EU:Deutschland soll mehr Lasten tragen

EU: Aus Afghanistan kommt diese Gruppe, die am Mittwoch die griechische Insel Kos mit einem Schlauchboot erreichte.

Aus Afghanistan kommt diese Gruppe, die am Mittwoch die griechische Insel Kos mit einem Schlauchboot erreichte.

(Foto: Angelos Tzortzinis/AFP)

Die UN loben den Plan der EU-Kommission, Flüchtlinge auf ganz Europa zu verteilen. Die Länder im Zentrum sollen mehr Menschen aufnehmen.

Von Alexander Mühlauer, Brüssel

Ganz am Ende, als eigentlich schon alles gesagt ist, wechselt Dimitris Avramopoulos in seine Muttersprache. Er tue dies, weil ihm das jetzt wichtig sei, dann sagt er auf Griechisch: "Wir sind in Europa eine Familie. Wir haben Werte, die uns alle verbinden." Das mag pathetisch klingen, aber genau darum geht es an diesem Mittwoch in Brüssel: um die Frage, ob die Mitgliedsländer der EU solidarisch sind mit all jenen, die ihre Heimat verlassen mussten und nun in Europa Zuflucht suchen. Avramopoulos, der zuständige Kommissar für Migration, drückt es so aus: "Wir müssen uns alle der Verantwortung stellen. Solidarität muss jetzt in praktische Politik umgesetzt werden."

Die EU-Kommission hat deshalb eine "Einwanderungsagenda" vorgelegt: Sie sieht vor, dass in den kommenden zwei Jahren insgesamt 40 000 Flüchtlinge aus Griechenland und Italien in andere EU-Staaten verteilt werden. Deutschland müsste dem Vorschlag zufolge mit 8763 Personen die meisten Menschen aufnehmen, anteilig entsprechend einem Verteilungsschlüssel; gefolgt von Frankreich mit 6752 und Spanien mit 4288 Flüchtlingen. Diese Quotenregelung soll die Mittelmeerländer entlasten. Die EU-Kommission spricht von einer "Notfallmaßnahme", die angesichts massiv ansteigender Flüchtlingszahlen in Griechenland und Italien nötig sei. Es handele sich vor allem um Menschen aus Syrien und Eritrea.

Die Pläne aus Brüssel sind heftig umstritten. Insbesondere Großbritannien, Frankreich und eine Reihe osteuropäischer Länder lehnen die Quotenregelung ab. Ungarns rechtskonservativer Ministerpräsident Viktor Orbán hatte den Vorschlag, einen Schlüssel für die Aufnahme von Asylbewerbern einzuführen, sogar als "verrückt" bezeichnet. Es gehe nicht um Solidarität, sondern um die Anwendung des Gesetzes, sagte er. Ausgenommen von der Quotenregelung wären allein Großbritannien, Irland und Dänemark. Sie müssen sich in diesem Politikbereich nicht an europäischen Gemeinschaftsaktionen beteiligen, das haben sie sich vor Langem ausbedungen. Vor allem Kopenhagen hat von Anfang an klar gesagt, dass es bei einer Umverteilung von Flüchtlingen nicht mitmachen werde.

Die Bundesregierung begrüßt hingegen die Quotenpläne der EU-Kommission. "Deutschland ist bereit, hierbei seinen Anteil zu leisten", sagt die Migrationsbeauftragte der Regierung, Aydan Özoğuz (SPD). Ihrer Meinung nach gehöre zu einem funktionierenden Europa auch eine gemeinsame Flüchtlingspolitik, in der die Lasten zwischen den Staaten fair verteilt würden.

Geht es nach Brüssel, sollen zudem solche Länder außerhalb Europas entlastet werden, die vielen Flüchtlingen Zuflucht gewähren, etwa jenen aus dem syrischen Bürgerkrieg. Es handelt sich dabei um 20 000 Menschen, die vornehmlich in Flüchtlingslagern außerhalb der EU leben. Für ihre Aufnahme schlägt die Kommission ebenfalls Quoten vor - und zwar für alle 28 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union. Demnach würden auf Deutschland 3086 Personen entfallen. Frankreich stünde an zweiter Stelle mit 2375, Großbritannien soll 2309 Menschen aufnehmen. Länder, die mitmachen, sollen mit 50 Millionen Euro aus dem EU-Haushalt unterstützt werden.

Migrationskommissar Avramopoulos ist selbst vor einigen Wochen nach Nordafrika gereist, um sich die Situation dort anzuschauen. Die EU wolle dort die Informationsbeschaffung stärken, also die Routen von Menschenschmugglern erkunden und sich mit Staaten wie Ägypten, Tunesien und Marokko austauschen. Man wolle den Schleusern das Handwerk legen.

Der Umgang mit Flüchtlingen, die Frage, welche Werte den Europäern wichtig sind und wie Solidarität konkret aussehen kann - das sind dann auch Themen, die Avramopoulos' Chef, Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, und seinen Gast aus New York beschäftigen. Der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Ban Ki Moon, ist nach Brüssel gekommen, um mit den Europäern über die Probleme mit Flüchtlingen zu reden. Zu den Plänen der EU-Kommission sagt er: "Das ist ein Schritt in die richtige Richtung." Er wolle alle Mitgliedsstaaten der EU auffordern, sich zu beteiligen. Auf die Frage, wie er zu einem Militäreinsatz auf dem Mittelmeer stehe, sagt Ban: "Ich bin für eine Verstärkung der Seenotrettung. Aber ich bin besorgt, dass Boote zerstört werden." Man müsse alles tun, um die Menschen zu retten.

Kein Wunder, dass sich Kommissionschef Juncker darüber freut, dass Ban seinen Plan unterstützt. Juncker will, dass der Gesetzesvorschlag bis Ende des Jahres beschlossen und umgesetzt wird. Seine Botschaft an die EU-Staaten ist klar: "Es geht nicht um Worte, es geht jetzt um Taten."

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