesten, treffen. "Ich würde gerne so weit kommen, um das Match zu spielen", sagt Nadal fröhlich. Der Serbe erwidert: "Ist nur eine Auslosung." Mal sehen, wie das nächste Woche klingt. Diese French Open beinhalten ja definitiv interessante Reibungspunkte.

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