General Electric:Ein Konzern gibt Gas

Lange Zeit hatte Siemens im Turbinengeschäft technologisch die Nase vorn. Doch der Erzrivale aus den USA hat aufgeholt.

Von Christoph Giesen, Belfort

Seit gut zwei Jahren leitet Victor Abate die Kraftwerkssparte von General Electric. Und seit gut zwei Jahren ist er verantwortlich für das Prestigeprojekt des Konzerns: die effizienteste Gasturbine der Welt. Fachleute sprechen von der sogenannten H-Klasse. Eine luftgekühlte Turbine, die knapp 700 000 Haushalte mit Energie versorgen kann; zwei Milliarden Dollar hat die Entwicklung gekostet. Zur Vorstelling der Turbine in Belfort schaut an diesem Donnerstag auch Frankreichs Wirtschaftsminister Emmanuel Macron für ein paar Minuten vorbei und lässt sich mit GE-Mitarbeiter vor dem Schaft der neuen Super-Turbine fotografieren. 94 Tonnen wiegt das Teil. Abate steht derweil ein wenig Abseits, die Show überlässt er dem Minister. Er ist ein Mann der Zahlen, und die verkündet er lieber in einem fensterlosen Konferenzraum der Fabrik. Hinter ihm haben sie eine Grafik auf die Leinwand projiziert. Es ist der Energieverbrauch der Erde. 2013 wurden demnach weltweit 23 000 Terawattstunden erzeugt und verbraucht - eine Zahl, die kaum zu fassen ist. 2023 sollen es bereits 31 000 Terawattstunden sein. Jedes Jahr also eine Steigerung von etwa drei Prozent. Jahrelang waren es vor allem Kohlekraftwerke, die die steigende Nachfrage an Energie decken mussten. Nun aber, so Abate, sei Gas der größte Wachstumsmarkt. 30 Prozent der Steigerung werden durch neue Gaskraftwerke erzielt, prognostiziert er. Obwohl die erste GE-Turbine erst im kommenden Jahr Strom erzeugen wird, haben die Amerikaner bereits 16 Anlagen verkauft. 53 weitere Turbinen-Deals seien so gut wie unter Dach und Fach, mal fehlt noch eine Unterschrift, mal muss noch über die Finanzierung gesprochen oder eine letzte Baugenehmigung erteilt werden. Für das kommende Jahr plant GE, in den Fabriken in Belfort und Greenville in South Carolina etwa 25 Anlagen zu montieren. Auch in Deutschland wird wohl bald eine GE-Großturbine stehen. Der Schweizer Energieversorger Repower will eine solche Anlage in Leverkusen betreiben. Bis 2030, sagt Abate, werde GE 500 große Turbinen verkauft haben.

Das klingt nach Aufbruch. Ganz anders sieht es derzeit beim ewigen GE-Rivalen Siemens aus. Während Abate in Belfort die Zukunft beschreibt, wählt Siemens-Chef Joe Kaeser in einem Interview in der Mitarbeiterzeitschrift, die an diesem Donnerstag erschienen ist, deutliche Worte: Die Energiewende, sagt er, sei verantwortlich dafür, dass der Konzern Mitarbeiter entlassen müsse. Es ist just das Geschäft mit dem Gas, das den Münchnern Schwierigkeiten bereitet. Wind, Solar und Kohle werden in Deutschland gefördert. Gas nicht. Und das bedeutet keine Aufträge.

Geld für Siemens

Kurz vor der geplanten Übernahme der US-Energietechnikfirma Dresser-Rand hat sich Siemens 7,75 Milliarden Dollar am Kapitalmarkt besorgt. Die Münchner platzierten mehrere Anleihen mit Laufzeiten von drei, fünf, sieben, zehn und 30 Jahren. Die Nachfrage der Investoren habe das geplante Emissionsvolumen um das Zweieinhalbfache überstiegen, weshalb die Zinskonditionen durchweg sehr gut ausgefallen seien, teilte Siemens am Donnerstag mit. Die Bond-Emission war den Angaben zufolge die bisher größte des Konzerns. SZ

Mindestens bis 2017 ist Flaute in den Auftragsbüchern.

Vor drei Wochen hatte der Siemens-Chef angekündigt, 4500 zusätzliche Stellen abzubauen, davon 2200 in Deutschland. Die Mehrheit der deutschen Arbeitsplätze sollen im Energiebereich gestrichen werden, intern nennen sie diese Sparte PG, das steht für Power und Gas. "Wir haben eigentlich die weltbesten Technologien, hervorragend ausgebildete und loyale Mitarbeiter", sagt Kaeser. "Dennoch fallen dem energiepolitischen Strukturwandel in Deutschland bei PG etwa 1600 Mitarbeiter zum Opfer."

Hat Kaeser Recht? Ist der deutsche Markt wirklich so schwierig? Zum Konkurrenten wolle er sich nicht äußern, sagt Abate, schiebt dann aber grinsend hinterher: "Ich würde deutschen Kunden einfach den Kontakt zu unserem Windkraftgeschäft vermitteln." Das Deutschland-Geschäft scheint tatsächlich zäh zu sein, und das trotz des Repower-Deals. Außerhalb Deutschland, sagt Abate, boome der Gasmarkt aber: "Nehmen Sie Indonesien. Der neue Präsident hat angekündigt, bis 2020 30 Gigawatt an Leistung aufzubauen. Alleine 13 Gigawatt sollen durch Gaskraftwerke gedeckt werden." Auch in Südamerika oder dem Nahen Osten gebe es viele Chancen, Anlagen zu vertreiben.

General Electric: Prestige-Objekt im französischen Belfort: Neue Gasturbine von General Electric.

Prestige-Objekt im französischen Belfort: Neue Gasturbine von General Electric.

(Foto: GE)

Lange Zeit lag Siemens technisch vor GE. Im September 2011 hatten die Münchner ihre eigene H-Klasse-Turbine im bayerischen Irsching eingeweiht, gut fünf Jahre vor GE, deren erste Anlage im kommenden Sommer ans Netz gehen wird. Bislang konnte Siemens seine Großturbine in den vergangenen Jahren etwa 50 Mal verkaufen. GE will schon bald zehnmal so viel bauen und installieren. Das beste Argument seien mal wieder die Zahlen, sagt Abate: "Eine Gasturbine verkauft man nicht aufgrund ihres Styles, sondern indem man dem Kunden die wirtschaftlichen Vorzüge erklärt." Bei der neuen Großturbine liegt der Effizienzgrad laut eigenen Tests bei 61 Prozent, kleinere Anlagen verbrauchen im Schnitt mehr Gas. Sollte GE tatsächlich 500 Anlagen verkaufen, rechnet Abate vor, könnten die Kunden jedes Jahr etwa acht Milliarden Dollar an Gaskosten sparen - und GE einen noch viel höheren Profit machen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: