Fifa-Skandal:Wie die Schweizer an den WM-Vergaben rütteln

Fußball WM 2022 in Katar

Die Fußball-WM 2022 soll auch im Stadion Al Shamal in Katar ausgetragen werden.

(Foto: Albert Speer & Partner GmbH / Visualisierung: hhvision /dpa)
  • Mit den WM-Entscheidungen für Russland und Katar befasst sich nun die Staatsanwaltschaft.
  • Möglicherweise stellt das die Austragungsorte 2018 und 2022 doch noch infrage - denn die Schweizer Behörden haben andere Mittel als zuletzt der US-Jurist Michael Garcia.

Von Johannes Aumüller, Zürich

Als sich der Fifa-Vorstand am 2. Dezember 2010 in Zürich versammelte, geriet die Fußballwelt in eine Mischung aus Staunen und Entsetzen. Zwei WM-Vergaben standen an: "2018 Russland", stand auf dem ersten Zettel, den Fifa-Boss Sepp Blatter hochhielt. Und auf dem zweiten: "2022 Katar". Doch nun, da die Schweizer Bundesanwaltschaft wegen "Unregelmäßigkeiten" bei der Vergabe ermittelt, ist es fraglicher denn je, ob die Turniere dort stattfinden. Dubiose Vorgänge um die Wahl sind reichlich dokumentiert. Zwei Vorständler wurden bereits vorab ausgeschlossen, weil sie ihre Stimmen zum Kauf anboten - und dabei versteckt gefilmt wurden.

Dann räumten Katars Bewerber ein, sie hätten eine 76-Millionen-Dollar-Spende an den finanzschwachen argentinischen Verband des damaligen Fifa-Vize Julio Grondona diskutiert - aber verworfen. Über eine Firma des früheren katarischen Funktionärs Mohamed bin Hammam flossen zwei Millionen Dollar an Fifa-Vize Jack Warner und dessen Söhne - angeblich ohne direkten Zusammenhang zur Katar-Kandidatur.

Und eine Ex-Angestellte der Katar-Bewerbung berichtete, wie in Angola drei afrikanische Wahlmänner ihre Stimme verhökert haben sollen: "Erst lag das Angebot bei einer Million, das lehnten sie ab. Als auf 1,5 Millionen erhöht wurde, haben sie angenommen." Kamen so die 14 Stimmen für Katar zusammen? Geoutet als Wähler hat sich nur Michel Platini, Chef von Europas Fußball-Union Uefa. Sein Sohn heuerte bald darauf bei einer Firma im Emirat an.

Der eigene Bericht wird gut unter Verschluss gehalten

Auch bei Russland tat sich Fragwürdiges. Der Funktionär Wjatscheslaw Koloskow sagte, Präsident Wladimir Putin habe sich persönlich mit "mindestens einem Drittel" der Vorständler getroffen. Es soll Kunstgeschenke gegeben haben und sonstige Gaben weit über dem erlaubten symbolischen Wert: Jack Warner soll vier Tage Luxusaufenthalt in Moskau für sich und Anhang genossen haben. Franz Beckenbauer erhielt kurz nach dem Ausscheiden aus der Fifa einen Job als Sportbotschafter bei der russischen Gasgesellschaft.

Alle bestreiten jeden Zusammenhang mit ihrem Votum. Die Fifa setzte auf Selbstreinigung: Sie beauftragte den US-Juristen Michael Garcia, nachzuforschen. Mehr als ein Jahr lang jettete er um den Globus, sprach mit Vergabe-Beteiligten - im Herbst 2014 war sein Report fertig. Veröffentlicht ist er bisher nicht, nur ein Exzerpt des Münchner Richters Hans-Joachim Eckert, der als Vorsitzender der zuständigen Fifa-Kammer den Report studierte, wurde publiziert.

Eckert sprach darin von womöglich strafrechtlich relevantem Verhalten Einzelner, sah insgesamt aber keinen Grund, das Verfahren neu aufzurollen. Die Schweizer Staatsanwälte indes haben andere Mittel als die Fifa-Ethiker - das wurde am Mittwoch klar, als sie in die Fifa-Zentrale einrückten, Dokumente sicherten und ankündigten, nun mit jenen zehn Mitgliedern aus der Fifa-Exekutive sprechen zu wollen, die 2010 schon dabei waren. Blatter gehört nicht dazu, da er ohnehin in der Schweiz lebt - und auch zu einem späteren Zeitpunkt greifbar wäre.

Als Eckerts Beurteilung des Garcia-Reports im Herbst vorlag, jubilierte Blatter, die Ausrichter Russland und Katar stünden felsenfest. Das lässt sich spätestens seit Mittwoch so sicher nicht mehr sagen. Selbst wenn Fifa-Sprecher Walter de Gregorio betonte, an 2018 und 2022 werde "nicht gerüttelt".

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