Studentenverbindungen:Falsch verbunden

Studentenverbindungen: Studentenverbindungen in Deutschland haben einen schlechten Ruf

Studentenverbindungen in Deutschland haben einen schlechten Ruf

(Foto: Stephan Rumpf)
  • An diesem Donnerstag findet das jährliche Treffen der Deutschen Burschenschaft in Eisenach statt. Mitglieder anderer Studentenverbindungen befürchten, dass es wieder zu rechtsextremen Äußerungen kommen könnte.
  • Obwohl der Dachverband Deutsche Burschenschaft nur einen kleinen Teil der Studentenverbindungen vertritt, prägt er das Image der Organisationen.
  • Gegner, wie zum Beispiel der Dachverband der Asten, kritisieren die Verbindungen als sexistisch und rassistisch. Sie fordern die Auflösung aller Studentenverbindungen.

Von Johann Osel, Heidelberg

Neulich haben sie ihm die Mütze vom Kopf geklaut, mitten in Heidelberg. Da war Richard Dören mit Brüdern seiner Studentenverbindung auf dem Weg zu einem Gottesdienst. Ein Radfahrer, berichtet er, dann ein überraschender Schlag von hinten, und die schwarz-orangefarbene Kopfbedeckung war weg. Dören, ein Schlaks Anfang zwanzig, erzählt den Vorfall im prächtigen Königssaal des Heidelberger Schlosses, dort trifft sich der Cartellverband (CV) der katholischen Studentenverbindungen, zu dem seine Heidelberger Ferdinandea gehört. Und da hört man auch Sachen, die den radelnden Mützendieb wie eine Lappalie erscheinen lassen: Farbbeutelattacken auf Verbindungshäuser, Pöbeleien und Angriffe, einmal sollen bei einem Treffen die Auto-Nummernschilder der Teilnehmer im Netz veröffentlicht worden sein. Aufforderung: Bitte demolieren! Antifaschisten sind da oft wenig zimperlich.

Der Haken daran nur: Die Heidelberger Tagung, die Reden, die politischen Positionen, die Cartellbrüder selbst - sie sind katholisch, vielleicht teils erzkatholisch, sie sind konservativ, vielleicht teils stramm konservativ, sie pflegen Rituale, die irgendwie aus der Zeit gefallen wirken. Aber Faschisten sind sie sicher nicht. Und daher blicken sie mit Sorge auf eine andere Veranstaltung, die nun an diesem Donnerstag im thüringischen Eisenach beginnt: das jährliche Treffen der Deutschen Burschenschaft (DB), bei der seit Jahren immer wieder Neonazis das Wort führen dürfen.

Eine kleiner Dachverband bekommt das volle Augenmerk

In Deutschland gibt es um die 1000 Studentenverbindungen verschiedenster Art und quer durch die Republik, ein kaum überschaubares Dickicht. Sie zählen zusammen mehr als 100 000 Mitglieder, aktuelle Studenten wie Akademiker, die sogenannten Alten Herren. Allein im größten Dachverband, eben dem katholischen CV, sind 30 000 Menschen organisiert. Der prominenteste ist im Vatikan zu finden, der frühere Papst Benedikt, im bayerischen Landeskabinett sitzen gleich mehrere.

In der DB dagegen sind es geschätzt etwa 7000 Burschen - sie bekommt aber das volle Augenmerk, jedes Jahr in Eisenach aufs Neue. Da wurde mal über einen "Ariernachweis" für Mitglieder debattiert; da wurde im DB-Verbandsblatt der Theologe Dietrich Bonhoeffer, 1945 im KZ ermordet, "Landesverräter" genannt; es gibt verbale Abscheulichkeiten, es gibt eindeutige Verknüpfungen zwischen der NPD und Burschenschaften. Eher liberale Bünde haben den Dachverband verlassen.

Der Dachverband der Asten fordert sogar die Auflösung aller Studentenverbindungen

Was sich die kleine DB in diesem Jahr an braunem Spuk leistet, bleibt abzuwarten. Für den katholischen Verbindungsstudenten Richard Dören steht schon fest: "Wenn die in Eisenach ihren Fackelzug machen, wird es in der Wahrnehmung wieder keinen Unterschied geben zu uns. Man will gar keinen Unterschied machen." Einmal sei er in einem Burschenschaftshaus gewesen und habe gesehen, um welche Themen es da geht: "Um Reichsgrenzen und Rassenfragen, unfassbar, das bewegt die wirklich."

Heiner Emrich, ein Münchner Anwalt und Ratsvorsitzender des Cartellverbands, zeichnet mit den Händen eine Wand nach: "Solche Gedanken nur zu diskutieren, das hat mit uns überhaupt nichts zu tun", sagt er mit strenger Miene. "Hoffentlich passiert in Eisenach nichts, was dann wieder uns in die Schuhe geschoben wird. Wir bekommen das alles zu spüren." Der CV will, so die offizielle Definition, "werteorientiertes Denken" auf Basis der katholischen Ethik in die Gesellschaft tragen. Positionierungen gab es zuletzt zum Beispiel zur Sterbehilfe oder Bildungspolitik.

