Festnahmen vor dem Kongress in Zürich:Schwerer Schlag gegen die Fifa

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Joseph Blatter. Archivbild vom 1.Juni 2011. (Foto: AP)

Zwei Tage vor dem Fifa-Kongress nehmen Beamte der Schweizer Polizei hochrangige Funktionäre des Fußballweltverbandes fest. Es geht um Geldwäsche und Bestechung. Prekär für Präsident Blatter: Sein Kronprinz soll an die USA ausgeliefert werden.

Von Carsten Eberts

Die Schweizer Kantonsbeamten kamen in Zivil, in den frühen Morgenstunden zwischen fünf und sechs betraten sie das Fünf-Sterne-Luxushotel "Baur au Lac". An der Rezeption ließen sie sich Zimmerschlüssel aushändigen, sie holten sechs Männer heraus, führten sie durch den Nebeneingang direkt in parkende Autos.

Um nicht gleich zu verraten, um wen es sich handelt, wurden weiße Laken gespannt. Viel nutzte das nicht. Schnell war publik, wer da abgeführt wurde: hochrangige Fifa-Funktionäre, die sich in Zürich eigentlich auf den großen Fifa-Kongress am Freitag vorbereiten wollten, bei dem sich Präsident Sepp Blatter für eine weitere Amtszeit wählen lassen will. Für die Fifa ist das ein empfindlicher Schlag - und mit der Ruhe vor der Wahl ist es definitiv vorbei.

Wie das Schweizer Bundesamt für Justiz bestätigt, werden den Festgenommenen Geldwäsche, Annahme von Bestechungsgeldern sowie Korruption bei den WM-Vergaben 2018 und 2022 vorgeworfen. Hintergrund sind jedoch ebenfalls Ermittlungen des amerikanischen FBI, das die Schweizer Kollegen um Mithilfe gebeten hatte. Die FBI-Ermittlungen beziehen sich auf Korruptions- und Verschwörungsdelikte bei der Vergabe von TV- und Sportvermarktungsrechten in den vergangenen Jahrzehnten - hauptsächlich in Mittel- und Südamerika.

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Fifa reagiert zunächst gelassen

Am späten Mittwochvormittag gab das US-Justizministerium bekannt, dass es gegen neun Fifa-Offizielle Anklage erhebt, unter anderem gegen die Fifa-Vizepräsidenten Jeffrey Webb und Eugenio Figueredo. Insgesamt werden 14 Personen beschuldigt: Neun davon sind oder waren Fifa-Funktionäre, fünf sind Chefs von Sportmarketing-Firmen. Auch die Schweizer Staatsanwaltschaft wird ein eigenes Strafverfahren eröffnen: In diesem Zusammenhang seien Räumlichkeiten der Fifa durchsucht sowie Dokumente und Computer sichergestellt worden.

Die Fifa reagierte zunächst gelassen. Walter De Gregorio, der Kommunikationschef, erklärte auf einer Pressekonferenz, der Weltverband werde die Arbeit der Staatsanwaltschaft vollumfänglich unterstützen. "Die Fifa ist in diesem Kontext die beschädigte Partei", erklärte De Gregorio, man sei "sehr glücklich, dass das nun passiert ist". Dass der Fifa kurz vor ihrem Kongress Herzstücke aus ihrem innersten Führungszirkel gerissen wurden und Präsident Blatter durch die Festnahmen ebenfalls in Bedrängnis gerät, wollte De Gregorio partout nicht erkennen.

Immerhin gab der Fifa-Pressechef noch zu: "Das Timing ist nicht das beste", zwei Tage vor der großen Wahl.

Die Fifa gibt an, kooperativ zu sein. Doch der Blick darauf, wer in Zürich festgenommen wurde, verrät sofort, wie sehr den Weltverband dieser Schlag der Behörden trifft. Zwar gehört Blatter selbst nicht zu den direkt Beschuldigten; unter den Männern sind jedoch enge Vertraute des Schweizers. Nicht zuletzt Jeffrey Webb von den Cayman-Inseln, der Präsident der Concacaf und einer der Vizepräsidenten des Exekutivkomitees.

Webb, 50, ist ein dicker Fisch für die Beamten. Er gilt als Blatters wichtigster Mann für die Finanzen im Weltverband, Blatter hat ihn bereits mehrfach ermutigt, selbst Fifa-Präsident zu werden. Auch für die nun anstehende Wahl soll Webb bereits eine Kandidatur erwogen haben, ehe sich Blatter selbst zu einer weiteren Amtszeit entschloss. Die Reaktion der Fifa lässt vermuten, dass Blatter seinen Kronprinzen nicht weiter zu schützen gedenkt - sondern sich öffentlich von ihm distanziert.

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Dass auch der Name Jack Warner auftaucht, überrascht nicht. Der Geschäftsmann aus Trinidad und Tobago ist in nahezu jeden Skandal und jedes Skandälchen verwickelt, das die Fifa in den vergangenen Jahren eingeholt hat. Warner, 72, wird beschuldigt, von Schwarzmarkt-Ticketverkäufen profitiert zu haben. Auch bezüglich der WM-Vergabe an Katar fällt sein Name: Für seine Stimme an das Wüstenemirat soll Warner 1,5 Millionen Dollar erhalten haben. Das FBI ermittelt seit Jahren gegen ihn, 2012 musste Warner als Präsident des mächtigen Kontinentalverbands für Nord- und Zentralamerika sowie der Karibik (Concacaf) abtreten. Sein Nachfolger dort: Jeffrey Webb.

Wahl soll wie geplant stattfinden

Ebenfalls festgesetzt wurden der Exekutiv-Vize Eugenio Figueredo (Uruguay), der bisherige brasilianische Verbandschef José Maria Marin sowie Eduardo Li Sánchez, Präsident des Fußballverbandes von Costa Rica. Die weiteren Namen auf der Liste, die das US-Justizministerium veröffentlichte: Julio Rocha (Nicaragua), Costas Takkas (Großbritannien/Cayman-Inseln), Rafael Esquivel (Venezuela). Noch heute sollen die Männer verhört werden und danach womöglich direkt an die USA ausgeliefert werden.

Trotz der Festnahmen will die Fifa an ihrem ursprünglichen Zeitplan festhalten. "Natürlich wird der Kongress stattfinden", erklärte De Gregorio, auch wenn Präsident Blatter gerade "kein glücklicher Mann" sei, wie der Kommunikationschef bemerkte. Am Freitag dürfte sich der Schweizer trotzdem erneut zum Präsidenten wählen lassen - und es würde nicht überraschen, wenn er abermals heil aus einer Affäre herauskommt.

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