Möglicher EU-Austritt:Warum britische Manager den Brexit fürchten

  • Großbritanniens Premier David Cameron will das Volk in spätestens zwei Jahren über einen EU-Austritt abstimmen lassen.
  • Diese Aussicht verunsichert viele Manager. Ökonomen befürchten, dass Firmen teure Investitionen auf die Zeit nach dem Volksentscheid verschieben.
  • Auch den Plan Camerons, die Zahl der Einwanderer zu senken, sehen die meisten Manager kritisch.

Von Björn Finke, London

Höhere Steuern für Reiche, Banker und Besitzer teurer Häuser. Energieversorger sollten ihre Preise nicht mehr anheben dürfen; die Rechte der Arbeitnehmer im Land sollten gestärkt werden. So sahen sie aus, die Wahlversprechen der Oppositionspartei Labour.

Vielen Managern im Vereinigten Königreich passten diese Vorschläge überhaupt nicht - entsprechend erleichtert waren sie, als die Konservativen unter Premier David Cameron die Parlamentswahlen vor drei Wochen gewannen. Doch nach diesem Sieg treibt nun eine andere Sorge die Firmenlenker um: Wird Großbritannien in einigen Jahren die Europäische Union verlassen, den wichtigsten Exportmarkt?

Cameron will das Volk in spätestens zwei Jahren über einen Austritt abstimmen lassen. Umfragen sagen eine Mehrheit für den Verbleib in der EU voraus, trotzdem beunruhigt die Aussicht auf das Referendum viele Manager. Ökonomen befürchten, dass allein schon die Ungewissheit dazu führt, dass Firmen teure Investitionen auf die Zeit nach dem Volksentscheid verschieben.

Nicht alle Manager sind EU-Fans

Am Dienstag sagte Terry Scuoler, Chef des britischen Industrieverbands EEF, dem Fernsehsender BBC, es wäre ein großes Unglück, wenn der Aufschwung unter dieser Unsicherheit leiden würde. Daher solle der Premierminister das Referendum nicht erst im Herbst 2017, sondern so bald wie möglich abhalten.

Ein anderer wichtiger Unternehmer-Verband namens CBI ruft seine Mitglieder dazu auf, sich früh und lautstark für einen Verbleib in der Union auszusprechen. Der Chef des Flugzeugherstellers Airbus in Großbritannien, Paul Kahn, folgt diesem Rat und warnt, dass ein Brexit, also ein Abschied der Briten aus der EU, Investitionen und Jobs auf der Insel gefährden würde. Die Deutsche Bank wiederum teilte sehr schlagzeilenträchtig mit, dass schon eine Arbeitsgruppe darüber diskutiere, welche Abteilungen bei einem Austritt von London aufs Festland verlagert werden.

Wobei nicht alle Manager EU-Fans sind. Der Verband Business for Britain gibt jenen Unternehmern eine Plattform, die von der Mitgliedschaft in der Union nicht viel halten. Bekanntester Brüssel-Gegner ist James Dyson, milliardenschwerer Erfinder des beutellosen Staubsaugers und des infernalisch lauten Händetrockners.

Umstritten: Die Regierung will Streiks erschweren

Ein anderes Steckenpferd der Konservativen sehen die meisten Manager ebenfalls kritisch: Premier Cameron will die Zahl der Einwanderer senken, dabei klagen zahlreiche Betriebe über Fachkräftemangel. Auf Unterstützung hingegen stößt der Enterprise Bill, ein Gesetzespaket, das auch in der Thronrede am Mittwoch angekündigt wird.

Der neue Wirtschaftsminister Sajid Javid, ein früherer Investmentbanker, will damit Firmen von seiner Meinung nach überflüssiger Regulierung befreien. Das soll in den kommenden fünf Jahren mindestens zehn Milliarden Pfund einsparen. Kritiker weisen allerdings darauf hin, dass schon viele britische Regierungen hier ausmisten wollten - und meist scheiterten.

Hoch umstritten ist Javids Plan, Streiks zu erschweren, wenn diese das öffentliche Leben beinträchtigen würden - etwa in Krankenhäusern und Kindergärten oder bei Bussen und Bahnen. In diesen Branchen soll bei Urabstimmungen eine höhere Zustimmungsschwelle gelten. Die Gewerkschaften kündigten bereits erbitterten Widerstand an. Auch nach den Wahlen steht Großbritannien also vor turbulenten Monaten.

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