Am Heidelberger Schloss ist die Stimmung international. Das liegt nicht nur an den Touristen aus aller Welt, die eine Neckar-Postkartenidylle von oben knipsen und mitunter auch Verbindungsstudenten, die mit ihren grünen, roten, gelben Mützen durch den Park streifen. Sondern es liegt am Thema des "Akademischen Forums", das der Verband im Schloss abhält: eine weltoffene Wissenschaft. Der Rektor der örtlichen Universität, ebenfalls Cartellbruder, diskutiert mit. Als eine der wenigen Frauen im Saal ist Margret Wintermantel zu Gast, Präsidentin des Deutschen Akademischen Austauschdienstes. "Weltbürgertum" und "Willkommenskultur" - das sind Begriffe, die durch den holzvertäfelten Saal schallen. Ausländische Studenten sind im CV auch willkommen, nur katholisch müssen sie sein.

Historisch unterscheiden sich rechte Burschen und viele Verbindungen

Woher also die Vorurteile, die Ablehnung? Historisch unterscheiden sich rechte Burschen und viele Verbindungen. Während Burschenschaften im 19. Jahrhundert als völkische Bewegung gegen die napoleonische Unterdrückung und deutsche Kleinstaaterei entstanden sind, hat zum Beispiel der CV ganz andere Wurzeln: Gegründet wurde er einst im Zwist zwischen Kirche und katholischen Akademikern über die Reliquienverehrung. Allerdings sind da viele Gemeinsamkeiten.

Verbindungen und eben auch Burschenschaften tragen meist Farben; ähnlich ist die Hierarchie, ein Neumitglied muss sich erst als "Fux" behaupten, die "Alten Herren" bedenken ihren Nachwuchs beim Eintritt ins Berufsleben gern mit Kontakten; gleich ist das Prinzip des Lebensbundes, die Mitgliedschaft bis zum Tod; außerdem Rituale wie die "Kneipe", ein Zeremoniell aus Reden, Singen und Biertrinken. Und: Die allermeisten Verbindungen nehmen ausschließlich Männer auf. Da unterscheiden sich katholische Brüder nicht von braunen Burschen.

Das ist ein Grund, warum Verbindungsmitglieder in der studentischen Politik verpönt sind. Der fzs, der bundesweite Dachverband von fast 100 Asten und Studentenvertretungen, fordert die Auflösung aller Verbindungen, auch der CV steht auf einer Art Giftliste. Unabhängig von der Deutschen Burschenschaft, einem "Haufen rassistischer Männer", sei in Verbindungen nämlich "in der Regel das gesamte Spektrum national-konservativer bis völkisch-nationalistischer Ansichten vertreten", zudem herrsche ein gestriges Frauenbild vor. "Wozu brauchen wir Karrierevereine, in denen es Hierarchien bis zum Tod gibt und in denen die Ehre neben ritualisierten Gelagen verbindende Merkmale sind?"

Frauen dürfen nicht beitreten. Warum? "Männergesangsvereine lässt man ja auch in Ruhe."

"Alles in einen Topf geworfen, das ist ja lächerlich", sagt Richard Dören. Als er zum Studieren nach Heidelberg kam, wusste er wenig über Verbindungen. Aber es gab im Jura-Studiengang einige Brüder, er wurde neugierig. "Man kann sich Rat holen, erst recht in Massenfächern mit Hunderten Leuten in der Vorlesung, man findet Freunde", sagt er. Es gebe drei Muster, wie Nachwuchs üblicherweise in die Verbindungen gelange. Erstens familiäre Prägung. Zweitens, wie bei ihm, eine Art Zufall. Jedoch helfen Verbindungen dem Zufall nach, sie werben mit Gemeinschaft in der anonymen Stadt. Man biete "mehr als die Massenuniversität bieten kann", heißt es in einer CV-Broschüre.

Auch Dörens dritter Grund steht darin: "Wie wäre es mit einem preiswerten Zimmer, gern mit W-Lan, möglichst in Uni-Nähe und vor allem mit netten Leuten in einer studienfreundlichen Atmosphäre?" Erstsemester auf Wohnungssuche schließen sich Verbindungen an, um in deren Häusern unterzukommen. In Heidelberg sind 100 bis 180 Euro pro Zimmer fällig - Studenten geben in der Stadt laut Statistik im Schnitt knapp 320 Euro im Monat für Miete aus.

Seilschaft, Frauenfeindlichkeit, Besäufnis, Altbackenheit - ein gängiges Bild von Verbindungen. Ob man ihm zustimmt und es heikel findet, hängt wohl vom Betrachter ab. Der Ratsvorsitzende Heiner Emrich sagt über die Netzwerke: "Natürlich öffnet eine Empfehlung Türen. Aber wer nichts leistet, wird auch nicht gefördert." Richard Dören meint zum Alkoholkonsum: "Es gibt bei uns in der Regel keine Schnäpse - während jeder Schüler mit Wodka-Bull vorglüht." Zum Frauen-Ausschluss sagt ein anderer: "Deswegen sind wir keine Machos. Männergesangsvereine lässt man ja auch in Ruhe." Ein weiterer Student verweist auf Karneval, Oktoberfest und Fußballstadion. "Überall gibt es Traditionen. Warum müssen wir uns rechtfertigen?"

Die Verbindungsleute verteidigen ihren Gedanken, machen einen routinierten Eindruck dabei, gelassen - richtig Empörung löst nur die Nazi-Schublade aus. Womöglich dieser Tagen wieder, nach Eisenach.

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